Eine neue Chance für die Natur
Die ökologische Entwicklung der Rems bei Winterbach lässt hoffen
Die rund 80 Kilometer lange Rems fließt durch ein dicht besiedeltes Gebiet von Baden-Württemberg. Durch Gewässerkorrekturen hat sich die Rems seit Beginn des 20. Jahrhunderts stark verändert. Die traurigen Folgen: Die Auenlandschaften verarmten, und Hochwasser werden immer bedrohlicher.
Begradigung und Verengung eines Gewässerlaufes verändern die Strömungseigenschaften. Das Gefälle wird größer, wodurch sich die Fließgeschwindigkeit, vor allem bei Hochwasser, erhöht. Um das Gefälle zu verringern, wurden Querbauwerke in Form von Sohlschwellen gebaut, an denen meist Wasserkraftanlagen errichtet wurden. Diese Querbauwerke sind unüberwindbare Hindernisse für im Gewässer lebende Organismen.
Der heutige Zustand der Rems ist in weiten Teilen naturfern. Dabei ist Diversität so wichtig. Kiesbänke dienen den Fischen als Laich-Zonen. Für noch schwache Jungfische bieten stille, wärmere Bereiche die perfekte „Kinderstube“. Kolke sind Rückzugsorte für größere Exemplare. Beschattete Unterstände kühlen das Gewässer im Sommer und bieten Schutz vor Fressfeinden wie dem Kormoran. Strömungen im Gewässer sorgen für Sauerstoffeintrag und folglich für eine chemische Aufwertung des Gewässers. Das Rauschen hören Fische über weite Strecken und wandern – sofern möglich – an diese Stelle.
Richtlinien, Hindernisse und ein Einsatz
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU hat zum Ziel, den guten ökologischen und chemischen Zustand der Oberflächengewässer herzustellen. Deshalb sollen in „Programmstrecken“ entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden. Konkret sollen dabei an der Rems ökologische Funktionsräume für die Gewässerfauna nach dem Trittsteinprinzip geschaffen werden. Auch die Rems-Anliegergemeinden wünschen sich eine ökologische Verbesserung der Rems. Während die ökologische Durchgängigkeit durch den Bau rauer Rampen sowie den Einbau von Fischaufstiegsanlagen an den Wasserkraftanlagen verbessert wurde, blieben Gewässerstrukturmaßnahmen aufgrund von Landmangel meist außen vor.
Nun hat das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, die Rems von Februar bis Oktober 2018 zwischen Winterbach und Remshalden auf einer Länge von über einem Kilometer und einer Breite von bis zu 100 Metern aus ökologischen Gesichtspunkten umgestaltet. Die benötigten Flächen befinden sich in öffentlicher Hand.
Zurück zur Natur
Die einheitlich steilen und strukturarmen Böschungen wurden aufgelöst und die vorhandene Gewässerbefestigung rückgebaut. Der gerade Verlauf wurde gewunden und durch strukturelle Einbauten zum Strömen gebracht. Ein gewundener Verlauf entspricht einem natürlichen Gewässer in einer ebenen Talaue mit geringem Längsgefälle. Böschungssicherungen waren aufgrund der geringen Sohlspannungen demnach nicht notwendig.
Gehölzrodungen wurden in erforderlichem Umfang durchgeführt. Erdwälle wurden rückverlegt und somit zusätzlicher Retentionsraum bei Hochwasser geschaffen. Der angetroffene, ausgehobene Flusskies wurde vollständig wiedereingebaut. Die einmündenden Seitengewässer wurden mit rauen Rampen barrierefrei an die Rems angebunden. Wechselnde Gewässersohlbreiten und Uferneigungen in Verbindung mit einem gegliederten Gewässerprofil sowie Seiten- und Altarmstrukturen ersetzen nun den ehemals monotonen Trapezquerschnitt. Um auch im Niedrigwasserfall einen durchgehenden Gewässerlauf mit ausreichender Wassertiefe sicherzustellen, wurde eine Niedrigwasserrinne mit einer Breite von maximal vier Metern und einer Wassertiefe von mindestens 40 Zentimetern modelliert. An einigen Stellen wurde der Fluss eingeengt, um die Strömung zu erhöhen und ein Rauschen zu erzielen.
Im Querschnitt wurden unterschiedliche gewässermorphologische Strukturen eingebaut. Innerhalb des mit variablen Sohlbreiten gestalteten Hauptgerinnes wurden Inseln und Buhnen modelliert. Vorhandene Steilwände für den Eisvogel blieben erhalten und eine neue entstand. Außerdem wurden Flachwasserzonen im Gleithangbereich angelegt.
Punktuell beeinflussen Strukturbildner wie Störsteine, Steinschüttungen und Totholz den Strom. Dazu wurden weitestgehend vorhandene Baustoffe verwendet. Aus Steinen der Uferbefestigung entstanden Störsteine, Baumstämme und Wurzelstöcke wurden als Fischunterstände eingebaut.
Die Gewässermodellierung dient als Initialprofilierung für die langfristige gewässerdynamische Entwicklung. Dem Flusslauf wird durch die Maßnahme weitgehend eine selbsttätige morphologische Entwicklung zugestanden, indem ausreichend Raum zur Verfügung gestellt wird. Gewässerdynamische Prozesse wie Seitenerosion, Uferunterhöhlungen sowie Geschiebetrieb sind erwünscht. Der Hauptbewuchs soll sich durch natürliche Sukzession einstellen.
Erste Erfolge
Es dauerte nicht lange, und die Natur begann sich positiv zu entwickeln. Die ersten Weiden sprießen aus dem sandigen, kiesigen Boden. Langbeinige Graureiher spähen nach schwimmender Beute, angelegte Kiesbänke sind übersät von Fischlaich und Jungfische flitzen durchs seichte Wasser.
Natürlich wird die neue naturnahe Gewässerzone an der Rems nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch Erholungssuchende anziehen. Dies ist ein positiver Effekt, da die Rems dadurch wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen rückt. Allerdings sollen sich die Erholungsbereiche auf zwei zugängliche Stellen konzentrieren. Im Mittelpunkt steht die Natur, die sich hier in Zukunft in Ruhe entfalten kann.
Weitere Informationen unter:
www.winterbach.de/de/kultur-freizeit/remstalgartenschau-2019.html