Die Zeiten, um unbeschwert in großen Einkaufszentren zu bummeln, sind coronabedingt erst einmal vorbei. Vermutlich wird sich das auch auf spätere Zeiten auswirken. Kommunen und Händler müssen sich daher nun gemeinsam neue Strategien überlegen, damit sich für die Bürger der Besuch in den Innenstädten auch nach Corona wieder lohnt.

Die Zeiten, um unbeschwert in großen Einkaufszentren zu bummeln, sind coronabedingt erst einmal vorbei. Vermutlich wird sich das auch auf spätere Zeiten auswirken. Kommunen und Händler müssen sich daher nun gemeinsam neue Strategien überlegen, damit sich für die Bürger der Besuch in den Innenstädten auch nach Corona wieder lohnt.

27. November 2020

Strahlende Kunden, blühender Handel, lebendige Innenstädte – war’s das?

Schließungen, Leerstände und öde Innenstädte treiben besorgte Kommunen und Händler um, und mit der Corona-Pandemie hat sich so manches verschärft – ein Zwischenbericht

War da mal was zwischen unternehmungslustigen Kunden, belebtem Handel und pulsierenden Innenstädten? Ja und Nein. Leerstände beschäftigen Handel und Kommunen schon länger. Zusätzlich befeuert Corona kräftig das Thema. Vom pulsierenden Leben sind wir auch aufgrund wichtiger Coronaregeln entfernt. Welche Konzepte könnten Anreize schaffen? Die Redaktion von KOMMUNALtopinform fragte Stefan Genth, den Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland in Berlin.

Herr Genth, Nahziel ist sicher, dass es dem Einzelhandel gelingt, wieder Umsätze wie 2019 zu schreiben. Lässt sich das zeitlich benennen?

Corona könnte in Deutschland zur Schließung von 50.000 Handelsstandorten führen. Wenn man davon ausgeht, dass wir keine zweite Coronawelle bekommen, wird der Einzelhandel in Deutschland 2022 wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen können. Sollte der Handel erneut große Teile seiner Geschäfte schließen müssen, wird die Lage deutlich schlechter. Das Konjunkturpaket hat ohne Zweifel wichtige Impulse gesetzt. Man wird sehen, wie zielgenau und nachhaltig das den Händlern durch die Krise helfen kann.

In der Coronakrise ist der Bekleidungshandel besonders stark von der Zurückhaltung der Käufer betroffen. Im Homeoffice verändert sich der Dress-Code und man gibt lieber Geld für anderes aus.

In der Coronakrise ist der Bekleidungshandel besonders stark von der Zurückhaltung der Käufer betroffen. Im Homeoffice verändert sich der Dress-Code und man gibt lieber Geld für anderes aus.

Sortieren die Menschen aktuell ihre Lebenssituation neu und entdecken ein anderes Freizeitverhalten, bei dem der Einkaufsbummel nicht Priorität Nummer eins hat?

Die Pandemie hat bei vielen das Einkaufsverhalten verändert. Der gemütliche Einkaufsbummel hat es mit den Abstands- und Hygieneregeln eher schwer. Wie viele Kunden nach Ende der Pandemie das beibehalten werden, ist eine spannende Frage. Sicher ist, dass die Händler, die sich sowohl stationär als auch online betätigen und beide Kanäle miteinander verknüpfen, gut für die Zukunft aufgestellt sind. Die Kaufzurückhaltung hat ihren Grund vor allem in der unsicheren Zukunftsperspektive vieler Arbeitnehmer. In solchen Situationen halten die Kunden ihr Geld lieber zusammen. Viele verlagern auch ihre Ausgaben auf Möbel, Accessoires und Dinge, die das Zuhause schöner machen. Dieser Effekt war schon während der letzten Wirtschaftskrise zu beobachten. In schwierigen Zeiten machen es sich die Kunden zuhause gemütlich. Davon profitiert der Einzelhandel mit den entsprechenden Gütern. Dieses Mal kommt noch der Aspekt der Infektionsvermeidung hinzu.

Welche Branchen gehören zu den Verlierern oder Gewinnern?

Insbesondere der Bekleidungshandel ist schwer von der Kaufzurückhaltung in der Coronakrise getroffen. Im Homeoffice verändert sich der Dress-Code. Gleichzeitig ist vielerorts außer im Möbel- auch im Lebensmittelhandel ein gutes Geschäft zu verzeichnen. Die Leute bekochen sich selbst. Der stationäre Lebensmittelhandel konnte seine Umsätze in den vergangenen Monaten deutlich steigern. Das zeigt, dass die Verbraucher gerade in der Krise hohes Vertrauen in diese Branche haben.

 

Stichwort Kaufhäuser: Gefühlt haben einige große Häuser an Erlebniswert verloren. Kommt das typische Kaufhaus aus der Mode?

Der Handel ist eine hochflexible und wandlungsfähige Branche. Kaufhäuser sind nach wie vor vielerorts ein wichtiger Bestandteil lebendiger Innenstädte. Sie entfalten auch für andere Händler eine wichtige Magnetwirkung. In Zeiten des Internets und der+ damit wachsenden Anforderungen an die ständige Verfügbarkeit der Ware, muss natürlich auch das eigene Sortiment stimmen. Da gibt es ja Ansätze, beispielsweise den Mitarbeitern oder Kunden über digitale Lösungen die Verfügbarkeit der Ware anzuzeigen und den Weg zum gewünschten Produkt zu weisen.

Das war vor Beginn der Corona-Pandemie anders, doch ausgiebige Shoppingtouren in riesigen Einkaufszentren mit großer Geschäfteauswahl kommen aktuell eher seltener in Frage, da Maskenpflicht und vorgeschriebenes Abstandhalten Käufer zu anderen Einkaufsmöglichkeiten drängen.

Das war vor Beginn der Corona-Pandemie anders, doch ausgiebige Shoppingtouren in riesigen Einkaufszentren mit großer Geschäfteauswahl kommen aktuell eher seltener in Frage, da Maskenpflicht und vorgeschriebenes Abstandhalten Käufer zu anderen Einkaufsmöglichkeiten drängen.  

 

Reizthema Onlinehandel: Sind wirklich Kunden nur aus Kosten- oder Bequemlichkeitsgründen abgewandert?

Wir erleben, dass die Kunden von heute so gut informiert zum Einkaufen gehen wie nie zuvor. Das liegt an den im Internet grenzenlos zugänglichen Informationen. Interessanterweise kaufen Kunden, die sich online informieren, oft stationär ein. Dieses Verhalten ist sogar häufiger als der Online-Kauf nach stationärer Beratung im Geschäft.

Der Trend wird in Zukunft weder zum puren Online-Kauf noch zum rein stationären Kauf gehen. Schon heute sind vor allem verknüpfte Modelle erfolgreich. Die Händler müssen die Vorteile aus beiden Welten kombinieren. Das überzeugt Kunden.

 

Welche Rolle sollten die Kommunen übernehmen?

Die Innenstädte brauchen vielerorts neue Gesamtkonzepte. Hier muss vernetzt und ganzheitlich gedacht werden. Deshalb fordern wir als HDE e.V. einen Innenstadtfonds, mit dessen Mitteln gründlich analysiert werden soll, wo die Probleme vor Ort liegen. Es geht darum, ein systematisches Leerstandskataster aufzubauen, Innenstadtkonzepte zu erstellen und die Stadtzentren aktiver zu managen.

Hier sollte das für die Städtebauförderung zuständige Bundesinnenministerium zur Finanzierung 500 Millionen Euro in die Hand nehmen, um einen entsprechenden Fonds für die Kommunen aufzulegen. Der Branchenmix muss stimmen. Nur dann werden wir auch morgen noch attraktive und vitale Innenstädte haben. Handel, Gastronomie, Dienstleister, produzierendes Gewerbe sowie Kunst und Kultur sind allesamt wichtig. Wenn Kundenfrequenzen stimmen, kann auch der Handel funktionieren. Die Kommunen müssen das im Dialog mit allen Akteuren vor Ort steuern. Das regelt sich nicht von alleine!

Umsatzindex von KW 1 bis KW 26: Deutlich zu sehen ist der diesjährige, coronabedingte Umsatzeinbruch zwischen Mitte März und Anfang Mai 2020, der sich jetzt wieder im Vergleich zum Vorjahr erholt hat, während der Umsatz noch bis Anfang März über dem vom letzten Jahr lag.

Umsatzindex von KW 1 bis KW 26: Deutlich zu sehen ist der diesjährige, coronabedingte Umsatzeinbruch zwischen Mitte März und Anfang Mai 2020, der sich jetzt wieder im Vergleich zum Vorjahr erholt hat, während der Umsatz noch bis Anfang März über dem vom letzten Jahr lag.

Worauf werden Sie als Verband verstärkt den Fokus richten?

Ein großes Thema ist die Chancengleichheit für alle Händler – egal auf welchem Vertriebskanal. Ob online, stationär oder Multichannel – die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen müssen für einen fairen Wettbewerb sorgen.

Hierzu sind wir in Gesprächen mit der Politik auch schon Schritte weitergekommen und bleiben dran. Meine Hoffnung ist, dass der Handel gut durch diese schwierige Coronazeit kommt.

Auf dem Höhepunkt der Krise haben die Händler, vor allem auch die Versorgungsleistung des Lebensmittelhandels viel Zuspruch und Anerkennung erhalten – die Leute haben gemerkt, dass der Handel ein Stück Heimat ist. Ich hoffe, dass wir diese Wertschätzung für die ganze Branche ein Stück mit durch die Krise nehmen können.   [ sf ]

Neben attraktiver Einkaufszentren sollte aber auch auf ein einladendes Erscheinungsbild der Innenstädte geachtet werden. Schließlich sind sie es, die Bürger zum Verweilen anlocken.

Neben attraktiver Einkaufszentren sollte aber auch auf ein einladendes Erscheinungsbild der Innenstädte geachtet werden. Schließlich sind sie es, die Bürger zum Verweilen anlocken.

 

Weitere Informationen:

www.einzelhandel.de/themeninhalte/coronavirus-menue

 


Logo Handelsverband Deutschland

Am Weidendamm 1A
10117 Berlin

Tel. +49 30 72 62 500
Fax. +49 72 62 50-99
E-Mail. hde@einzelhandel.de
Web. www.einzelhandel.de

17. April 2024


Das könnte Sie auch interessieren


Im Fränkischen Saaletal in Unterfranken sterben seit Jahren viele der kleinen Dörfer aus. Um dies aufzuhalten, revitalisiert der eingetragene Verein „Allianz Fränkisches Saaletal“ alte Ortskerne, gestaltet sie attraktiver und saniert Gebäude. Beispiele sind die kleinen Orte Oberthulba (Bild) und Fuchsstadt im Landkreis Bad Kissingen.

Förderprogramm an der Fränkischen Saale

Die Fränkische Saale gehört zu den Geheimtipps von Wanderern, Radfahrern, Romantikern und Weintrinkern. In der hügeligen Landschaft Unterfrankens gedeiht auf kleinen Weinbergen der weltberühmte Frankenwein. Es gibt versteckte Seitentäler,... mehr lesen