Wenn der Lkw alleine fährt
Automatisiertes Fahren auf der Autobahn: Chancen für eine Veränderung beim Güterfernverkehr
Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Trucks hat im Herbst 2019 in den USA mit der Erprobung hochautomatisierter Lkw im öffentlichen Straßenverkehr begonnen. Hat diese Technologie das Zeug, um den Transport von Gütern in naher Zukunft zu verändern?
Automatisiert fahrende Lkw bieten in vielen Bereichen enorme Vorteile. Bereits heute leisten sie einen wesentlichen Beitrag hinsichtlich des wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnisses nach sichereren Straßen und nachhaltigeren Transportlösungen. Redundant aufgebaute Systeme und Sensoren, die nie müde oder unaufmerksam werden, bilden dafür die Basis. Auch die Effizienz und Produktivität der Logistik profitieren, da Fahrzeuge durch intelligentes Routenmanagement beispielsweise nachts verkehren und dabei Staus vermeiden können.
Experten gehen von einer deutlichen Steigerung des Güterverkehrs in den nächsten Jahren auch in der EU aus. Derzeit rollen etwa drei Viertel der Güter auf der Straße. Zudem wachsen der Wettbewerbs- und Kostendruck, die Kraftstoff- und Mautpreise steigen. Da wird eine Entlastung dringend benötigt. „Wir erwarten von den innovativen Technologien, dass sie die Verkehrssicherheit erhöhen, Unfälle vermeiden, den Verkehrsfluss verbessern und die Infrastruktur besser nutzbar machen, Emissionen und CO2 vermeiden sowie Kraftstoff einsparen“, erklärte Staatssekretärin Katherina Reiche als Vertreterin des Bundesverkehrsministeriums.
In Zeiten, da Fahrer Mangelware sind, könnte Automatisierungs-Technologie helfen, die Ware schnell und günstig zum Bestimmungsort zu bringen. Fahrer brauchen dabei keine Angst um ihre Jobs zu haben: Sie werden weiterhin gebraucht – ihre Kompetenzen könnten sich indes vom reinen Fahren etwa zum Transportmanager verändern oder sich verstärkt auf den urbanen Verteilerverkehr fokussieren.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von der Landwirtschaft bis zur Logistik
Daimler Trucks konzentriert sich beim automatisierten Fahren auf zwei Anwendungsfälle: auf den regulären Highway- und Autobahn-Einsatz sowie auf Fahrten in abgesperrten Bereichen, sogenannten „Gated Areas“. Ein Beispiel für den Gated-Area-Einsatz findet man auf Zuckerrohrfeldern in der Nähe von Sao Paulo in Brasilien. Automatisierte Mercedes-Benz Axor fahren dort mit sehr wenig Abstand neben den Erntemaschinen, während sie beladen werden. Der Fahrer bleibt im Fahrzeug sitzen, während der Axor das Fahren übernimmt. Er kann allerdings jederzeit eingreifen.
Die automatisierte Ernte bietet Vorteile. Sie befreit den Fahrer von anstrengenden Aufgaben, der Verbrauch von Kraftstoff sinkt um 50 und der von Schmiermittel um 40 Prozent, die Instandhaltungskosten reduzieren sich um 30 Prozent. Zudem fällt die Ernte mit dieser Technik doppelt so hoch aus, weil die im Vorfeld festgelegte Route die Beschädigung von Pflanzen vermeidet.
Für den Autobahnverkehr bietet Daimler Trucks mit dem Mercedes-Benz Actros, dem FUSO Super Great sowie dem Freightliner Cascadia als weltweit erster Hersteller teilautomatisierte Fahrzeuge (SAE Level 2) ab Werk an. Die verbauten Assistenzsysteme können bei allen Geschwindigkeiten selbstständig bremsen, beschleunigen und lenken. Möglich macht dies eine Kombination aus Radar- und Kamerasystem. Der Fahrer bleibt aber nach wie vor in der Verantwortung für den Straßenverkehr.
Gleichzeitig treibt Daimler Trucks mit der Gründung der Autonomous Technology Group im Juni 2019 die Entwicklung hochautomatisierter Lkw (SAE Level 4) mit dem Ziel voran, diese Technologie bis Ende der Dekade einzuführen. In der Autonomous Technology Group werden alle Kompetenzen und Aktivitäten rund um das automatisierte Fahren bei Daimler Trucks gebündelt. Zu den Entwicklungsstandorten zählen heute Blacksburg und Portland (in den USA) sowie Stuttgart.
Daimler Trucks bringt ersten hochautomatisierten Lkw auf die Straße
2019 startete Daimler Trucks mit der Erprobung von hochautomatisierten Lkw auf öffentlichen Straßen, nachdem diese zuvor monatelang auf abgesperrten Strecken getestet wurden. Zunächst fahren die Lkw auf Highways im Südwesten Virginias, weitere Routen in den USA werden sukzessive dazukommen. Bei diesen Tests sind stets ein Entwicklungsingenieur, der das System überwacht, sowie ein von Daimler Trucks zertifizierter Sicherheitsfahrer an Bord des Fahrzeugs.
Zukünftig könnten hochautomatisierte Lkw zwischen definierten Knotenpunkten auf US-Highways verkehren, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Die An- und Auslieferung von Ware könnte mit Hilfe von konventionellen Trucks geschehen, während hochautomatisierte Lkw den Transport auf dem Highway von einem Logistikzentrum zum anderen durchführen könnten.
Kern des Konzepts ist die Vernetzung des Fahrzeugs mit dem gesamten Ökosystem – vom Spediteur, Fahrer, anderen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur. Den Weg zum Transportsystem der Zukunft ebnen Assistenz- und Telematiksysteme. Das Ergebnis: Mehr Sicherheit, weniger Kraftstoffverbrauch sowie verbesserte Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrer. Durch ein verbessertes Fahrzeugmanagement, Transportmanagement oder App-Lösungen können Flottenbetreiber bares Geld sparen.