Der seltene Waldrapp kehrt zurück
Erfolgreiches EU-Projekt mit ungewöhnlicher Vogelart gibt „Grund zur Hoffnung“
Im alten Ägypten galt er als die Verkörperung des menschlichen Geistes, und noch vor zweihundert Jahren war er im Orient geschützt: Der Waldrapp. Vielleicht lag es an seiner Zutraulichkeit und seinem heiteren Wesen, dass damals viele glaubten, er trüge die Seelen der Verstorbenen in sich. Alleine sein Anblick macht Freude. Mit seinem langen Schnabel und seiner schwarzen Halskrause ist er der Punk unter den Vögeln.
Leider galt er in Europa vor allem als Delikatesse und endete als „Schopf-Ibis“ häufig im Kochtopf. Das wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Seit Ende des 17. Jahrhunderts war er in Europa ausgestorben.
Nur in Nordafrika und in der Türkei konnte eine kleine Population überleben. Seit 2013 geht es aber dank des EU-Projekts LIFE+ unter dem Stichwort „Reason for Hope“ (Grund zur Hoffnung) mit Partnern aus Österreich, Italien und Deutschland mit dem skurrilen Vogel wieder bergauf. Rund 150 Vögel leben inzwischen im bayerischen Burghausen, in Kuchl bei Salzburg, im kärntnerischen Rosegg und in Überlingen am Bodensee. In den kommenden Jahren sollen es noch mehr werden. Dem Hauptziel des Projekts – die Wiederansiedelung des Waldrapps in Europa – kommt das Projekt deshalb von Jahr zu Jahr ein Stückchen näher.
Wenn Vögel das Fliegen lernen
Als das Projekt 2013 startete, konnten die verantwortlichen Biologen zum Glück auf bereits gesammelte Erfahrungen zurückgreifen. So besteht die Waldrapp-Brutkolonie in Burghausen bereits seit 2004. Auch in Zoos gab es erfolgreiche Nachzuchten. Als das von der EU geförderte Artenschutzprojekt rund zehn Jahre später startete, konnten die Wissenschaftler unter anderem auf die Eier aus Zoos zurückgreifen. Die Basis für das Projekt war schnell geschaffen. Allerdings ist das Auswildern der bis zu 70 Zentimeter großen Vögel nicht unproblematisch, da Waldrappe Zugvögel sind, das Zugverhalten jedoch nicht genetisch ererben.
Waldrapp-Eltern bringen es ihrem Nachwuchs in den ersten Lebensjahren bei. Mitarbeiter des Waldrapp-Teams ziehen deshalb die Küken von Hand auf und prägen sie ganz bewusst. Die kleinen Waldrappe betrachten „ihre“ Menschen als nichtgefiederte Eltern. Mit Ultraleichtfliegern machen sich die Biologen dann im Herbst auf dem Weg über die Berge Richtung Toskana.
Die Waldrapp-Kinder fliegen ihnen ganz automatisch nach und lernen so den Weg in den Süden genau kennen. Nach mehreren Jahren voller mutiger Flugeinsätze finden mehr und mehr Waldrappe inzwischen selbstständig ihren Weg. Die kommenden Waldrapp-Generationen werden keine menschliche Hilfe mehr benötigen.
2021 flogen bereits zwanzig Waldrappe ohne Hilfe über die Alpen heim zum Bodensee und begannen zu brüten. Dafür haben ihnen die Wissenschaftler zwischen Goldbach und Hödingen eine Brutwand eingerichtet, die von Besuchern im Sommer aus der Ferne bewundert werden kann. Allerdings sollen die lustigen Vögel immer mehr von ihren menschlichen Helfern entwöhnt werden. Deshalb bekommen die Nester bald neue Plätze in der wilden Natur. [ raa ]
Weitere Informationen:
http://waldrapp.eu/index.php/de/projektstandorte