Wald und Wind – so passt‘s zusammen
Im südhessischen Heidenrod gelingt der Kampf gegen den Klimawandel mit einem FSC-Zertifikat in Kombination mit der Windkraft
Die südhessische Gemeinde Heidenrod ist seit fast zwanzig Jahren FSC-zertifiziert. Im Gespräch erzählt Bürgermeister Volker Diefenbach, wie die Bewirtschaftung des Kommunalwaldes und zwölf Windkraftanlagen miteinander vereinbar sind.
Windkraftanlagen und nachhaltige Forstwirtschaft: Auf den ersten Blick ist jede Maßnahme für sich betrachtet eine wichtige für eine klimagerechte Zukunft. Beides miteinander vereinen? „Man greift doch stark in die Natur ein, wenn Windkraftanlagen im Wald aufgebaut und unterhalten werden − schließlich müssen Flächen gerodet und befestigte Wege für Schwertransporte gebaut werden“, könnte der erste Impuls von Kritikern sein. Aber was ist nun, wenn Verantwortliche beides möchten? Die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile von Windkraftanlagen, aber auch ein FSC-Zertifikat, das nachhaltiges und sozial verantwortliches Waldmanagement bestätigt?
Gemeinde in Hessen als Vorbild
„Kein Problem“ sagt Volker Diefenbach, Bürgermeister der Gemeinde Heidenroth im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Die Waldflächen seiner Gemeinde, insgesamt über 6000 Hektar, sind seit 2004 FSC-zertifiziert. 2014 wurden auf diesen Waldflächen zwölf Windräder installiert, die die Gemeinde selbst betreibt. Diese produzieren Strom für 24.000 Haushalte. „Wir haben uns schon sehr früh dem Thema Energiewende und Klimaschutz gewidmet. FSC hat bei der Absicht, Windräder zu betreiben, keine starke Rolle gespielt. Wir wandeln den Wald dauerhaft um, damit er klimastabil wird. Dabei sehen wir die Windräder nicht als Teil unseres Forstbetriebes. Für die sechs Hektar, die wir für die zwölf Windräder gerodet haben, haben wir eine gleich große Fläche wieder aufgeforstet. Wir haben dabei aber klar gesagt, dass die Windanlagen-Flächen zu Gewerbe- und Industrieanlagen werden“. Die FSC-Anforderungen müsse man also klar von den Flächen der Windanlagen trennen. „Auf diesen Flächen findet keine Waldbetreuung und -bewirtschaftung mehr statt“, so Diefenbach.
Langfristig überwiegen die positiven Aspekte von Windkraft
Statt sich auf die Eingriffe zu fokussieren, die durch Windkraftanlagen im Wald vorgenommen werden, schaut Volker Diefenbach auf die positiven Aspekte – vor allem in einer langfristigen Perspektive: „Wir haben sehr positive Erfahrungen mit den Windanlagen gesammelt. Natürlich stellt so eine Anlage einen Eingriff in den Wald dar. Der fällt auf, vor allem wenn man sich gerne im Wald und in der Natur aufhält. Aber ich habe damals massiv dafür geworben, vor allem da das Ökosystem Wald durch den Klimawandel im Ganzen infrage steht. Wenn wir da keinen Beitrag leisten, dann müssen wir uns auch vorwerfen lassen, dass wir uns aus einer falsch verstandenen Abwägung heraus diesem Thema nicht gewidmet haben. Der Klimawandel ist nun auch bei uns mit voller Wucht angekommen. In den letzten vier Jahren haben wir 18 Prozent unseres Fichtenbestandes verloren. Die wichtigste Frage ist daher: Was nimmt man in Kauf, wenn man nichts tut? Wie lange können wir Wald hier in Mitteleuropa noch erleben, wenn sich die Folgen des Klimawandels so wie befürchtet einstellen?“
FSC bietet Lösungsansätze
Es sei daher essenziell, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Wälder in Deutschland erhalten bleiben. FSC biete da eine gute Lösung, so Diefenbach. „Ich habe die tiefe Grundüberzeugung, dass FSC eine gesellschaftlich tragfähige und sinnstiftende Standardsetzung für Wälder in Deutschland ermöglicht. Bei der Auswahl der Flächen für die Windräder konnten wir uns an den FSC-Kriterien orientieren. Auch kann einem FSC helfen, die herausfordernden Einflüsse der neuen Waldränder, die durch die Flächenrodungen entstehen, durch eine sinnvolle Waldbewirtschaftung abzumildern. Zwei bis drei Jahrzehnte braucht der Wald schon, um sich davon zu erholen. Wir haben aber Maßnahmen ergriffen, beispielsweise die vorzeitige Unterpflanzung der Ränder. Da sieht man schon jetzt, zehn Jahre später, gute Erfolge.“
Auch soziale Aspekte sind beim Waldmanagement mit FSC relevant: Für Gemeinden ab tausend Hektar ist vorgeschrieben, dass diese ihre Bürgerschaft in alle wichtigen Entscheidungen miteinbezieht. „Die Beteiligung der Bürgerschaft spielt bei uns eine immense Rolle. Wir in Heidenrod haben, bevor wir mit der Planung angefangen haben, den Bürgerinnen und Bürgern in Form eines Bürgerentscheides die Wahl gegeben: Sind Sie bereit, einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende zu leisten, indem Windkraftanlagen bei uns installiert werden?“ So konnten Rückfragen und Vermutungen im Vorfeld geklärt werden. Es ging dabei um eine echte Teilhabe, so Volker Diefenbach: „Ich glaube, es war den Bürgern wichtig, dass noch keine fertige Planung besteht. Das hat dazu geführt, dass wir 88 Prozent Zustimmung bekommen haben. Dadurch waren wir in unserem weiteren Vorgehen legitimiert.“
FSC und Windkraft sind also durchaus miteinander vereinbar und wirken sich im Verbund sogar positiv auf Wirtschaft, Umwelt und Teilhabemöglichkeiten der Bevölkerung aus – wenn man, wie von Diefenbach erläutert, einige grundsätzliche Dinge beachtet.
Für die Zukunft der Windräder sieht Volker Diefenbach noch viel Handlungsbedarf. „Wir müssen Gas geben. Wer noch ernsthaft die Diskussion führt, ob wir etwas tun sollten um den Klimawandel abzubremsen, sollte einen Blick in unsere Mittelgebirge werfen. Als verantwortliche Waldeigentümer müssen wir die Flächen zur Verfügung stellen. Und auch die Bevölkerung vor Ort muss akzeptieren, dass sich das Landschaftsbild verändern wird. Deswegen glaube ich, dass das Thema Windkraft im Wald große Zukunft haben muss. Ob es das haben wird? Das wird noch spannend.“