AKW-Kühltürme wurden recycelt
RC-Beton – das Baumaterial der Zukunft? Neuverwendung für Wahrzeichen von Philippsburg
Die 150 Meter hohen Türme des AKWs Philippsburg bei Karlsruhe waren über viele Jahre in der Region weit sichtbar. Mit der spektakulären Sprengung im Mai 2020 war diese Ära vorbei. Nun gab es nur noch jede Menge Bauschutt. Pro Turm häuften sich auf der Erde 32.500 Tonnen Bauschutt. Das meiste davon war Beton. Viele fragten sich: Was passiert nun eigentlich mit all diesem Beton?
Ein kleiner Teil davon wurde als Erinnerungsstücke verschenkt. Wer wollte, konnte sich im August 2020 ein kleines Stückchen Kühlturm nach Hause holen.
Der Rest wurde recycelt. Denn Beton wird wie alle anderen Wertstoffe kategorisiert und wiederverwendet. In Philippsburg war das sogar besonders praktisch, da er noch vor Ort neu verarbeitet werden konnte. So entstand aus dem ehemaligen Betonbruch Recycling-Beton – kurz RC-Beton genannt. Mit diesem Baustoff entsteht in Philippsburg der Sockel für einen zukünftigen Konverter.
Hohe Ansprüche an Vielseitigkeit
Vor zehn Jahren war RC-Beton noch weitgehend unbekannt. Das hat sich inzwischen geändert. 2011 veröffentlichte das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg einen Leitfaden zur Herstellung und zur Verwendung von RC-Beton. Es ist genau festgelegt, welche Druckfestigkeitsklassen und welche Gesteinskörnungen vorliegen müssen.
Denn Beton ist nicht gleich Beton, es gibt die unterschiedlichsten Sorten, die jeweils unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen. Da gibt es Pumpbeton, Schleuderbeton, Spritzbeton, Glasschaumbeton, ultrahochfesten Beton, Leichtbeton und noch vieles mehr. Die Qualität von RC-Beton kann dagegen sehr unterschiedlich sein, sie ist vom Aufbereitungsverfahren und von der Qualität des verwendeten Bauschutts abhängig. Deshalb ist auch RC-Beton nicht gleich RC-Beton. Die Architekten und Ingenieure entscheiden, wie belastbar er sein muss. Auf der anderen Seite ist RC-Beton dadurch aber auch äußerst vielseitig.
Schon 2011 machte das gleiche Institut darauf aufmerksam, dass in der Schweiz zu diesem Zeitpunkt bereits 90 Prozent der Betonnachfrage über RC-Betone abgedeckt wurden. Innerhalb der EU sieht es anders aus. Noch 2019 meldete die Fachzeitschrift EU-Recycling, dass in der EU noch keine Marktdurchdringung festzustellen sei. Vor allem im Hochbau seien die Bauherren äußerst zurückhaltend und skeptisch. Hat der RC-Beton wirklich die geforderten Qualitätsmerkmale oder wird es Probleme geben? Diese Frage scheint viele Bauherren zu belasten.
Dabei beweisen schon einige Pilotprojekte das absolute Gegenteil. So wurde für die Umweltstation Würzburg, die im April 2020 als Begegnungszentrum eröffnet wurde, fast ausschließlich RC-Beton verwendet. Architekt Franz Balda hatte sich dafür eingesetzt.
Die 1400 Tonnen Baumaterial stammten zum größten Teil von einer abgerissenen Brücke ganz in der Nähe. Man baute erst zwei Musterwände und stellte dann fest, dass alles wie geplant läuft. Auch in Ludwigshafen entstand ein Pilotprojekt: In einem Verwaltungsgebäude kam bei der Bodenplatte, den Fundamenten und den Geschossdecken RC-Beton zum Einsatz.
So schont RC-Beton die Umwelt
Damit der RC-Beton bei den Bauherren beliebter wird, veranstaltete das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg im Februar 2020 ein Symposium. Das Symposium sollte Wege finden, mit denen man „Kreisläufe schließen“ kann, damit der Ressourcen- und Klimaschutz auf den Baustellen erhöht wird.
Denn in Deutschland werden jährlich 500 Millionen Tonnen Kies und Sand für die Herstellung von Beton abgebaut. Gleichzeitig fallen bis zu 75 Millionen Tonnen Bauschutt an, den man wiederverwenden könnte. Das Bayerische Staatsministerium Umwelt und Verbraucherschutz hat deshalb eine Broschüre für den Einsatz „von mineralischen R-Baustoffen im Hoch- und Tiefbau“ veröffentlicht. Hier wird gefordert, dass Ausschreibungen für Bauvorhaben in Zukunft produktneutral verfasst werden müssen.
In der Broschüre des Bayerischen Umweltministeriums wird auch genau aufgelistet, wie wichtig RC-Baustoffe sind. Sie schonen die begrenzt verfügbaren und nicht nachwachsenden natürlichen Ressourcen, die Landschaft und die Natur. Außerdem wird bei der Umwandlung von Beton-Bruch zu RC-Beton weniger Energie verwendet als bei Herstellung von neuem Beton. Zu guter Letzt haben sie auch positive Auswirkungen auf die Deponiekapazitäten. [ raa ]
Weitere Informationen:
https://www.enbw.com/kuehltuerme/
Videos von der Sprengung:
https://www.enbw.com/kuehltuerme/filme-fotos-und-mehr/