Gemeinsamer Bündnisschluss für besseren ÖPNV
Kommunale Träger und Busunternehmen schließen ein Bündnis
Ein Bündnis für den Mittelstand
Baden-Württemberg stellt die Weichen für einen besseren ÖPNV: am 9. November haben der Landkreistag Baden-Württemberg, der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer, der Städtetag Baden-Württemberg und das Verkehrsministeriumdes Landes in Anwesenheit des Fraktionsvorsitzenden der Grünen Landtagsfraktion, Andreas Schwarz, der Landtagsabgeordneten Nicole Razavi (CDU) sowie weiteren Mitgliedern der Landtagsfraktionen gemeinsam das Bündnispapier des Bündnisses für den Mittelstandunterzeichnet. Ziel des Bündnisses ist es, im Verhältnis zwischen kommunalen Trägern und Busunternehmern für mehr Verbindlichkeit zu sorgen. Die Veranstaltung fand als digitales Format via Internet statt.
Ab jetzt mehr Sicherheit erhofft
Das Bündnis war ein Auftrag des Landtages aus dem Jahr 2017. Damals wurden in der ÖPNV-Finanzreform 200 Mio. Euro, die bis dahin direkt an die Unternehmen flossen, kommunalisiert. Gleichzeitig sorgte die endgültige Umsetzung von EU-Wettbewerbsregeln dafür, dass viele Busunternehmer sich für Ihre oft seit Jahrzehnten gefahrenen Verkehre neu bewerben mussten – und etliche ihre Leistungen auf Dauer verloren haben. Dies führte zu Unsicherheit in der Unternehmerlandschaft. Hierauf will das Bündnis eine Antwortliefern.
Klare Rahmenbedingungen für die Ausschreibung
Kern des Bündnisses sind klarere Rahmenbedingungen für die Ausschreibung von Verkehrsleistungen. Es soll im Vorhinein klarer werden, welche Leistungen den kommunalen Trägern wichtig sind. Außerdem soll die Entscheidung in Zukunft nebendem Preis nach wie vor und verstärkt an Qualitätskriterien hängen. Durch diese Empfehlungen erhoffen sich mittelständische Unternehmen bessere Chancen gegen große deutschland- und europaweit tätige Unternehmen. Ein erster Erfolg ist schon erzielt: Gemeinsameinigte man sich im Juni 2020 auf einen Kostenfortschreibungsindex für die mit 10 Jahren sehr lang laufenden Verträge. Dieser „Baden-Württemberg-Index“ ist bislang einzigartig in Deutschland.
Verkehrsminister Winfried Hermann MdL dazu: „Wir wollen den ÖPNV stärken, denn wir brauchen einen starken ÖPNV für die Verkehrs- und Klimawende. Hierzu ist es wichtig, dass Unternehmer und Aufgabenträger an einem Strang ziehen, auch wennsie im Einzelnen unterschiedliche Prioritäten haben.“
Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg: „Für eine gelingende Verkehrswende in den Städten und Gemeinden im Land sind eine vielfältige Unternehmerlandschaft im Busbereich mit regionalerKompetenz und ein leistungsfähiger Mittelstand von großer Bedeutung für die Städte und Gemeinden. Wir haben deshalb ein großes Interesse daran, die Rahmenbedingungen des sich wandelnden ÖPNV-Marktes so zu gestalten, dass die Verkehrsunternehmen auch weiterhineine attraktive und erfolgversprechende unternehmerische Perspektive haben.“
Prof. Dr. Alexis v. Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landreistags Baden-Württemberg: „Leistungsfähige mittelständische Verkehrsunternehmen, dieLand und Leute kennen, sind unverzichtbar, wenn die Verkehrswende hin zu einer umweltfreundlicheren Mobilität – und damit auch zu mehr Bus – gelingen soll. Das Bündnis für den Mittelstand setzt hier ein wichtiges Signal. Es unterstreicht die gemeinsame Verantwortungvon Land, kommunalen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen für eine gute Zukunft des ÖPNV in schwierigen Zeiten.“
Für den Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) ist das „Bündnis für den Mittelstand“ ein konsequenter Schritt. „Die privaten Busunternehmen sorgen für einen zuverlässigen ÖPNV, gerade in der Fläche“, betont der VorsitzendeKlaus Sedelmeier. „Ausschreibungen, bei denen der Preis alleiniges Kriterium ist, stellen private Busunternehmen vor existenzielle Probleme.“ „Deswegen“, so Sedelmeier weiter, „ist insbesondere der ‚Baden-Württemberg Index‘ ein großer Fortschritt. Niemandkann bei der Kalkulation die Kosten auf zehn Jahre hin ernsthaft abschätzen.“
Bündnis für den Mittelstand im ÖPNV in Baden-Württemberg
I. Herausforderungen für den Mittelstand im ÖPNV
Die ÖPNV-Landschaft in Deutschland und Baden-Württemberg befindet sich in einer spürbaren Veränderung. Durch die europäische und nationale Gesetzgebung findet zum einen eine verstärkte Marktöffnung und zum anderen eine stärkere Gestaltung des ÖPNV durch die öffentlichen Aufgabenträger statt. Gleichzeitig sind durch diese Marktöffnung und den zunehmenden Wettbewerb jedoch die Verkehrsunternehmen wie auch die kommunalen Aufgabenträger vor neue Herausforderungen gestellt.
Es müssen daher nachhaltige Instrumente zur Sicherung der Qualität des ÖPNV und der Arbeitsbedingungen in der Branche etabliert werden. Und gerade für mittelständische Unter-nehmen ist die wettbewerbliche Vergabe von Liniengenehmigungen eine große Herausforderung, da ein Verlust der angestammten Linien im Wettbewerb, in einem regulierten Markt mit nur geringen Ausweichmöglichkeiten, mitunter die gesamte Existenz eines solchen Unter-nehmens gefährden kann.
Der ÖPNV in Baden-Württemberg ist gerade in der Fläche stark von mittelständischen Strukturen geprägt. Mittelständische Verkehrsunternehmen haben seit Jahrzehnten wesentlich zu einem flächendeckenden ÖPNV-Angebot beigetragen und dieses gesichert.
Auch für die Zukunft sind für den weiteren Ausbau eines flächendeckenden und qualitativ hochwertigen ÖPNV eine vielfältige Betreiberlandschaft mit regionaler Kompetenz und ein leistungsfähiger Mittelstand von großer Bedeutung. Daher ist es wichtig, die Rahmenbedingungen des sich wandelnden ÖPNV-Marktes so zu gestalten, dass kleine und mittlere Unter-nehmen auch weiterhin eine attraktive und erfolgversprechende unternehmerische Perspektive haben.
Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, der Landkreistag Baden-Württemberg, der Städtetag Baden-Württemberg und der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunter-nehmer e. V. (WBO) bekennen sich gemeinsam zu dem Ziel, die Perspektiven des Mittel-stands im ÖPNV zu stärken und verständigen sich dazu auf ein Bündel an Instrumenten und Maßnahmen.
II. Instrumente und Maßnahmen
Die Partner des Bündnisses für den Mittelstand im ÖPNV haben für die verschiedenen Handlungsfelder eine Reihe von Ansatzpunkten und Maßnahmen identifiziert und setzen sich gemeinsam und jeder in seinem Handlungsfeld für deren Umsetzung ein.
1. Mittelstandsfreundliche Gestaltung der Marktstrukturen
Voraussetzung für einen dauerhaften funktionierenden Wettbewerb ist die Sicherung einer vielseitigen/vielfältigen Unternehmenslandschaft. Der Markt muss so strukturiert sein, dass er für den Mittelstand interessant und gut zu bewältigen ist.
– Was konkret vor Ort der richtige Weg zur Stärkung des Mittelstandes ist, hängt von der jeweiligen lokalen Marktstruktur, insbesondere der Größe der ortsansässigen Busunternehmer ab. Von großer Bedeutung ist dabei die Größe der in den Nahverkehrsplänen definierten Linienbündel. Die Linienbündel sollen mittelstandsfreundlich gestaltet sein und im Grundsatz eine Größe von 200.000 bis 700.000 Fahrplankilo-meter nicht überschreiten.
– Die Linienbündelkonzeptionen der Aufgabenträger sollen eine zeitliche Staffelung der Neuvergaben vorsehen, damit nicht alle Linienbündel zeitgleich oder in kurzen Ab-ständen auf den Markt kommen. Werden die Linienbündel bisher von zahlreichen verschiedenen Unternehmen betrieben, bietet hingegen eine zeitgleiche losweise Vergabe aller Bündel bei strenger Loslimitierung deutlich mehr Sicherheit vor Markt-konzentration als zeitlich gestaffelte Vergaben, die einer Loslimitierung entgegenstehen.
– Haben sich die Unternehmen vor Ort als Subunternehmer eingerichtet und streben bewusst nicht die Rolle des Hauptunternehmers an, kann eine großflächige Bündelung wiederum das geeignete Mittel sein, um die Subunternehmerquote möglichst hoch zu erhalten.
2. Sicherstellung eines hohen Qualitätsniveaus im ÖPNV
Zur Sicherstellung eines hohen und attraktiven Qualitätsniveaus im ÖPNV ist sicherzustellen, dass der Wettbewerb nicht ausschließlich über den Preis stattfindet und ggf. sinkende Standards die Folge sind.
– Die Aufgabenträger sollen in ihren Nahverkehrsplänen verbindliche und ggf. weitere optionale Qualitäts-, Sozial- und Umweltstandards festlegen, die sowohl für eigenwirtschaftliche wie für gemeinwirtschaftliche Linienverkehre Anwendung finden.
– Die Aufgabenträger sollen im Nahverkehrsplan für die Fälle von eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerben zusätzlich gewünschte optionale Qualitätsstandards definieren, priorisieren und gewichten, die neben dem quantitativen Umfang der Verkehrsbedienung Maßstab für die Bewertung der konkurrierenden Genehmigungsanträge sein sollen.
– Bei der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen sollte nicht generell alleine der Preis Wertungskriterium sein, sondern es sollten auch zusätzliche angebotene Qualitäten in die Wertung der Angebote eingehen können.
– Gegenstand einer Qualitätswertung können bspw. sein (In den Leitfaden wird der klare Hinweis aufgenommen, dass diese Kriterien rechtlich einwandfrei sind):
- Höherer Fahrzeugstandards
- Höhe Umweltstandards
- Dauerhaft besetzte Leitstelle / personenbediente Auskunftssysteme / Störfall-hotline etc.
- Betriebsbereite Ersatzfahrzeuge für Störungsfälle
- Erhöhte Anforderungen an die Qualifikation des Fahrpersonal
- Bereitschaft zu kurzfristigen Ersatzverkehren und Verstärkerfahrten
3. Sicherstellung von Tariftreue und von Sozialstandards im ÖPNV
Tariftreue und Sozialstandards dienen zunächst unmittelbar den Interessen der Beschäftig-ten im Gewerbe, mittelbar aber auch einer guten Qualität der Dienstleistung ÖPNV für die Kunden. Sie sind zudem von zentraler Bedeutung für einen fairen Wettbewerb zwischen den Anbietern.
Dazu ist es erforderlich, dass die in Baden-Württemberg gesetzlich vorgegebene Tariftreue-pflicht bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen auch konsequent umgesetzt und kontrolliert wird. Ohne diese Durchsetzung drohen Bieter, die sich gesetzeskonform verhalten, in den Vergabeverfahren um öffentliche Dienstleistungsaufträge nicht konkurrenzfähig zu sein.
Tariftreue bei öffentlichen Dienstleistungsauftragen
Für den Bereich der öffentlichen Dienstleistungsaufträge soll folgendes Vorgehen angestrebt werden:
- Im Rahmen der standardmäßig von jeder vergebenden Stelle durchgeführten Erwartungsberechnung werden die Personalkosten gesondert ausgewiesen.
- Bei der Angebotsabgabe: Nachweispflicht der Bieter, dass das Angebot entsprechend LTMG auf Basis eines repräsentativen Tarifvertrags erstellt ist, durch Einzelausweisung der Personalkostenbestandteile, die eine Vergleichbarkeit der Angebote im Hinblick auf die LTMG-Vor-gaben ermöglicht.
- Sollte die Prüfung der Angebote ergeben, dass a) die ausgewiesenen Personalkosten mehr als 10% unter der Erwartungsberechnung liegen; oder b) die Personalkosten des erstplatzierten Angebots mehr als 10% vom zweitplatzierten Angebot abweichen; ist die vergebende Stelle angehalten, sich von den beteiligten Unternehmen detaillierte Aufstellungen vorlegen zu lassen.
In einem zu erstellenden Leitfaden werden Musterregelungen und -formulierungen für die öffentlichen Dienstleistungsaufträge erarbeitet.
Tariftreue bei eigenwirtschaftlichen Verkehren
Für den Bereich der eigenwirtschaftlichen Leistungen bestehen bislang keine gesetzlichen Vorgaben der Tariftreuepflicht. Aus den beschriebenen Gründen der Qualitätssicherung und einer fairen Wettbewerbsgestaltung besteht auch hier grundsätzlich ein Bedürfnis einer Regelung. Die Ankündigung der Regierungskoalition auf Bundesebene, dazu aktiv zu werden, wird daher grundsätzlich unterstützt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass – wie im Bereich der gemeinwirtschaftlichen Verkehre – ein erfolgreicher Vollzug der Tariftreuepflicht durch entsprechende Nachweispflichten und Sanktionen gelingt.
Für eine zweite Stufe soll daher eine Änderung des LTMG geprüft werden, den Anwendungsbereich für die Tariftreuepflicht auf eigenwirtschaftliche ÖPNV-Linienverkehre zu er-weitern.
Zur Durchsetzung von Sozialstandards, auch für eigenwirtschaftliche Verkehre, ist deren Verankerung im Nahverkehrsplan des Aufgabenträgers als verbindliche Vorgaben oder Wertungskriterien für den Genehmigungswettbewerb ebenfalls ein geeigneter Weg, der zu verfolgen ist.
Für den WBO ist Tariftreue ein wichtiger Baustein des Bündnisses. Sie sichert die auskömmliche Entlohnung der Beschäftigten im ÖPNV in Baden-Württemberg und hilft dem Fahrer-mangel entgegenzuwirken. Daher empfehlen wir allen Mitgliedern die Anwendung der abgeschlossenen Tarifverträge, unabhängig davon, in welchem Bereich die Verkehrsleistungen erbracht werden.
4. Raum für eigenwirtschaftliche Verkehrsgestaltung
Dort, wo aufgrund einer guten Verkehrsnachfrage und gepflegten Märkten eigenwirtschaftliche Liniengenehmigungen im ÖPNV Raum haben, sollen diese durch die Ausgestaltung der Nahverkehrsplanung der Aufgabenträger unterstützt werden. Geeignete Maßnahmen dazu sind:
- Ein Zuschnitt der Linienbündel, der Möglichkeiten der eigenwirtschaftlichen Leistungserbringung eröffnet.
- Eine klare Differenzierung von verbindlichen, gewünschten und optionalen Anforderungen und Standards im Nahverkehrsplan.
- Konzeptionelle und damit auch genehmigungsrechtliche Trennung von eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen auf der gleichen Linie durch Festlegung des Aufgabenträgers, sofern unterschiedliche Verkehrsformen klar unterscheidbar sind (z.B. fixe Verkehrsleistungen des klassischen Linienverkehrs vs. bedarfsgesteuerte Verkehrsleistungen oder spezielle Nachtverkehre).
5. Sicherstellung eines transparenten und fairen Genehmigungswettbewerbs
Im eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb stehen verschiedene Verkehrsunternehmen mit ihren Anträgen im Wettbewerb um die beste, ohne Zuschüsse realisierbare, Verkehrsbedienung. Ein solcher Genehmigungswettbewerb ist nur dann kalkulierbar und fair, wenn die Bewertungsmaßstäbe für die Auswahlentscheidung der Genehmigungsbehörde vor der Antragserstellung bekannt sind.
Für einen fairen und effizienten Genehmigungswettbewerb sollen daher folgende Voraussetzungen geschaffen werden:
- Die sich auf die Nahverkehrspläne beziehenden Vorabbekanntmachungen der Aufgabenträger sollen nicht nur die verpflichtenden Fahrplan- und Qualitätsstandards definieren, sondern für den Genehmigungswettbewerb die optionalen Fahrplan-, Qualitäts- und Umweltstandards Festlegungen priorisieren und eine Gewichtung festlegen.
- Die Genehmigungsbehörden sollen bei der Entscheidung über den zu bevorzugen-den Genehmigungsantrag diese Festlegungen zu Grunde legen.
- Sofern interessierte Unternehmen an den für den Inhalt der Vorabbekanntmachung verantwortlichen Aufgabenträger oder die Genehmigungsbehörde Fragen zur Vorab-bekanntmachung oder zum Nahverkehrsplan herantragen, stellen die Genehmigungsbehörde und der Aufgabenträger sicher, dass die Beantwortung der Fragen in geeigneter Weise allen interessierten Unternehmen diskriminierungsfrei zugänglich gemacht wird. Die entsprechenden Antworten sind spätestens 3 Wochen vor Ende der Antragsfrist zu veröffentlichen.
- Zwingende gesetzliche Vorgaben können nicht erneut als verbindliche Zusagen der Antragsteller gewertet werden.
- Der Wettbewerbsmarkt im ÖPNV stellt die Genehmigungsbehörden vor völlig veränderte und deutlich gewachsene Anforderungen. Das Land wird eine quantitativ ausreichende personelle Ausstattung und Qualifikation der PBefG-Genehmigungsbehörden bei den Regierungspräsidien sicherstellen.
- In Fällen, in denen die Genehmigungsbehörde bei den unteren Verwaltungsbehörden (Landratsämtern) angesiedelt ist, ist in den Landratsämtern eine wirksame funktionale Trennung zwischen kommunaler Aufgabenträgerschaft und staatlicher Genehmigungsbehörde sicherzustellen.
- Die Genehmigungsbehörde hat im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten den Wettbewerb der Genehmigungsanträge zu fördern. Insbesondere ist im Fall von Unstimmigkeiten im Angebot innerhalb des rechtlichen Rahmens eine Aufklärung beim Antragsteller vorzunehmen.
- Es sollen im Leitfaden Hilfestellungen für die korrekte Antragstellung gegeben werden.
Das Land wird zur Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis der Genehmigungsbehörden eine Verwaltungsvorschrift erlassen.
6. Mittelstandsfreundliche Ausgestaltung der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen
Soweit Verkehrsleistungen nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können, vergeben die Aufgabenträger öffentliche Dienstleistungsaufträge in wettbewerblichen Vergabeverfahren oder in Direktvergaben. Diese Vergabeverfahren sollen durch die Aufgabenträger mittelstandsfreundlich ausgestaltet werden.
Eckpunkte hierfür können sein:
- Zeitlich gestufte Vergabekalender zur Entzerrung wettbewerblicher Verfahren,
- Nutzung der Möglichkeiten der Loslimitierung: Beschränkung der durch einen einzelnen Bieter erreichbaren Aufträge bei der gleichzeitigen Vergabe mehrerer Dienstleistungsaufträge,
- Ausreichende Verfahrensdauer, ausreichende Fristen für die Bieter,
- Vermeidung eines reinen Preiswettbewerbs. Aufwertung von verbindlichen sowie Wertung von zusätzlichen optionalen Qualitätskomponenten,
- Flexiblere Gestaltung von Qualitätskriterien für Fahrzeuge (z.B. Differenzierung zwischen Grundumläufen und Verstärkerfahrzeugen),
- Unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten, z.B. durch funktionale Komponenten anstelle verbindlicher konstruktiver Vorgaben in der Fahrplangestaltung (bspw. Aus-planung von Schülerverkehren/Spitzenstunden anhand von quantitativen und qualitativen Eckpunkten)
- Vorgaben zur orts- und zeitnahen Einsatzbereitschaft für Not- und Ersatzverkehre etc. in Störungsfällen,
- Vorgaben zu ortsnahen Serviceleistungen für die Kunden (telefonische Erreichbarkeit, besetztes Kundenbüro o.ä.),
- Festlegung einer verbindlichen Mindestquote der eigenen Leistungserbringung (Bus-flotte, Fahrer),
- Prüfung von Qualitätsboni in den Dienstleistungsaufträgen.
Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen über den Zeitraum langfristiger Vergaben hinweg nicht zu gefährden, ermutigen die Partner des Bündnisses die vergeben-den Stellen zu einer sich von bundesweiten Einheitswerten abhebenden Indexierung der Kosten.
Dazu erarbeiten die Partner bis zum 30.06.2020 einen BW-ÖPNV-Index, der den Aufgaben-trägern als Hilfestellung an die Hand gegeben wird. Das VM wird dessen Anwendung als Leitlinie empfehlen. Von diesem Index kann in begründeten Einzelfällen abgewichen werden.
7. Nutzung von Möglichkeiten der Direktvergabe an kleine und mittlere Unternehmen
Der europäische Rechtsrahmen der VO 1370 erlaubt auch die Direktvergabe von Verkehrs-leistungen kleineren Umfangs (bis zu einem geschätzten Jahresdurchschnittswert von 1 000 000 EUR oder einer jährlichen öffentlichen Personenverkehrsleistung von 300 000 km). Im Falle einer Vergabe an mittelständische Unternehmen mit bis zu 23 Bussen gelten die doppelten Leistungsmengen (Jahresdurchschnittswert von 2 000 000 EUR oder eine jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung von 600 000 km).
Die Aufgabenträger können im Interesse der Bestandssicherung von kleinen und mittleren Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, soweit die öffentlichen Verkehrsinteressen davon nicht beeinträchtigt werden. Hinweise für die Aufgabenträger werden im Rahmen des Leitfadens erarbeitet.
III. Aufgaben und Handlungsfelder
Die Partner vereinbaren, die festgelegten Ziele durch folgende Maßnahmen umzusetzen:
- Das Verkehrsministerium wird federführend und in Zusammenarbeit mit dem Land-kreistag und dem Städtetag von Baden-Württemberg sowie mit dem WBO und dem VDV auf der Basis der genannten Handlungsfelder einen Leitfaden für kommunale Aufgabenträger mit Handlungsmöglichkeiten zur Förderung des Mittelstands im ÖPNV erarbeiten.
- Der Landkreistag, der Städtetag, der VDV und der WBO werden am Leitfaden mitwirken, bei ihren Mitgliedern auf die dort ausgearbeiteten Maßnahmen hinweisen und diese zur Umsetzung empfehlen. Dies gilt insbesondere auch für die Maßnahmen zur Umsetzung und Durchsetzung der Tariftreuepflicht.
- Das Verkehrsministerium wird eine Verwaltungsvorschrift zur einheitlichen Verwaltungspraxis der PBefG-Genehmigungsbehörden und zur Ausgestaltung des Genehmigungswettbewerbs erlassen und sich dazu mit den Partnern abstimmen.
- Das Verkehrsministerium setzt sich für eine ausreichende Ressourcenausstattung der Genehmigungsbehörden ein.
Die Partner werden sich nach einer erfolgreichen Durchsetzung der Tariftreuepflicht bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen in einer zweiten Stufe gemeinsam für eine Fortentwicklung des LTMG einsetzen, um die Tariftreuepflicht auch auf eigenwirtschaftliche Linienverkehre auszudehnen.