Von der Kreislaufwirtschaft mit Reifen lernen
So läuft’s rund im Klimaschutz
Etwa die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen geht auf die Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen zurück. Städte produzieren dabei 50 Prozent des weltweiten Abfalls. Umso wichtiger ist auf kommunaler Ebene der Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die Abfälle vermeidet, Emissionen spart und Ressourcen schont. Wenn deutsche Kommunen Maßnahmen für eine verbesserte Kreislaufführung von Produkten und Materialien umsetzen, ist das für NRW-Umweltminister Oliver Krischer „ein wichtiger Booster für den Klimaschutz“.
Ein Paradebeispiel für die Umsetzung einer klimaschonenden Circular Economy, von der Kommunen profitieren und lernen können, liefert die Reifen-Kreislaufwirtschaft. Die Allianz Zukunft Reifen (AZuR) engagiert sich mit über 70 Partnern dafür, gebrauchte Reifen und ihre Rohstoffe durch Reparatur, Runderneuerung sowie stoffliche und chemische Verwertung im Wertstoffkreislauf zu halten.
In Deutschland fallen jährlich fast 85 Millionen Altreifen (rund 525.000 Tonnen) an. Die Tendenz ist angesichts der Zulassungszahlen von Kraftfahrzeugen, die 2023 erstmals die Marke von 69 Millionen erreichte, steigend. Je mehr dieser Reifen und der darin enthaltenen Rohstoffe im Wertstoffkreislauf gehalten werden, desto besser für Klima, Mensch und Umwelt. Mit der Reparatur, Runderneuerung sowie der stofflichen und chemischen Verwertung von Altreifen können in Deutschland jährlich hunderttausende Tonnen Abfälle vermieden, CO2-Emissionen gespart und natürliche Ressourcen (vor allem Kautschuk) geschont werden.
Die Reifen-Kreislaufwirtschaft zahlt sich mit kurzen Transportwegen und Lieferketten auch sozio-ökonomisch aus, erhöht die Wertschöpfung in den Kommunen, sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze vor Ort und reduziert die Abhängigkeit von Rohstoff-Importen. Daran zeigt sich, wie der Ressourcen- und Klimaschutz mit ökonomischen Verbesserungen auf kommunaler Ebene Hand in Hand geht.
Runderneuerung als Königsweg
Alleine die Runderneuerung spart nach einer AZuR/DBU-Studie des Fraunhofer Instituts UMSICHT gegenüber der Neureifenherstellung über 60 Prozent CO2-Emissionen ein. Für die Runderneuerung werden zudem zwei Drittel weniger Rohstoffe (vor allem Kautschuk) und 50 Prozent weniger Energie (Strom und Gas) benötigt. Neben ihrem klaren Vorsprung in der Ökobilanz bietet die Runderneuerung gesamtwirtschaftliche Vorteile. Davon können Kommunen mühelos profitieren, indem sie die Fahrzeuge ihrer Fuhrparks sukzessive mit runderneuerten Reifen ausstatten.
In Deutschland durchlaufen runderneuerte Reifen für Pkw, Transporter, Lkw und Nutzfahrzeuge aller Art zahlreiche Sicherheits- und Qualitätskontrollen und erfüllen die hohen Anforderungen der ECE R108/R109. Die verfügbaren Profilvarianten decken alle Einsatzbereiche und Achspositionen ab – auch im Busverkehr, Nutzlast-Verkehr und im Baustelleneinsatz. Die Laufflächenprofile runderneuerter Reifen entsprechen denen von Neureifen. Bei identischer Qualität, Sicherheit und Performance bieten runderneuerte Reifen den Kommunen und Betrieben der öffentlichen Hand Kostenvorteile von bis zu 30 Prozent.
Die aktuellen EU-Kriterien für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung im Bereich Straßenverkehr führen runderneuerte Reifen seit Juni 2023 auch für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und ihre Anhänger an. Das ermöglicht Behörden, Kommunen und öffentlichen Betrieben die rechtssichere Ausstattung sämtlicher Fahrzeuge mit runderneuerten Reifen.
Da Bundesbehörden nach Paragraf 45 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) dazu verpflichtet sind, bei der Beschaffung Produkte zu bevorzugen, die rohstoffschonend, energiesparend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm oder recyclingfähig sind, sollten runderneuerte Reifen und Recyclingprodukte aus Reifen-Gummigranulat bei Ausschreibungen und Anschaffungen der öffentlichen Hand verstärkt berücksichtigt werden.
Vielseitige Wiederverwertung von Altreifen
Derzeit werden in Deutschland über 40 Prozent der Altreifen stofflich verwertet. Aus dem Gummigranulat von Altreifen (rund 75 Prozent des Reifens) wird eine Vielfalt nachhaltiger Recyclingprodukte für den kommunalen Einsatz hergestellt. Die klimafreundlichen Produkte sind langlebig, witterungsbeständig, rutschfest, pflegeleicht und in Form wie Farbe individuell anpassbar. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig. So verbaut der Kreis Recklinghausen bereits seit 2007 bei Straßensanierungen gummimodifizierten Asphalt.
Hier eine Auswahl der Einsatzmöglichkeiten:
- Laufbahnen für Sportplätze
- Fallschutzböden für Spielplätze und Spielgeräte
- Wetterfeste Böden für Wege, Plätze und Terrassen
- Trittschalldämmungen und Schwingungsisolierungen
- Einfassungen und Begrenzungen von Wegen und Beeten
- Elastikschichten moderner Kunstrasen
- Schallschutzwände und Sichtschutzwände
- Schutzlagen für Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen
- Wetterfeste Lampen, Vasen und Designobjekte
- Gummimodifizierter Asphalt
Neben der stofflichen Verwertung gibt es noch die Pyrolyse, bei der Reifen in ihre chemischen Bestandteile zerlegt werden. Auch die thermische Verwertung, bei der Reifen zur Energiegewinnung verbrannt werden, spielt eine Rolle. Außerdem arbeitet eine lange Reihe von Universitäten und wissenschaftlichen Instituten mit der Allianz Zukunft Reifen, kurz: AZuR, zusammen und erforscht neue Möglichkeiten.