Baugenehmigungsverfahren dauerten bisher in sehr vielen Fällen zu lang. Das soll sich jetzt ändern.

Baugenehmigungsverfahren dauerten bisher in sehr vielen Fällen zu lang. Das soll sich jetzt ändern.

3. März 2023

Wo bleibt denn endlich der Rote Punkt?

Genehmigungsverfahren dauern zu lang / Normenkontrollrat Baden-Württemberg fordert Kulturwandel in Behörden

Mit der Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg verbinden sich viele Besonderheiten. Von der Bekanntgabe bis zum Genehmigungsbescheid vergingen 843 Tage, dann wurde die Genehmigung – mit etlichen Auflagen – erteilt. Geht doch, haben etliche über die oft schmerzlich vermisste Schnelligkeit deutscher Behörden geurteilt.

Was ist leichter zu bewerkstelligen: Der Turmbau zu Babel oder in Deutschland? Die Klageliste über die deutsche Bürokratie ist lang. Dabei schneidet Deutschland im internationalen Vergleich gut ab, auch wenn der versprochene Bürokratieabbau seit 2013 nicht gelungen ist, heißt es beispielsweise im IW-Standort-Ranking 2021. Den Rückstand an Reformen hat auch der Normenkontrollrat längst als Aufgabe erkannt. Nichts Geringeres als einen „Kulturwandel in den Behörden“ fordert jetzt der Normenkontrollrat Baden-Württemberg in einer Empfehlung über den Reformbedarf der Verwaltung.

Genehmigungsverfahren sind so langwierig geworden, dass die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft schädlich sind. „Wir brauchen ein neues Verwaltungsleitbild – ergebnis- und lösungsorientiert, kundenorientiert, digital, agil, flexibel und transparent“, fordert der Normenkontrollrat, nachdem er den Reformbedarf im Inneren der Verwaltung und extern gegenüber den Antragstellern untersucht hat. Dazu ist in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Rems-Murr-Kreis eine Studie entstanden, die die aktuelle Situation in Baden-Württemberg am Beispiel von Genehmigungsverfahren für den Bau und für den Immissionsschutz untersucht hat.

Bis endlich Bauarbeiten beginnen können, vergeht wertvolle Zeit – sie läuft davon und lässt Kostenkalkulationen explodieren. Vom Antrag bis zum Roten Punkt vergehen Monate oder Jahre – selbst bei überschaubaren Projekten. Viele, sehr detaillierte Vorschriften bilden Hürden auf dem Weg zur Genehmigung. Verzögerungen kommen auch zustande, weil Wissenslücken bei Planern und Bauherren Verzögerungen auslösen.

Bis endlich Bauarbeiten beginnen können, vergehen oft wertvolle Wochen. Die Zeit läuft davon und lässt Kostenkalkulationen explodieren.

Bis endlich Bauarbeiten beginnen können, vergehen oft wertvolle Wochen. Die Zeit läuft davon und lässt Kostenkalkulationen explodieren.

Digitalisierung dringend erwartet

Die Auswertung der Interviewstudie ergab drei Hebel für eine Beschleunigung. An erster Stelle steht – wie könnte es anders sein – die Verbesserung der eingereichten Angaben. Sowohl der Umfang als auch die Qualität der Unterlagen lassen wohl häufig kräftig zu wünschen übrig.

Zudem benötigt das Personal besseren IT-Support und Schulungen. Damit kommt die Digitalisierung auf die Tagesordnung, durch die Arbeitsabläufe und Prozesse effizienter werden können.
Zu den Störquellen für einen reibungslosen Ablauf eines Verfahrens zählen das Zeitmanagement und damit insbesondere die Einhaltung von Fristen. Oft gebe es von beiden Seiten keine fristgerechte Antwort. Mitunter ist eine Vielzahl von Fachbehörden involviert, die ihre Stellungnahme vorher abgegeben haben müssen, bevor das Baurechtsamt mit der Prüfung beginnen kann. Eine Vorgabe des Landes Baden-Württemberg lautet, den ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten zu fragen – allein damit ist eine weitere Verzögerung von durchschnittlich vier Wochen inbegriffen.
„Am Beispiel von Baugenehmigungsverfahren zeigen wir auf, dass eine wesentliche Beschleunigung durch die Ernennung eines Verfahrenssteuerers, Transparenz des Verfahrens in einem gemeinsamen Gremienraum und Termincontrolling erreicht werden können“, diese Empfehlung gibt Dr. Gisela Meister-Scheufelen, Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg. Da können Mitarbeiter in den Behörden beispielsweise von etlichen Kfz-Werkstätten lernen. Dort ist es üblich, nach einem vereinbarten Service-Termin eine Erinnerung kurz vor dem Datum zu verschicken, damit der Termin nicht in Vergessenheit gerät.

Von moderner Arbeitsweise konnte leider nicht durchgängig die Rede sein. Die Projekte werden in vielen Ämtern nicht gesteuert, sondern laufen gelassen.

Von moderner Arbeitsweise konnte leider nicht durchgängig die Rede sein. Die Projekte werden in vielen Ämtern nicht gesteuert, sondern laufen gelassen.

Digitalisierung nicht in Sicht

In vielen Punkten erscheint die elektronische Akte als beste Lösung der aktuellen Probleme. Allein: Papier erstickt alle innovativen Ansätze. Die Umfrage hat ergeben, dass kaum eine Dienststelle mit der elektronischen Akte arbeitet. Lediglich ein Drittel der beteiligten Fachbereiche setzt das Hilfsmittel ein.

Von moderner Arbeitsweise kann auch nicht durchgängig die Rede sein. Die Projekte werden in vielen Ämtern nicht gesteuert, sondern laufen gelassen. Eine steuernde Rolle nimmt maximal jede zweite Behörde ein. Die andere Hälfte wartet – und wartet, bis die Akten komplett sind.

Eine Seite der Medaille sind die Ämter. Die Mitarbeiter haben in der Regel keine Ausbildung zum Management für Entscheidungsprozesse. Ein Auftaktgespräch mit dem Antragsteller oder Hinweise auf baurechtliche Fallstricke sind die Ausnahme. Allerdings ist damit nur die eine Seite der Medaille beleuchtet.

Verbesserungsbedarf gibt es nicht nur in der Verwaltung. Das ist die andere Seite der Medaille. Die Qualität der Antragsunterlagen lässt sehr zu wünschen übrig. Architekten und Planer haben offenbar zu wenig Ahnung vom Baurecht. Oft verlieren sie den Kampf mit den Formularen.

Vielleicht hilft eine andere Herangehensweise, meint der Normenkontrollrat Baden-Württemberg, der seit 2018 die Landesregierung berät. Projektbezogenes Vorgehen steht weit oben auf der Liste der Empfehlungen. Die Mitarbeiter in den Genehmigungsbehörden sollten für diese Vorgehensweise ausgebildet werden. Termin-Controlling liegt nach Ansicht Meister-Scheufelens „auch im Interesse der Verwaltung selbst.“ Die am Projekt oder dem Kunden orientierte Arbeitsweise lässt sich auf andere Arten von Genehmigungsverfahren übertragen. Ausdrücklich genannt werden immisionsschutzrechtliche Genehmigungen. Das Ziel bleibt für alle gleich: Der Verfahrensablauf soll effizienter und schneller werden. [ dlu ]

Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg übergab einen Empfehlungsbericht mit Vorschlägen zur Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren an den Koordinator der Landesregierung für Verwaltungsmodernisierung, Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung (Mitte). Von links: Claus Munkwitz, Simon Kistner, Gerda Stuchlik, Landrat Dr. Richard Sigel, Staatsminister Dr. Florian Stegmann, Dr. Gisela Meister-Scheufelen, Bernhard Bauer.

Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg übergab einen Empfehlungsbericht mit Vorschlägen zur Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren an den Koordinator der Landesregierung für Verwaltungsmodernisierung, Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung (Mitte). Von links: Claus Munkwitz, Simon Kistner, Gerda Stuchlik, Landrat Dr. Richard Sigel, Staatsminister Dr. Florian Stegmann, Dr. Gisela Meister-Scheufelen, Bernhard Bauer.


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Tel. +49 711 2153-209
Web. www.stm.baden-wuerttemberg.de

17. April 2024


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