E-Government – Dänemark weltweit führend
Was kann Deutschland in Sachen Bürgerservice vom kleinen Nachbarn lernen?
Die digitale Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern – das sogenannte E-Government – kann vieles vereinfachen. Vor 22 Jahren wurde die Verwirklichung des E-Governments in Deutschland sogar offiziell zu einer Regierungsaufgabe. Trotzdem gehen hierzulande viele Bürger oft noch „aufs Amt“, wenn sie etwas erledigen müssen.
In Dänemark wurde dieser Zukunftstraum dagegen bereits verwirklicht. Seit 2020 kann sich das Land sogar rühmen, weltweit führend auf diesem Gebiet zu sein, während Deutschland nur Platz 25 einnimmt. Das stellten die Vereinten Nationen bei einer globalen Untersuchung fest. Nirgendwo auf der Welt ist die digitale Verbindung zwischen Bürgern und öffentlicher Hand so ausgereift wie bei unserem nordischen Nachbarn. KOMMUNALtopinform hat in Dänemark nachgefragt, wie das System in der Praxis funktioniert.
Alle Behörden auf einer Plattform
Das dänische Modell begeisterte die Vereinten Nationen vor allem mit zwei wichtigen Eigenschaften: Alle Informationen sind auf einem Portal gebündelt, und der Zugriff auf die sensitiven Daten ist sicher.
Marc Larsen (47) hat die Universität mit einem Magister zum Thema „Digitale Verwaltung in den Kommunen“ abgeschlossen und arbeitet seit vielen Jahren im Kopenhagener Rathaus. Er hat den Wandel von der analogen zur digitalen Kommune hautnah miterlebt. Gegenüber KOMMUNALtopinform erklärt Marc Larsen den wichtigsten Faktor für den reibungslosen Ablauf des digitalen Miteinanders, die „NemID“: „Wer in Dänemark lebt, erhält die sogenannte ‚NemID‘, eine Identifikationsnummer. Mit dieser Nummer kann man sich über ein Zweifaktorensystem in dem Portal einloggen, auf dem alle Informationen für die Bürger gebündelt sind.“ Das System wird bis Ende 2022 unter einem neuen Namen aktuellen Sicherheitsstandards angepasst, für den Bürger ändert sich dadurch nichts.
Das Portal läuft unter dem einfachen Namen „borger.dk“ (Bürger.dk). Wer hier eingeloggt ist, findet für jeden Bereich den passenden Ansprechpartner oder das richtige Formular. Hier kann man die Rente beantragen, sich über freie Krankenhausplätze informieren, eine Kita suchen, das Auto anmelden, einen Pass beantragen, Bücher in der Bibliothek zur Seite legen lassen, die Polizei informieren, den mobilen Pflegedienst beantragen und noch vieles mehr. Selbst eine Scheidung wird über borger.dk mit wenigen Klicks digital beantragt und durchgeführt.
Niemand muss auch nur eine Sekunde darüber nachdenken, welche Behörde für was zuständig ist. Das Portal findet bei jeder Frage und bei jedem Problem automatisch den richtigen Ansprechpartner.
Schneller Wandel
Mit der „NemID“ startete Dänemark 2010 ins digitale Zeitalter. Bereits 2014 waren neun von zehn Dänen mit dem System vertraut. Außergewöhnlich war beim Aufbau auch die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und allen Banken und Sparkassen, da diese nun ebenfalls mit „NemID“ arbeiten. Dänemark bietet deshalb heute seinen Bürgern ein einziges Log-in-System für alle sensitiven Bereiche. Trotzdem ist die verwendete Software ausgesprochen individuell. Marc Larsen: „Es gibt öffentliche Ausschreibungen. Die Wahl der Software hängt von mehreren Faktoren ab, sie muss unter anderem sehr sicher sein. Im Endeffekt ist es sehr unterschiedlich, was die verschiedenen Kommunen und Behörden wählen und verwenden.“
Das NemID-System ist außerdem mit der sogenannten „e-boks“ verknüpft, einem besonders geschützten elektronischen Briefkasten. Der gesamte Schriftverkehr zwischen Bürgern, Banken und Behörden läuft über die „e-boks“, in der Behördenbriefe, Steuererklärungen, Bankauszüge und alle anderen Unterlagen und wichtigen Briefe landen.
Hilfe vorhanden
Ältere Leute und all jene, die sich mit Computern und Smartphones schwertun, können hier leicht Probleme bekommen, denn in einigen Bereichen ist die „digitale Selbstbedienung“, wie das Angebot offiziell bezeichnet wird, inzwischen obligatorisch. Allerdings wurden von Anfang an zahlreiche Computerkurse angeboten. Außerdem sind alle Bibliotheken des Landes mit einem Computerbereich ausgestattet und die Mitarbeiter darin geschult, digital unerfahrene Bürger zu unterstützen. Wer sich mit dem Portal „Borger.dk“ schwertut und nicht weiß, wo er was anklicken soll, findet also Hilfe in jeder Bibliothek. Auch beim Bürgerservice der Rathäuser gibt es PC-Hilfe. Wer sich jedoch permanent mit diesem modernen Leben schwertut, sollte – so der offizielle Rat – einer Vertrauensperson eine digitale Vollmacht erteilen.
Dabei ist der Digitalisierungsprozess in Dänemark noch lange nicht abgeschlossen. Dänen erhalten als erstes Land Europas bald eine App, die den herkömmlichen Führerschein ersetzt, auch die Karte der Krankenversicherung gibt es bereits als App. Dänemark ist auf dem Weg zur papierlosen Gesellschaft.
Umsetzung in Deutschland verläuft schleppend
Wäre das alles nicht auch in Deutschland möglich und könnte man vom dänischen Modell nicht einiges lernen? Die gesetzliche Grundlage dafür ist mit dem Online-Zugangsgesetz von 2017 gegeben. Eine aktuelle ifo-Studie („Benchmarking, Digitalisierung in Deutschland“) zeigt jedoch, dass es noch einige Schwierigkeiten gibt. Es hapere – so die Studie – an der Nutzerfreundlichkeit und am allgemeinen Vertrauen in digitale Dienstleistungen. Außerdem fehle es an Entscheidungskompetenzen in den für Deutschland typischen föderalen Strukturen. Auch der Datenaustausch zwischen den Behörden funktioniere noch nicht. Obwohl der Wille da sei, verlaufe – so die Studie – die Umsetzung bisher nur schleppend. [ raa ]
Weitere Informationen zum Thema eGovernment:
www.urban-digital.de/home/smart-city-studien/
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