100 Jahre Wissen teilen
Volkshochschulen stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Rund neun Millionen Menschen besuchen jährlich Kurse an Volkshochschulen in Deutschland. In den bundesweit etwa 900 Einrichtungen lernen sie Sprachen – für den Beruf oder für die nächste Urlaubsreise. In Gesundheitskursen finden sie Spaß daran, gemeinsam mit anderen etwas für die eigene Fitness zu tun. Sie holen ihren Schulabschluss nach und eröffnen sich so neue Lebensperspektiven. Oder sie qualifizieren sich für neue berufliche Aufgaben. Rund 700.000 Bildungsangebote in unterschiedlichen Wissensgebieten stehen ihnen dazu jährlich offen. Die Volkshochschule ist der bundesweit größte Anbieter der allgemeinen Weiterbildung, überall vor Ort präsent und das seit 100 Jahren.
Mit dem 100-Jahre-Jubiläum, das die Volkshochschulen in diesem Jahr feiern – unter anderem in Stuttgart, Heilbronn, Regensburg und Bayreuth – berufen sie sich auf die Weimarer Verfassung von 1919. In Artikel 148 wurden erstmals alle staatlichen Ebenen aufgefordert, die Erwachsenenbildung und insbesondere die Volkshochschulen zu fördern. Dies löste eine deutschlandweite Gründungswelle aus: 1919 gilt als das Geburtsjahr der Volkshochschule moderner Prägung und der Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung. 1919 ist das Jahr, in dem die größte Zahl der heute noch existierenden Volkshochschulen ursprünglich gegründet wurde.
Demokratisches Bewusstsein zu fördern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, waren wesentliche Ziele der Weimarer Verfassung von 1919, denen sich die Volkshochschulen bis heute verpflichtet fühlen. Seit 100 Jahren sind sie überall in Deutschland unverzichtbare Orte der demokratischen Bildung, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft und Orientierung zusammenkommen, um miteinander und voneinander zu lernen.

Volkshochschulen verstehen sich als offen für alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, sozialem Status oder Bildungsabschluss, Religion oder Weltanschauung. Sie bieten Raum für Begegnung. Gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Disparitäten und demokratiegefährdender Orientierungen brauchen wir Austausch und Dialog. Sich zu begegnen, unterschiedliche Positionen und Meinungen zu erfahren und voneinander zu lernen – das schafft Zusammenhalt.
Die Volkshochschulen in Deutschland wollen dazu einen Beitrag leisten und stellen im Jubiläumsjahr 2019 das Herbstsemester unter das Motto „zusammenleben. zusammenhalten“. Sie eröffnen damit bundesweit den Dialog zu Fragen des Zusammenlebens in unserer Kommune und in Deutschland, aber auch zum Zusammenhalt in Europa und der Welt. Wie gehen wir mit wachsender Ungleichheit durch Alters- oder Einkommensarmut um? Was bedeutet die voranschreitende Digitalisierung für unser Zusammenleben? Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den globalen Süden und für unser Verständnis einer globalen Gerechtigkeit?
„100 Jahre Wissen teilen“ lautet deshalb das Motto des Jubiläumsjahres. Es knüpft an einen aktuellen Trend an: Mit den digitalen Medien und der Verbreitung von sozialen Netzwerken ist es modern geworden, eigene Kenntnisse und Fertigkeiten öffentlich zu dokumentieren und so anderen zugänglich zu machen. Das Jubiläumsmotto greift diesen Trend auf und macht gleichzeitig klar: vhs folgen diesem Prinzip bereits seit 100 Jahren.
Kenntnisse und Fertigkeiten mit anderen Menschen zu teilen, ist ein konstituierendes Merkmal von Volkshochschulen. Seit ihrer Gründung vergeben Volkshochschulen Lehraufträge an Dozenten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, die ihre Expertise mit anderen teilen. Und auch die Kursteilnehmenden sind Teil eines interaktiven Prozesses des gemeinsamen Lernens. Die egalitäre Grundidee, die Plattformen wie Wikipedia oder Youtube heute so populär macht, wohnt den Volkshochschulen von Anbeginn an inne.
Wissen ist im universellen Sinne gemeint. Der Begriff unterstreicht den aufklärerischen Anspruch der Volkshochschulen, Menschen auf der Basis wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse für eine aktive Teilhabe in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen zu qualifizieren. Gleichzeitig steht der Begriff für die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit von Informationen und Positionen und wendet sich dagegen, Vorurteile als handlungsleitend zu akzeptieren.
In diesem Sinne sind Volkshochschulen nicht allein Einrichtungen des Kompetenzerwerbs im Rahmen klassischer Unterrichtssituationen, sondern auch im diskursiven Prozess.
Simone Kaucher, Pressesprecherin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes

Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.
Obere Wilhelmstraße 32
53225 Bonn