Das Grüne Zimmer kurz nach der Fertigstellung im Mai 2014: Selbst bei sehr hohen Außentemperaturen bildet sich innerhalb der grünen Wände ein einigermaßen erträgliches Klima.

Das Grüne Zimmer kurz nach der Fertigstellung im Mai 2014: Selbst bei sehr hohen Außentemperaturen bildet sich innerhalb der grünen Wände ein einigermaßen erträgliches Klima.

23. Mai 2017

Ein Grünes Zimmer für Ludwigsburg

Freistehende Vertikalbegrünung sorgt für Aufenthaltsqualität in der Stadt

Die Stadt Ludwigsburg gehört zu den Städten in der Region Stuttgart, die schon heute eine hohe Hitzebelastung aufweisen. Der Klimawandel wird gemäß der Prognosen des Klimaatlas Verbandes Region Stuttgart dazu führen, dass die beeinträchtigte Fläche größer und die Belastungsdauer zunehmen wird. Dies hat an heißen Tagen gravierende Auswirkungen auf die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Daher war es nicht verwunderlich, dass sich die Stadt Ludwigsburg um ein Pilotprojekt für grüne Wände als lokale Klimawandel-Anpassungsmaßnahme

Nach intensiver Planung ist aus den mit EU-Mitteln des Projektes TURAS (www.turas-cities.org) ko-finanzierten grünen Wänden das Grüne Zimmer Ludwigsburg als ein herausragendes Beispiel für freistehende Vertikalbegrünung im öffentlichen Raum entstanden.

Umsetzung

Das Grüne Zimmer wurde im Frühjahr 2014 auf dem Dach einer Tiefgarage in der Ludwigsburger Innenstadt errichtet. Es setzt sich aus vorkultivierten Drahtgitterkörben in den Größen 40 x 40 x 40 Zentimeter, 40 x 40 x 80 Zentimeter und 40 x 40 x 120 Zentimeter zusammen, die zu 2,4 Meter hohen Wänden kombiniert wurden.

Die mit Substrat gefüllten Wände erfüllen die Anforderungen an Lärmschutzwände gemäß DIN EN 1793-2 Gruppe B3. Da Lärmschutz am Standort in Ludwigsburg jedoch keine Rolle spielte, konnten die Wände flexibel angeordnet werden, wodurch vielfältige Aufenthaltssituationen und somit sehr unterschiedliche mikroklimatische Bedingungen sichergestellt wurden. Die vertikale Vegetationsfläche beläuft sich bei einer Grundfläche von zirka 20 Quadratmetern auf zirka 200 Quadratmeter. Das Grüne Zimmer ist mit über 30 Pflanzenarten beziehungsweise -sorten bepflanzt worden, neben Stauden und Kräutern wachsen auch Platanen, deren Baumkronen Schatten spenden, aus der Wand heraus.

Das Grüne Zimmer in Ludwigsburg von Südosten: Die Baumwand mit dem weit vorkragenden Krondendach wurde mit Hilfe der Baubotanik errichtet.

Das Grüne Zimmer in Ludwigsburg von Südosten: Die Baumwand mit dem weit vorkragenden Kronendach wurde mit Hilfe der Baubotanik errichtet.

 

Pflege und Unterhaltung

Das Grüne Zimmer wird regelmäßig von Fachpersonal gepflegt und, wo nötig, die Bepflanzung erneuert. Erfreulicherweise gibt es im Grünen Zimmer kaum Vandalismusschäden und mutwillige Zerstörungen. Die Bewässerung erfolgt in erster Linie mit Regenwasser aus einer Zisterne, erst wenn das Wasser aufgebraucht ist, wird Trinkwasser verwendet. Bereits innerhalb der ersten Saison wurden die Wände fast vollständig begrünt, von 60 Prozent Bedeckung erhöhte sich der Anteil nach drei Monaten auf 90 Prozent. Durch die Pflanzenauswahl und gärtnerische Maßnahmen wird sichergestellt, dass das Grüne Zimmer vom Frühjahr bis in den Herbst blüht. Im Grünen Zimmer gibt es keine festinstallierten Bänke, stattdessen können bewegliche Sitzgelegenheiten nach Belieben platziert werden, wovon Besucherinnen und Besucher intensiv Gebrauch machen.

Wirkung

Das oberste Ziel des Grünen Zimmers war eine hohe Wirkung als Klimawandel-Anpassungsmaßnahme, um an Tagen mit Hitzebelastung die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu verbessern. Beobachtungen der aktiven Nutzung des Grünen Zimmers und Untersuchungen zu mikroklimatischer Parameter belegen, dass es funktioniert. Über einen Zeitraum von vier Wochen wurde im Sommer 2015 im Grünen Zimmer, im benachbarten Clussgarten und dem angrenzenden Rathausplatz unter anderem Temperaturen gemessen. Es zeigte sich, dass die Durchschnittstemperaturen pro Stunden im Grünen Zimmer und im Clussgarten zur Mittagszeit 7 bis 9 Grad Kelvin geringer als an der Meßstelle für den Rathausplatz waren. Unterstützt wird diese Ergebnis durch eine eintägige Messreihe innerhalb des Grünen Zimmers, die ergab, dass es im Laufe eines sehr heißen Tages immer Bereiche im Grünen Zimmer gibt, die 5 bis 8 Grad Kelvin kühler sind als besonnte Bereiche ausserhalb des Grünen Zimmers.

Die Wirkung wird erzielt, indem die direkte Strahlung durch das Blätterdach und die vornehmlich ost-westlich ausgerichtete Vertikalbegrünung reduziert wird und Temperaturen durch Transpirationskühlung und Verschattung von Oberflächen verringert werden. Um die genaue Größenordnung auch im Vergleich zu anderen Maßnahmen abschätzen zu können, werden weitere Untersuchungen durchgeführt.

Bei der Montage der vorkultivierten Drahtgitterkörbe werden drei verschiedene Größen aufgebaut.

Bei der Montage der vorkultivierten Drahtgitterkörbe werden drei verschiedene Größen aufgebaut.

 

Ausblick

Das Potenzial der freistehenden Vertikalbegrünung als neuer Typus des Stadtgrüns ist noch nicht ausgeschöpft. Sie ist nicht nur als Klimaanpassungsmaßnahme im größeren Umfang mit mehr Vegetationsfläche geeignet. Auch zur Biotopvernetzung, der Wasserretention und dem ursrpünglichen Zweck, dem Lärm- und Immissionsschutz, können die multifunktional nutzbaren grünen Wände eingesetzt werden. Das Institut für Landschaftsplanung und Ökologie wird dazu auch in Zukunft forschen.


Institut für Landschaftsplanung und Ökologie

Universität Stuttgart

Keplerstraße 11
70174 Stuttgart

Tel. +49 (0)711 / 685 833-80
Fax. +49 (0)711 / 685 833-81
E-Mail. sekretariat@ilpoe.uni-stuttgart.de
Web. www.ilpoe.uni-stuttgart.de

27. März 2024


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