Vergangenheit trifft Zukunft: Das über 100 Jahre alte Wasserkraftwerk in Wyhlen liefert Strom für die Power-to-Gas Anlage.

Vergangenheit trifft Zukunft: Das über 100 Jahre alte Wasserkraftwerk in Wyhlen liefert Strom für die Power-to-Gas Anlage.

12. Oktober 2021

Grüner Wasserstoff für Smart Green Citys

Leuchtturmprojekt strahlt über Dreiländereck weit hinaus / Power-to-Gas-Anlage im Regelbetrieb

Mitten im Dreiländereck Frankreich, Schweiz und Deutschland liegt Grenzach-Wyhlen. Idyllisch an das Ufer des Rheins gebettet, ist das badische Städtchen ein attraktiver Ausflugsort. Wanderwege am Wasser oder unter schattigen Bäumen bieten ursprüngliche Naturerlebnisse im Grünen. Die Natur ist direkt vor der Haustür – dieses Paradies soll erhalten bleiben und zwar möglichst lange.

 

Das geht nur mit klimafreundlichen Energiesystemen, die Energie speichern und bedarfsgerechte Energieflüsse ermöglichen. Wie das funktioniert, zeigt das Zentrum für Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit seinem Power-to-Gas-Projekt in Grenzach-Wyhlen.

Die Stadt bietet durch das Rhein-Wasserkraftwerk ideale Voraussetzungen für erneuerbaren grünen Wasserstoff. Seit Dezember 2019 läuft hier die größte Power-to-Gas-Anlage in Süddeutschland mit einer elektrischen Anschlussleistung von einem Megawatt im Regelbetrieb. Betreiber ist die Energiedienst AG. Der Wasserstoff wird per Wasser-Elektrolyse mit Hilfe von erneuerbarem Strom aus dem Wasserkraftwerk erzeugt. Wird er in Strom umgewandelt, bleibt als einziges Abfallprodukt Wasser. Wasserstoff ist einfach zu lagern und zu transportieren. Er kann zudem für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe sowie heute noch erdölbasierter chemischer Rohstoffe genutzt werden.

 

Projekt gestartet: Power-to-Gas Anlage läuft zuverlässig

Stefan Steiert hat wenig Zeit für Spaziergänge am Rhein, wenn er in Grenzach-Wyhlen ist. Der für das technische Monitoring der Anlage verantwortliche Wissenschaftler am ZSW trifft sich meist mit den Ingenieuren direkt an der Forschungsplattform, um sich über den neuesten Stand zu informieren. Seit Inbetriebnahme läuft die Power-to-Gas Anlage zuverlässig. Bislang befüllte sie über 190 LKW-Ladungen mit brennstoffzellentauglichem Wasserstoff. Das ZSW betreibt vor Ort auch eine eigene Elektrolyse-Forschungsanlage, um innovative Komponenten in der Praxis zu testen.

Seitdem die Anlage als Wasserstoff-Leuchtturm in Baden-Württemberg erstrahlt, gibt es ambitionierte Ziele. Die elektrische Leistung der Elektrolyse soll von einem auf sechs Megawatt erweitert werden und der Wasserstoff vor Ort in verschiedenen Anwendungen genutzt werden. Das zukunftsweisende Vorhaben, das den Namen „Reallabor H2-Wyhlen“ trägt, startete im Januar dieses Jahres, die Projektlaufzeit beträgt fünf Jahre. Anschließend soll sich die Anlage wirtschaftlich selbst tragen.

Das ZSW erforscht serientaugliche Elektrolysetechnologien – die Voraussetzung für eine industrielle Fertigung von grünem Wasserstoff. „Wir wollen die Basis zur Hochskalierung der Technologie schaffen, damit die Kosten sinken und sich der Markt schneller in Richtung grüner Energiewende entwickeln kann“, sagt Dr. Marc-Simon Löffler, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren.

 

Montage des am ZSW entwickelten alkalischen Elektrolyseblocks in der Forschungsanlage in Grenzach-Wyhlen

Montage des am ZSW entwickelten alkalischen Elektrolyseblocks in der Forschungsanlage in Grenzach-Wyhlen

Wasserstoff für City-Busse oder LKW

Der in Wyhlen erzeugte Wasserstoff soll direkt in die Energieinfrastruktur der Region integriert werden: City-Busse oder LKW könnten ihn nach der Umstellung auf Brennstoffzellenantrieb vor Ort tanken und Firmen im Industriepark als Rohstoff für ihre Produktion nutzen. Die Abwärme ist zur Wärmeversorgung von Wohnquartieren vorgesehen. Da die Power-to-Gas Anlage das öffentliche Stromnetz nicht braucht, entfallen Netzentgelte und EEG-Umlage. Die Elektrolyse-Anlage erreicht hohe Volllaststunden, denn Wasserkraft ist vom Wetter unabhängig und steht rund um die Uhr zur Verfügung. Das sind wichtige Faktoren für eine wirtschaftliche Produktion von grünem Wasserstoff.

Am Rhein ist also alles im Fluss. Ist ein solches Vorhaben auch in anderen Städten und Kommunen umsetzbar? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das ZSW ebenfalls in dem Reallabor-Projekt, indem es Faktoren für eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Standorte analysiert. Nicht nur mit Wasserkraftwerken, sondern auch mit anderen erneuerbaren Stromquellen wie Photovoltaik oder Windkraft lässt sich grüner Wasserstoff gewinnen. Für Smart Green Citys ist er aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Energieträger der Zukunft. Als Speichermedium von überschüssigem Ökostrom oder als Kraftstoff für Brennstoffzellen ebnet regenerativer Wasserstoff den Weg für CO2-neutrale Mobilität und Energieversorgung. Damit ist er der Schlüssel zur intelligent vernetzten Stadt. „Vom Antrieb für Autos und Busse bis zum Heizen von Wohnungen – wir bewegen uns auf eine wasserstoffbasierte Gesellschaft zu“, betont Marc-Simon Löffler.

 

Die ZSW-Mitarbeiter sind regelmäßig vor Ort, um die Forschungsanlage zu überprüfen.

Die ZSW-Mitarbeiter sind regelmäßig vor Ort, um die Forschungsanlage zu überprüfen.

 

Weitere Informationen:

https://www.zsw-bw.de/forschung/h2-und-brennstoffzellen/projekte.html


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