Straßen zerschneiden landwirtschaftliche Flächen und begraben oft Standorte der Nahrungsmittelerzeugung unter Asphalt.

Straßen zerschneiden landwirtschaftliche Flächen und begraben oft Standorte der Nahrungsmittelerzeugung unter Asphalt.

22. Mai 2023

Die Flurbilanz – ein Instrument zum Schutz

So bewahrt das Land wertvolle landwirtschaftliche Flächen

Flächenverbrauch ist zwar kein neues Thema, findet aber aktuell besondere Beachtung. So lautete der Titel des Zukunftsforums Naturschutz 2022, das der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) am 3. Dezember 2022 in Stuttgart veranstaltete, „Flächenverbrauch und kein Ende – Verbauen wir die Zukunft?“. Nur wenige Tage zuvor hatte das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg (MLW) unter der Überschrift „Wie erreichen wir die Netto-Null?“ Fachleute zur Diskussion über das Flächensparziel des Landes eingeladen.

Im Koalitionsvertrag ist das Ziel verankert, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2035 auf „Netto-Null“ zu senken. In den zurückliegenden Jahren betrug der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche – und damit der Flächenverbrauch allerdings auf Landesebene – über fünf Hektar und auf Bundesebene über 50 Hektar je Tag, mit wieder steigender Tendenz.

Die Landwirtschaft ist die Leidtragende

Die Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) als dauerhaftes Umweltproblem benannt. Anders als bei sonstigen Umweltproblemen ist die Bereitschaft, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, hier allerdings besonders gering. Sie wären mit Einschränkungen und Verzicht für Wirtschaft und Kommunen verbunden.
Die Argumente Wohnungsnot und Schaffung von Arbeitsplätzen scheinen besonders schwer zu wiegen.

Neben der Ökologie ist vor allem die Landwirtschaft Leidtragende des Flächenverbrauchs. Er geht nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“ eindeutig zu Lasten der Landwirtschaft. Bau- oder Infrastrukturmaßnahmen entziehen, wenn sie auf zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen erfolgen, der Landwirtschaft direkt Flächen. Darüber hinaus verliert sie häufig indirekt Flächen per Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz. Aber auch, wenn vordergründig Wald für Siedlung und Verkehr in Anspruch genommen wird, „blutet“ am Ende die Landwirtschaft. Denn aufgrund des besonderen Schutzes des Waldes beansprucht der gesetzlich vorgeschriebene Waldausgleich in der Regel wieder Äcker, Wiesen oder Weideflächen.

Wohnungsbau und Gewerbe beanspruchen oft die besten landwirtschaftlichen Flächen.

Wohnungsbau und Gewerbe beanspruchen oft die besten landwirtschaftlichen Flächen.

Bei einer durchschnittlichen Größe der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg von 36 Hektar bedeutet ein Verlust von fünf Hektar Fläche jeden Tag, dass dafür statistisch jede Woche ein Betrieb im Land seine Tore schließen muss. Die Landwirtschaft selbst hat keine Möglichkeit, diesen Flächenverbrauch zu verhindern oder zu reduzieren. Was aber möglich ist, ist den Schutz landwirtschaftlich wertvoller Flächen bei Planungen und Vorhaben in den Fokus zu nehmen, zum Beispiel bei Regionalplanungen, Bauleitplanungen oder Einzelvorhaben.

Immer dann, wenn eine Flächeninanspruchnahme unumgänglich ist, muss es darum gehen, die besten landwirtschaftlichen Standorte zu schonen. Damit lässt sich der Druck auf die Landwirtschaft verringern. Landwirtschaftliche Betriebe können hochwertige Lebensmittel auf guten Standorten wettbewerbsfähiger produzieren als auf problematischen Standorten. Gleichzeitig ist das ein Beitrag im Hinblick auf die Megaherausforderungen Klimawandel und Biodiversität. Jeder Hektar Acker, der hier unter Beton oder Asphalt verschwindet oder für andere Zwecke der Landwirtschaft entzogen wird, führt über die Verlagerung der Erzeugung, beziehungsweise. Landnutzungsänderungen, in anderen Regionen, Ländern und Kontinenten zur Intensivierung der Landwirtschaft oder zur Umwandlung von Wald in Acker- oder Grünland. Damit werden die Abholzung von Regenwald und die Degradierung von Kulturland zu Wüsten beschleunigt. Je ertragreicher die hier bei uns verbrauchte Fläche, desto größer der Schaden für die hiesigen Bauern, das globale Klima und die Biodiversität unserer Erde.

Die Energiewende geht vor allem bei der Freiflächen-Photovoltaik zu Lasten landwirtschaftlicher Erzeugung.

Die Energiewende geht vor allem bei der Freiflächen-Photovoltaik zu Lasten landwirtschaftlicher Erzeugung.

Bei der Standortwahl für Siedlungs- und Verkehrsmaßnahmen gibt es verschiedene Zwänge und Interessen. Gleichzeitig sind in vielen Fällen Alternativen möglich. Bei allen Planungen, die landwirtschaftlich genutzte Flächen betreffen, sollte daher immer von Anfang an berücksichtigt werden, welche Wertigkeit diese Flächen haben. Beispielsweise dürfte es bei den derzeit stattfindenden Planungen für Anlagen der Freiflächen-Photovoltaik durch eine sorgfältige Standortwahl gut möglich sein, dem gesetzlich vorgegebenen Ziel Baden-Württembergs, hochwertige landwirtschaftliche Flächen als zentrale Produktionsressource zu sichern, Rechnung zu tragen. In vielen Regionen des Landes liegen Flächen mit unterschiedlicher Wertigkeit für die Landwirtschaft in räumlicher Nähe.

Nicht alle Flächen sind gleich wertvoll. Manche Böden sind wegen ihres zu hohen Steingehalts viel zu schwierig zu bewirtschaften und zählen daher nicht zu den Standort-Highlights.

Nicht alle Flächen sind gleich wertvoll. Manche Böden sind wegen ihres zu hohen Steingehalts viel zu schwierig zu bewirtschaften und zählen daher nicht zu den Standort-Highlights.

Die Flurbilanz zeigt den Wert der Flächen für die Landwirtschaft

Das Instrument, das dazu herangezogen werden kann und soll, ist die Flurbilanz. Sie stellt die Bewertung von Flächen nach ihrer Bedeutung für die Landwirtschaft dar.

Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) hat in einer Verwaltungsvorschrift (VwV Standorteignungskartierung und Bodenbilanz) festgelegt, wie die Landwirtschaftsverwaltung diese systematische Bewertung in ihrer Fachplanung vorzunehmen hat.

Für die Erstellung der Flurbilanz werden landwirtschaftliche Flächen zu Fluren mit einer durchschnittlichen Größe von etwa 30 Hektar zusammengefasst. Mit Hilfe eines Punktesystems werden die Fluren einer von fünf Wertstufen zugeordnet (siehe Tabelle 1 unten).

Sämtliche Fluren Baden-Württembergs werden in einem genau definierten Verfahren bewertet. Die Bewertung basiert auf der Bodengüte (Acker-/Grünlandzahl). Der Boden ist die zentrale Produktionsgrundlage der Landwirtschaft. Je besser der Boden, desto effizienter lässt sich Landwirtschaft auf der Fläche betreiben und desto wertvoller ist diese Fläche aus landwirtschaftlicher Sicht.

Dauerkulturen, wie hier Hopfen und Obst, haben für die Landwirtschaft eine besondere ökonomische Bedeutung.

Dauerkulturen, wie hier Hopfen und Obst, haben für die Landwirtschaft eine besondere ökonomische Bedeutung.

Darüber hinaus beeinflussen weitere Faktoren die Effizienz und Wertschöpfung der Landbewirtschaftung positiv oder negativ. Beispielsweise

  • setzt die Hangneigung dem Einsatz von Maschinen und Geräten Grenzen.
    Entsprechend ihrer Bewirtschaftungserschwernis werden Fluren mit steigender Hangneigung stärker abgewertet.
  • lässt sich ein Schlag (eine zusammenhängende Bewirtschaftungseinheit) mit zunehmender Größe effizienter bewirtschaften.
    Fluren mit kleineren Schlägen werden in der Flurbilanz daher ab- und solche mit größeren Schlägen aufgewertet.
  • setzt die Vermarktung ökologischer Produkte voraus, dass sie auf Flächen erzeugt werden, die schon über einen bestimmten Zeitraum ökologisch bewirtschaftet wurden.
    Die ökologische Bewirtschaftung von Flächen verleiht ihnen also eine zusätzliche Wertigkeit, die in der Flurbilanz ebenfalls berücksichtigt wird.

Wertgebende Faktoren (siehe Tabelle 2 unten) gehen durch Zu- oder Abschläge in die Flurbilanz ein. Für bestimmte Faktoren liegen die für die Bewertung erforderlichen Daten landesweit vor. Für diese sogenannten Standardkriterien führt die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) zunächst eine Erstbewertung durch. Die Unteren Landwirtschaftsbehörden können bewertungsrelevante Faktoren, die nicht über die Standardkriterien erfasst werden, entsprechend ihrer landwirtschaftlichen Bedeutung über sogenannte regionale Kriterien ergänzen.

Ausschnitt aus einer Flurbilanzkarte

Ausschnitt aus einer Flurbilanzkarte

Gemäß ihrer finalen Punktezahl werden die Fluren dann in die in Tabelle 1 (siehe unten links) genannten Wertstufen eingeteilt. Diese Bewertung wird von der Landwirtschaftsverwaltung Baden-Württemberg landkreisweise für das gesamte Land vorgenommen. Die Ergebnisse werden in Karten als Flurbilanz 2022 dargestellt.

Die Flurbilanz, die sich zunächst an die Landwirtschaftsverwaltung richtet, wird zunehmend auch von Planungsträgern verwendet, um landwirtschaftliche Belange angemessen und objektiv in den Planungsprozessen zu berücksichtigen. Dadurch können sie ihrer Verantwortung, alle Belange gegeneinander abzuwägen, gerecht werden.

Die Karten werden im Internetangebot „Infodienst Landwirtschaft – Ernährung – Ländlicher Raum“ veröffentlicht und ersetzen so die bisherige, vor rund 15 Jahren erarbeitete Flurbilanz (www.flurbilanz.de). Sie stehen damit auch Kommunen, Fachbehörden und Planungsbüros zum frühzeitigen Einbeziehen in ihre Planungen zur Verfügung. Zudem können die dazugehörigen Daten unentgeltlich im ESRI-Shape-Format heruntergeladen werden.

Weitere Informationen zur Flurbilanz bei der LEL:

Harald Beck: Harald.Beck@lel.bwl.de Tel.07171/917-432  und

Rabea Mächtel: Rabea.Maechtel@lel.bwl.de Tel. 07171/917-433


Oberbettringer Straße 162
73525 Schwäbisch Gmünd

Tel. +49 7171 917-413
Fax. +49 7171 917-101
E-Mail. roland.grosskopf@lel.bwl.de
Web. www.lel-bw.de

17. April 2024


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