Eine kunterbunte Wiese mit allerlei Wildblumen, in der sich auch eine faunische Vielfalt wohlfühlt, gehört heutzutage nur noch selten zur deutschen Kulturlandschaft. Daher macht es Sinn, jede noch so kleine Nische mit Wildblumen zu bepflanzen.

Eine kunterbunte Wiese mit allerlei Wildblumen, in der sich auch eine faunische Vielfalt wohlfühlt, gehört heutzutage nur noch selten zur deutschen Kulturlandschaft. Daher macht es Sinn, jede noch so kleine Nische mit Wildblumen zu bepflanzen.

3. April 2019

Mehr Natur direkt vor der Haustür

Das Projekt „Natur nah dran“ fördert biologische Vielfalt auf Grünflächen in Siedlungsgebieten

„Die Fahrt ins Grüne“ ist entspannend, ökologisch betrachtet aber nicht unumstritten. Wer sich erst in ein Auto setzen muss, um nach vielen Kilometern Fahrt blühende Wiesen und duftende Wälder genießen zu können, tut vielleicht etwas für seine Seele und seinen Körper. Der Natur hilft er damit nicht. Viel schöner ist es doch, wenn die Natur direkt vor der Haustür beginnt, und die biologische Vielfalt in Städten und Gemeinden so groß ist, dass aus der Fahrt ins Grüne ein spontaner Spaziergang an der frischen Luft werden kann.

 

Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (UM) unterstützt seit 2015 die Kommunen im Land bei der Umgestaltung ihres innerörtlichen Grüns in naturnahe Flächen. Der Naturschutzbund NABU wurde vom UM beauftragt, dieses Projekt zur Förderung der biologischen Vielfalt mit dem Titel „Natur nah dran“ umzusetzen.

 

Einheimische Pflanzen – dann freuen sich die Bienen

Insekten und Tiere haben sich im Laufe der Evolution gemeinsam mit den Pflanzen entwickelt. Exotische Pflanzen mögen zwar faszinierend schön sein, Wildbienen finden jedoch an exotischen Blüten oft nicht genügend Nahrung. Außerdem brauchen Pflanzen aus fernen Ländern oft Pestizide oder Kunstdünger, während sich einheimisches Grün leichter den Umständen anpasst und auch trockene Sommer oder eiskalte Winter problemlos übersteht. Welche Pflanzen für naturnahes Siedlungsgrün besonders gut geeignet sind, ist in der Artenliste „Netzwerk Blühende Landschaften“ zusammengefasst. Hier kann jeder nachschlagen, welche einheimischen Pflanzen und welche Zierpflanzen Bedeutung für unsere Insektenwelt haben und in welchem Zusammenhang sie sich am besten für innerstädtisches Grün eignen.

 

Ob Honig- oder Wildbiene, Schmetterling, Käfer, Ameise oder Fliege – für die Bestäubung unserer Nutz- und Wildpflanzen benötigen wir sie alle. Jeweils von links nach rechts sind in der obersten Reihe zu sehen: Honigbiene, Buntkäfer, Kaisermantel; In der mittleren Reihe: Tagpfauenauge, Erdhummel, Taubenschwänzchen; In der unteren Reihe: Rote Waldameise, Holzbiene, Rosenkäfer;

Ob Honig- oder Wildbiene, Schmetterling, Käfer, Ameise oder Fliege – für die Bestäubung unserer Nutz- und Wildpflanzen benötigen wir sie alle. Jeweils von links nach rechts sind in der obersten Reihe zu sehen: Honigbiene, Buntkäfer, Kaisermantel; In der mittleren Reihe: Tagpfauenauge, Erdhummel, Taubenschwänzchen; In der unteren Reihe: Rote Waldameise, Holzbiene, Rosenkäfer;

 

Aus grünen Flächen wird Natur

Rein technisch betrachtet ist es ziemlich einfach, vorhandene Grünflächen zu Naturflächen umzuwandeln. Manchmal reicht es aus, einfach nichts zu tun und der Natur freien Lauf zu lassen. In anderen Fällen kann man heimische Blumen und Büsche anpflanzen und in den Parkanlagen das tote Holz für einige Jahre liegen lassen. Eine Reihe von Kommunen in Baden-Württemberg geht hier mit gutem Beispiel voran und zeigt, wie sinnvoll eine Umstellung in der Grünflächenpflege auf Dauer ist.

Donzdorf wurde sogar zum Vorbild vieler Kommunen. Seit 2004 bepflanzt die Stadt Beete, Straßenränder und Böschungen ausschließlich mit heimischen Stauden. Die öffentlichen Wiesen werden nur noch zwei Mal im Jahr gemäht, und die Pflanzen sind so robust, dass die Stadt in den vergangenen 15 Jahren nur zwei Mal gießen musste.

In Rastatt kam es im rund drei Hektar großen Stadtpark („Mozart-Anlage“) zu einer großen Veränderung. Viele Jahre gab es dort akkurat gepflegte Rasen. Im Jahr 2000 begann Rastatt damit, die Rasenpflege einzustellen. Stattdessen gibt es nun zwei Mal im Jahr einen Wiesenschnitt. Die Stadt säte nicht einmal zusätzlich Wiesenblumen  aus – sie waren bereits vorhanden, konnten dank der seltenen Mahd nun aber blühen! Der NABU untersuchte von 2002 bis 2006 die Zahl der Wildbienen. Schon nach wenigen Sommern fühlten sich 72 verschiedene Arten von Wildbienen in der Wiese heimisch – fünfzehn dieser Arten gelten sogar als gefährdet!

Auch in Gewerbegebieten gibt es zwischen den Gebäuden und Parkplätzen oft große Grünflächen, die sich hervorragend für ökologisches Siedlungsgrün eignen. In einem Industriegebiet in Ettenheim entstanden beispielsweise Wiesen mit einer enormen biologischen Vielfalt.

Politisch problematischer ist die Entwicklung in Bereichen, die als besonders repräsentativ gelten. Verkehrsinseln, Kreisverkehr-Anlagen und Bepflanzungen vor Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden sollen gepflegt wirken. Hier werden Gärtnereien oft damit beauftragt, mehrere Male im Jahr die gesamte Bepflanzung auszuwechseln.

Im Frühjahr blühen die Tulpen, im Sommer die Rosen und im Herbst die Chrysanthemen. Dabei könnte auch hier eine Artenvielfalt herrschen, die Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen anlockt. In Bad Saulgau hat man sich inzwischen für eine Mischung aus heimischen Stauden und Zierpflanzen entschieden. Auch in der Gemeinde Rheinstetten wurden auf den Verkehrsinseln inzwischen mehrjährige einheimische Stauden angepflanzt.

 

Sobald man sich für die Bestäubung unserer Nutzpflanzen interessiert, merkt man, dass wir definitiv nicht ohne Insekten auskommen. Und überraschenderweise sind es die uns unnütz erscheinenden Fliegen (vor allem Schwebfliegen), die den größten Anteil bei der Bestäubung von Kirschblüten leisten.

Sobald man sich für die Bestäubung unserer Nutzpflanzen interessiert, merkt man, dass wir definitiv nicht ohne Insekten auskommen. Und überraschenderweise sind es die uns unnütz erscheinenden Fliegen (vor allem Schwebfliegen), die den größten Anteil bei der Bestäubung von Kirschblüten leisten.

 

Was kann man tun?

Der NABU stellt fest, dass es für den richtigen Weg zu mehr Natur kein einheitliches Handbuch geben kann. Dazu sind die Gegebenheiten von Gemeinde zu Gemeinde einfach zu unterschiedlich. Wichtig sei jedoch – so der NABU – der politische Wille. Denn leider haben immer noch viel zu viele Bürger und Politiker Angst davor, dass eine naturnahe Grünfläche einen ungepflegten Eindruck erwecken könnte. Dabei sind blühende Wiesen und Wildstauden wunderschön! Unser Auge hat sich allerdings an gestutzte Rasen und gerade geschnittene Hecken gewöhnt.

Wenn der politische Wille in einer Gemeinde vorhanden ist, müssen die Flächen, die zur Umgestaltung geeignet sind, genau definiert sein. Außerdem lohnt sich eine schrittweise Umstellung. Wenn die Bürger die Schönheit einer Wildwiese im Park erkennen, bereiten ihnen die wild blühenden Stauden vor dem Rathaus einige Jahre später bestimmt auch eine große Freude.

Die Umstellung sollte immer von intensiver Öffentlichkeitsarbeit begleitet sein, da die Bürger die Vorteile der Neugestaltung kennen müssen. Außerdem lohnt sich eine begleitende Bestandsaufnahme. Wie viele Bienen und Schmetterlinge und andere Insekten gibt es inzwischen? Haben sich mehr Vögel und Reptilien angesiedelt?

Ein solcher „Öko-TÜV“ spornt an, begeistert Naturfreunde und zeigt außerdem Wege und Möglichkeiten für weitere Lösungen, damit die Natur noch näher vor die Haustür rückt.

 

Schwebfliegen (im Bild eine Hainschwebfliege) gehören neben den Wild- und Honigbienen zu den fleißigsten Blütenbestäubern unserer Nutzpflanzen.

Schwebfliegen (im Bild eine Hainschwebfliege) gehören neben den Wild- und Honigbienen zu den fleißigsten Blütenbestäubern unserer Nutzpflanzen.


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Web. www.naturnahdran.de

27. März 2024


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