Das Förderprogramm Digitalisierung im Rahmen des Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst unterstützt Investitionen zur Stärkung der etwa 375 Gesundheitsämter in ganz Deutschland. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) soll digitaler werden.

Das Förderprogramm Digitalisierung im Rahmen des Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst unterstützt Investitionen zur Stärkung der etwa 375 Gesundheitsämter in ganz Deutschland. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) soll digitaler werden.

17. Oktober 2022

Die Mammutaufgabe digitale Transformation

Eine zielführende Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes braucht individuelle Beratung

Die digitale Transformation der Gesundheit- und Pflegebranche wird weitreichende und grundlegende Veränderungen mit sich bringen. Sowohl für die Bevölkerung als auch für das in diesem Sektor tätige Personal ergeben sich hierbei große Chancen. Gerade die Konsequenzen veralteter, langsamer Prozesse im öffentlichen Gesundheitsdienst haben viele in den letzten Pandemiejahren im Gesundheitssektor am eigenen Leib erfahren müssen. Aber auch über das Pandemiemanagement und den Infektionsschutz hinaus, etwa im Veterinärwesen oder bei der Analyse und Indikation von Wasserqualität, bieten digitalisierte und bestenfalls smarte Soft- und Hardwareausstattung unschätzbare Vorteile.

Das Förderprogramm Digitalisierung im Rahmen des Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst unterstützt Investitionen zur Stärkung der etwa 375 Gesundheitsämter in ganz Deutschland. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) soll digitaler werden. Hierfür stehen bis zu 800 Millionen Euro zur Verfügung. Durch die Bereitstellung von Fördermitteln unterstützt das Bundesgesundheitsministerium die Bundesländer und Kommunen bei der technischen Modernisierung von Einrichtungen des ÖGD. Wichtige Elemente des Förderprogramms sind der Ausbau der digitalen Infrastruktur, insbesondere IT-Sicherheit und Datenschutz, und die Vernetzung der Gesundheitsämter auf lokaler, landes-
und bundesweiter Ebene.

Zielstellungen sind:

  • Projektübergreifende Einbindung der Mitarbeitenden in die digitale Transformation des ÖGDs
  • Stärkere Bürgerzentrierung durch Implementierung neuer Online-Portale und Erweiterung des Onlineangebots
  • Vermeidung von Parallelität vergleichbarer IT-Systeme und -Dienste
  • Verbesserung der Interoperabilität der genutzten technischen Systeme zwischen Einrichtungen des ÖGD – innerhalb des jeweiligen Landes und landesübergreifend durch Anschaffung einheitlicher Fachanwendungen und mobiler Endgeräte
  • Reduzierung landesspezifischer Besonderheiten durch Angleichung an bundesweit übergreifende und gültige Standards
  • Stärkung und Modernisierung des ÖGD insgesamt und besonders im Hinblick auf den Infektionsschutz
  • Steigerung der digitalen Reife des ÖGD auf Länder- und kommunaler Ebene, Referenzrahmen: digitales Reifegradmodell mit seinen acht DimensionenAntragsberechtigt sind Einrichtungen des ÖGD auf kommunaler sowie Länderebene samt deren Zusammenschlüsse. Die Förderung erfolgt als Fehlbedarfsfinanzierung. Dieser Fehlbedarf wird zu 100 Prozent finanziert. Ist der Fehlbedarf 100 Prozent der Projektausgaben, beträgt die Förderung den Komplettbetrag. Über das Reifegradmodell können Länder und Kommunen den Projektfortschritt und die Zielerreichung messen.

Gute Absicht – knappes Timing

Keine Frage, es ist durchweg positiv zu bewerten, dass im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ (ÖGD-Pakt) dann verhältnismäßig kurzfristig 800 Millionen Euro für die Digitalisierung der Infrastruktur zur Verfügung gestellt wurden. Allerdings bringt eben genau diese Kurzfristigkeit auf der anderen Seite Kommunen an ihre Grenzen. Der gewährte Zeitraum von der Analyse bis zur Antragsstellung, gepaart mit den Umsetzungsfristen überfordert nicht selten die personellen und fachlichen Kapazitäten deutlich.
In der Praxis sind vielen Kommunen vom Antragsprozess schlichtweg überfordert, weil das notwendige Fachwissen für die Antragserstellung nicht in-house verfügbar und die Personallage extrem angespannt ist. Auch die IT-Dienstleister der Länder und Kommunen können hier nur bedingt helfen, sie besitzen zwar Kenntnis über die technische Ausstattung, sind aber nicht en Detail in die Prozesse eingebunden und haben zudem mit einem ähnlichen Personalmangel zu kämpfen.

Wie in vielen anderen Feldern der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor ist ein Rückgriff auf externe, privatwirtschaftliche Dienstleister nötig, will man die knappen Timings von der Förderantragsreife bis zur Umsetzung halten.

Wir sprachen hierzu mit Michael Tschakert, Business Director Public Services DACH bei Cheil Worldwide. In dieser Position betreuen Tschakert und sein interdisziplinäres Team Kommunen, kommunale Eigenbetriebe und sonstige öffentliche Institutionen bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben im Kontext verschiedener Förderrichtlinien.

Michael Tschakert (Business Director Public Sector DACH, CHEIL GmbH) berät gemeinsam mit einem interdisziplinären Team Kommunen, Ämter und Behörden bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.

Michael Tschakert (Business Director Public Sector DACH, CHEIL GmbH) berät gemeinsam mit einem interdisziplinären Team Kommunen, Ämter und Behörden bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.

Herr Tschakert, die Digitalisierung des Gesundheitswesens gehört innerhalb der Digitalstrategie des Bundes zu den wichtigsten und sicherlich auch heikelsten Vorhaben, gleichzeitig aber auch zu den notwendigsten. Was sind aus Ihrer Erfahrung heraus die größten Herausforderungen?

Michael Tschakert: Für viele kleinere Gesundheitsämter ist es personell schlichtweg nicht zu leisten eine Antragsstrecke bis zur Förderreife zu bearbeiten. Nochmals forciert wird das Ganze durch die derzeitige Corona-Welle. Die zeitliche Dimension, die Komplexität des Antragsverfahrens, zudem die weiterhin pandemische Situation unterstützen nicht gerade eine tragfähige und nachhaltige Digitalisierung im öffentlichen Gesundheitsdienst.

Was muss aus Ihrer Sicht ein externer Dienstleister mitbringen oder wie forcieren Sie mit Ihrem Ansatz die Bearbeitung einzelner Projekte bis zur Förderantragsreife unter den genannten internen Rahmenbedingungen?

Da es sich bei der Antragsstrecke um ein interdisziplinäres Projekt handelt, stellt dies viele Gesundheitsämter bereits vor erste Herausforderungen, da oft die Strukturen darauf nur bedingt ausgelegt sind. Daher kommt uns zu Beginn immer auch die Rolle des interdisziplinären Projektkoordinators zu: Im ersten Schritt erfassen und analysieren wir bisherige konzeptionelle Vorleistungen des Gesundheitsamtes und deren Verortung im thematischen Förderkontext.
Im nächsten Schritt folgt dann die Vorbereitung und Umsetzung eines ganztägigen „Digitalisierungsworkshops“ im Rahmen einer „Design Thinking Methodik“ mit dem Ziel der Identifizierung und Priorisierung relevanter Anwendungsfälle sowie daraus resultierender alltäglichen Hindernisse, Bedürfnisse und Anforderungen der Mitarbeiter des ÖGD und der IT. Daraus folgt die Definition von Zielen sowie Identifizierung und Priorisierung von Maßnahmen zur Steigerung des digitalen Reifegrades.
Hierfür hat der Projektträger das digitale Reifegradmodell zur Verfügung gestellt, an dessen acht Dimensionen sich die Gesundheitsämter orientieren sollen. Es unterstützt dabei eine individuelle Digitalstrategie abzuleiten sowie die Bedarfe bei der Soft- und Hardware oder Interoperabilität zwischen Bereichen und Ämtern als auch zu den Bürgern zu identifizieren.
Zum Schluss werden alle Maßnahmen auf den Zeitplan gelegt sowie deren Kosten geschätzt. Wer den ersten Förderaufruf verpasst hat, kann voraussichtlich ab Herbst 2023 sein Projekt für den zweiten Förderaufruf anmelden.

Wie eben beschrieben haben Sie mit diesen Ansätzen einige Kommunen und Landkreise bei der Entwicklung des Reifegradmodells und Förderanträge unterstützt. Wie geht es weiter, wenn in Q4 dann die Förderbescheide ergehen?

Zunächst muss konsterniert werden, dass zahlreiche Gesundheitsämter auf Grundlage der oben genannten Aspekte sich gar nicht in der Lage gesehen haben, überhaupt einen Antrag zu stellen. Denjenigen Ämtern, die keinen Antrag gestellt oder bewilligt bekommen haben oder zu wenig Mittel beim ersten Antrag gefördert wurden, bietet sich jedoch eine zweite Möglichkeit: und zwar mit dem zweiten Förderaufruf innerhalb des Pakts. Die Projekte dafür können voraussichtlich ab Herbst 2023 beim Projektträger angemeldet werden. Mit den bewilligten Fördermitteln gehen auch sehr klare Erwartungen seitens des Bundesgesundheitsministerium zur Zieleinrichtungen in den ÖGD bis 2024/2026 einher.
Ich sehe außerdem einige Herausforderungen bei der Implementierung der Projekte vor Ort, da bei den meisten Gesundheitsämtern mit den Fördermitteln neue Stellen zur Digitalisierung und zur Umsetzung des Projektes geschaffen werden, beispielsweise IT-Sicherheitsbeauftragte oder Digitalisierungs- und Prozessmanager. Diese Stellen zu besetzten wird aufgrund des angespannten Arbeitsmarktes sehr schwierig werden. Das bestehende Personal – sowohl im Gesundheitsamt selbst, aber auch in der IT- und eGovernment Abteilung – kann diese additiven Aufgaben in der Regel nicht auch noch bewältigen. Dabei ist genau zu Beginn die transparente Einbindung der Mitarbeitenden sowie anschließend die kontinuierliche Partizipation ganz entscheidend. Sicherlich werden sich viele Gesundheitsämter hierfür auch externe Unterstützung einkaufen, um die knappe Projektlaufzeit mit Blick auf die Zielsetzungen auch effizient nutzen zu können.

Digitale Infrastruktur und mobile Hard- und Softwarelösungen sind die Grundlagen einer modernen Verwaltung – auch im Gesundheitssektor. Die dargestellten Daten speisen sich aus dem bisherigen Feedback der Kommunen in diversen Workshops.

Digitale Infrastruktur und mobile Hard- und Softwarelösungen sind die Grundlagen einer modernen Verwaltung – auch im Gesundheitssektor. Die dargestellten Daten speisen sich aus dem bisherigen Feedback der Kommunen in diversen Workshops.


Logo Cheil

Am Kronberger Hang 8
65824 Schwalbach

Ansprechpartner: Michael Tschakert
Business Director Public Sector DACH

E-Mail. m.tschakert@cheil.com
Web. www.cheil.de

17. April 2024


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