In Dormettingen wird Geschichte greifbar
Gemeinde realisiert gemeinsam mit der Holcim GmbH den Naturerlebnispark SchieferErlebnis
Seit über 70 Jahren wird in Dormettingen Ölschiefer abgebaut. Das „schwarze Gold“ ist ein wertvoller Rohstoff für die Herstellung von Portlandzementen. Der Ölschieferabbau hat für die kleine Gemeinde im Landkreis Zollernalb aber auch negative Seiten: Jahrelang hemmte er die Dorfentwicklung und zerstörte das Landschaftsbild, zudem beklagen die Bürger das erhöhte Schwerlastverkehr-Aufkommen. Doch die Gemeinde erkannte das Potenzial, das in der Folgenutzung des Steinbruchs steckt. Gemeinsam mit der Holcim (Süddeutschland) GmbH, die 2004 das angrenzende Zementwerk und die Abbaurechte übernahm, realisierte sie einen Erlebnispark im Schiefersteinbruch.
Bereits kurz nach der Eröffnung ist das SchieferErlebnis Dormettingen ein Erfolg. Der zehn Hektar große Naturerlebnispark zieht zahlreiche interessierte Besucher an. Und die können selbst Steine klopfen: Versteinerte Muscheln, Ammoniten, glitzerndes Pyrit – ein paar gezielte Schläge mit Hammer und Meißel reichen meist, um das erste Fossil in den Händen zu halten. „180 Millionen Jahre alte goldfarbene Fossilien können auf dem Klopfplatz leicht geborgen werden“, freut sich Dormettingens Bürgermeister Anton Müller.
Im Park stößt der Besucher immer wieder auf den Ausgangspunkt – den Ölschiefer. „Wir erzählen die Geschichte einer Region und ihrer Menschen“, beschreiben Ilse Siegmund, Siegmund Landschaftsarchitektur, und Rudolf Mager, Atelier Dreiseitl, ihren Planungsansatz. Das spielerische „Begreifen und Greifen“ des Gesteins, seine Geschichte und Verarbeitung stehen im Mittelpunkt: Auf dem Eingangsplatz, der Holcim-Plaza, ermöglicht ein rotes Guckrohr Einblicke ins sonst geschlossene Ölschiefer-Förderband.
Wegstationen informieren über Geologie, Rohstoffe und den Baustoff Beton. Überdimensionierte „Erzählsteine“ markieren die Stationen. Im Zentrum des Parks liegt der große Fossiliensammelplatz mit Bruchmaterial aus fossilienreichen Schichten. Der angrenzende, 5500 Quadratmeter große See ist bis zu fünf Meter tief, hat aber zum Spielplatz hin eine ausgeprägte Flachwasserzone.
Mammutprojekt mit Fördermitteln realisiert
Nur durch zwei glückliche Faktoren konnte die 1000-Einwohner-Gemeinde das Mammutprojekt stemmen: Als „Leuchtturmprojekt“ erhielt es größtmögliche Fördermittel aus dem Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, LEADER. Die Gemeinschaftsinitiative der EU bezuschusste etwa 75 Prozent der Baukosten. Holcim übernahm kostenneutral die Geländemodellierung und sponserte den Bergbauspielplatz samt Ideenwettbewerb. Kukuk aus Stuttgart entwickelte einen Abenteuerspielplatz mit zwei großen Spieltürmen, die den Holcim-Silos ähneln.
Dormettingen nutzte das Großprojekt, um die Bürde des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Außerhalb des Parks schließt nun ein drei Kilometer langer Erinnerungspfad an, der den Ölschieferabbau durch KZ-Häftlinge im Unternehmen „Wüste“ beschreibt und an ehemalige Arbeitsorte führt. Als Grundlage für die Gestaltung nutzte das Planerteam eine Diplomarbeit der Fachhochschule Nürtingen. Auch die Idee einer Freilichtbühne nach dem Vorbild des von Holcim gesponserten Amphitheaters im schweizerischen Hüntwangen wurde umgesetzt. Den Park selbst konzipierten die Planer mit dem Schiefer und seiner geformten Landschaft im Mittelpunkt. Ein 16 Meter hoher Aussichtshügel begrenzt die Veranstaltungsfläche nach außen. Bei seiner Gestaltung griffen die Planer die geschwungene Schieferabbruchkante auf, die zugleich die Seekante bildet.
Abenteuerspielplatz vermittelt viel Wissen
Das Restaurant, ein Bau mit Flachdach und Textilbetonfassade, markiert den Parkeingang am See. Mit dem Abenteuerspielplatz thematisierte Kukuk die Arbeitsgänge des Zementwerks und die Geschichte der Rohstoffe. Die beiden Kletter- und Rutschentürme symbolisieren die Transformation des Materials im Zementwerk. Felsbrocken und Balancierstämme zum Klettern findet man in der „Urlandschaft“. Aus dem „Gezeitenbrunnen“ schöpfen die Kinder das für die Zementherstellung wichtige Wasser, das sich in einer Wellenlandschaft aus Spritzbeton sammelt. Das Atelier Dreiseitl entwickelte das Management des Oberflächenwassers und die Wassertechnik des Parks: Rigolen sammeln Regenwasser unter der Schotterrasenfläche für den See. Der Gezeitenbrunnen und die Wasserstelle am Klopfplatz zum Säubern der Fossilien schließen ebenfalls an den selbstreinigenden Wasserkreislauf an.
Weitere Informationen über den Naturerlebnispark SchieferErlebnis finden Sie auch unter: www.schiefererlebnis-dormettingen.de