Behördendeutsch war gestern
Im Bemühen um digitale Barrierefreiheit: mit Hilfe Künstlicher Intelligenz zu leichter Sprache und besserer Verständigung
Deutschlands Verwaltung muss digitaler werden. Darin sind sich alle Beteiligten einig. Dies spiegelt eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom aus dem Jahr 2021 wider, in der 86 Prozent aller Bundesbürger den Wunsch äußerten, dass die Digitalisierung in ihrer Stadt oder Gemeinde schneller vorangetrieben wird. Mit Chatbots in leichter Sprache kann es der öffentlichen Verwaltung gelingen, sowohl digitaler als auch zugänglicher und bürgernaher zu werden.
Die öffentliche Verwaltung hat jedoch nicht nur mit der digitalen Transformation von Dienstleistungen zu kämpfen, sondern steht vor einer weiteren Herausforderung. Viele Einwohner haben Schwierigkeiten, die Leistungen oder auch Auskünfte der Verwaltung zu verstehen. Dies liegt unter anderem daran, dass die von Behörden verwendete Sprache oft sehr technisch-formell und dadurch schwer verständlich ist.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, gibt es in Deutschland gesetzliche Vorschriften zur digitalen Barrierefreiheit. Seit Herbst 2020 ist die öffentliche Verwaltung zum Beispiel verpflichtet, ihre Internetauftritte barrierefrei zu gestalten. Doch wie lassen sich solche Vorgaben in der Verwaltungspraxis umsetzen?
Eine interessante Möglichkeit, um beiden Zielen – mehr Digitalisierung und mehr Barrierefreiheit – näher zu kommen, bieten Chatbots in leichter Sprache. Spätestens seit das Unternehmen Open AI den Chatbot „ChatGPT“ auf den Markt gebracht hat, sind die digitalen Assistenzsysteme sogar ein Thema in der Kantine oder beim Familientreffen. Denn sie sind, wie ChatGPT zeigt, sehr vielseitig für Kommunikationsprozesse einsetzbar und liefern immer bessere Resultate. Auch für die öffentliche Verwaltung können Chatbots von großem Nutzen sein. Um ihr Potenzial allerdings vollständig auszuschöpfen, ist es wichtig, dass Chatbots Informationen in leichter Sprache vermitteln können.
Leichte Sprache ist kein Nischenthema
Bei leichter Sprache handelt es sich um einen vereinfachten Sprachstil, der nicht nur Wortschatz und Satzstruktur, sondern auch typografische Aspekte, wie Schriftgröße und Kontrastfarben, betrifft. Was oft übersehen wird: Leichte Sprache ist alles andere als ein Randphänomen, sondern von erheblicher Bedeutung für einen großen Teil der Bevölkerung. Rund acht Millionen Menschen in Deutschland sind auf sie angewiesen, um vollständig am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Das belegt, wie sehr Digitalisierung und Barrierefreiheit miteinander verbunden sind und daher gemeinsam vorangetrieben werden müssen.
Die Entwicklung von Chatbots in leichter Sprache steckt allerdings noch weitgehend in den Kinderschuhen. Obwohl ChatGPT bereits gute Ergebnisse bei der Zusammenfassung komplexer Inhalte liefert, ist das digitale Assistenzsystem noch nicht in der Lage, konsequent Empfehlungen in leichter Sprache auszugeben.
Mehr Barrierefreiheit und Verständlichkeit
Doch Chatbots bergen enorme Potenziale. In einer Publikation aus dem vergangenen Jahr hat das Programm „Digitalisierung und Gemeinwohl“ der Bertelsmann Stiftung aufgezeigt, dass sowohl die Verwaltung und ihre Mitarbeitenden als auch die Bürger davon profitieren können. Zunächst einmal eröffnen Chatbots in leichter Sprache einen verbesserten Zugang. Nicht nur für Menschen mit weniger ausgeprägten Lese- und Schreibfähigkeiten stellt das sogenannte „Beamtendeutsch“ eine Herausforderung dar. Indem sie in leichter Sprache kommunizieren, sorgen Chatbots für mehr Barrierefreiheit und Verständlichkeit.
Dabei unterstützen Chatbots nicht nur die Kommunikation als solche, sondern können dazu beitragen, dass der Austausch überhaupt zustande kommt. Denn viele Menschen haben Hemmungen, mit einer Behörde in direkten Kontakt zu treten. Chatbots in leichter Sprache können diese Ängste abbauen, weil sie einen Anruf oder Besuch überflüssig machen und stattdessen positive Erfahrungen im Umgang mit der Verwaltung hervorbringen können.
Ein weiterer Vorteil von entsprechenden Chatbots besteht darin, dass sie Verwaltungsmitarbeitende dabei unterstützen, ihre Arbeitszeit effizienter einzusetzen. Der Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung nimmt von Jahr zu Jahr zu, was dazu führt, dass das vorhandene Personal unter steigender Arbeitsbelastung leidet.
Chatbots können dabei helfen, vergleichsweise einfache und wiederkehrende Auskünfte automatisiert zu erteilen. Auf diese Weise werden die Mitarbeitenden entlastet und können sich auf komplexere Anfragen konzentrieren, bei denen eine individuelle Beratung nötig ist.
Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Chatbots in leichter Sprache
Um die Potenziale von Chatbots in leichter Sprache zu nutzen, sind insbesondere zwei Erfolgsfaktoren zu beachten. Die Informationsangebote der öffentlichen Verwaltung sind oft fragmentiert und bauen nicht aufeinander auf. Chatbots müssen deswegen erstens in die gesamte Informationsarchitektur der öffentlichen Verwaltung eingebunden werden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass die Inhalte, auf die sie verweisen, auch in leichter Sprache abrufbar sind.
Damit die Chatbots auch wirklich die Bürger erreichen, ist es zweitens essenziell wichtig, diese Technologie-Anwendungen partizipativ zu entwickeln. Das bedeutet, dass bei der Entwicklung solcher digitalen Assistenzsysteme Menschen mit geringer Literalität so früh wie möglich eingebunden und an Funktionstests beteiligt werden.
Chatbots können einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, die öffentliche Verwaltung digital und barrierefrei zu machen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Schlussendlich kommt es aber, wie so oft, auf die Bereitschaft zur Umsetzung an.
Weitere Informationen:
Dr. Felix Sieker
Project Manager für Digitalisierung und Gemeinwohl
Bertelsmann Stiftung
Tel.: +49 30 275788-156
felix.sieker@bertelsmann-stiftung.de