Die Wärmewende als Chance
Pyrolyse-Anlagen nutzen biogene Reststoffe für grüne Fernwärme
Die Wärmeerzeugung soll zukünftig ohne fossile Energieträger auskommen. Was viele Kommunen als große Herausforderung sehen, ist aber im Grunde eine Chance. Denn moderne Pyrolyse-Anlagen bieten den kommunalen Energieversorgern neben der Dekarbonisierung und einer Kreislauflösung sogar die Möglichkeit einer zusätzlichen Einnahmequelle. Durch die dezentrale Verkohlung von Biomasse-Reststoffen können Kommunen eigene grüne Fernwärme produzieren und hochwertige Pflanzenkohle sowie CO2-Zertifikate gewinnen.
Die Firma PYREG GmbH aus dem Hunsrück macht sich dabei ein jahrhundertealtes Verfahren der Verkohlung von Biomassen zu nütze und baut skalierbare High-Tech-Anlagen, die weltweit zum Einsatz kommen. So einfach das Verfahren, so groß ist die Kunst eine Anlage zu entwickeln, die vielstofffähig ist und damit eine große Bandbreite an biogenen Reststoffen in einem kontinuierlichen, industriellen und zudem autothermen Prozess zu Pflanzenkohle und regenerativer Energie (Strom, Heißwasser oder Dampf) verarbeitet. Diese Energie kann als klimaneutrale Energie in Nah- oder Fernwärmenetze eingespeist werden. „Unsere Anlagen können je nach technischer Auslegung zwischen 80 und 140 Grad Celsius anbieten“, sagt Marcel Rensmann, Leiter technischer Vertrieb der PYREG GmbH. Und er fügt hinzu „Gerade im Fall kommunaler Wärmenetze auf einem Temperaturniveau von 80 bis 90 Grad Celsius kann es sinnvoll sein, mit einer integrierten ORC-Anlage zu arbeiten und zunächst erneuerbaren Strom zu erzeugen und aus der Abwärme der ORC-Anlage das Nahwärmenetz zu speisen. Diese einzigartige Lösung ermöglicht eine Erzeugung von 80 bis 100 Kilowatt elektrischer und 500 bis 600 Kilowatt thermischer Energie, während die Anlage selbst nur etwa 30 Kilowatt elektrische Energie benötigt. Mit anderen Worten: Mit dieser einzigartigen Kombination lässt sich erstmalig ein energieneutrales und CO2-negatives Nahwärmekonzept realisieren.“
Darüber hinaus trägt die aus Reststoffen erzeugte Pflanzenkohle zur Wirtschaftlichkeit der Anlage bei. Denn: Die qualitativ hochwertige sogenannte Biochar verfügt auf Grund ihrer porösen Struktur über eine große innere Oberfläche und daher über die Eigenschaften eines Schwammes. Sie speichert Wasser sowie Nährstoffe und wird daher weitverbreitet als hochwertiger Bodenverbesser in der Landwirtschaft eingesetzt.
Der Clou dieses Verfahrens ist schließlich, dass der in der Biomasse durch Photosynthese gebundene Kohlenstoff in der Pflanzenkohle dauerhaft gespeichert wird. Durch die Einbringung zum Beispiel im Ackerbau entsteht dann eine dauerhafte Kohlenstoffsenke.
Die in der sogenannten Biochar gebundene CO2-Menge kann damit zertifiziert und das entsprechende Zertifikat im freiwilligen Markt gehandelt werden. So entsteht ein Geschäftsmodell für Kommunen – direkt oder indirekt mit einer Full-Service-Betreiberbetreibergesellschaft, indem aus eigener Kraft wirksam dekarbonisiert wird und CO2 Einsparungsziele erreicht werden.
Aus der Praxis: Dekarbonisierung des Fernwärmenetzes Grevesmühlen:
Die Kooperation zwischen den Stadtwerken Grevesmühlen und dem Hamburger Cleantech-Unternehmen Novocarbo zur Dekarbonisierung des kommunalen Fernwärmenetzes ist ein aktuelles Beispiel gelungener Transformation. Es wurde 2023 mit dem ZfK-Nachhaltigkeitsaward in der Kategorie „Energie“ für herausragende Anstrengungen für den Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz geehrt.
Der Carbon Removal Park Baltic Sea in Grevesmühlen ist eine ganzheitliche Verbindung von klimaneutraler Wärmeerzeugung und CO2-Entnahme. Pro Jahr erzeugt der Betreiber Novocarbo dort mit der hochmodernen Pyrolyse-Technologie von PYREG 6.600 MWh klimaneutrale Wärme, indem er pflanzliche Reststoffe wie Feinsieb-Biomasse aus regionalen Waldhackschnitzeln zu jährlich rund 1.700 Tonnen Pflanzenkohle verarbeitet. Diese kommt Kreisläufe schließend als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft zum Einsatz.
Den Namen Carbon Removal Park verdient sich das Projekt, weil die beiden PYREG PX 1500 jährlich zudem 3200 Tonnen CO2aus der Atmosphäre entziehen. Denn der in der Biomasse vorhandene Kohlenstoff wird gebunden und in der Pflanzenkohle dauerhaft gespeichert. Die beim Pyrolyse-Prozess entstehende klimaneutrale Abwärme speisen die Stadtwerke Grevesmühlen in ihr Fernwärmenetz ein. Jens Wilms, Projektentwicklung Stadtwerke Grevesmühlen: „Dadurch können wir ein BHKW abschalten und den Energieträger Erdgas einsparen und die Fernwärme für rund 1800 angeschlossene Haushalte grüner machen. Hier sehen wir ein großes Potenzial insbesondere für kleinere und mittlere Stadtwerke, weil sich die Dekarbonisierungs-Technologie leicht adaptieren und skalieren lässt. Der Energieversorger errichtet nur die Wärmetransportleitung und spart sich zusätzliche Investitionskosten ein, was eine kurzfristige Umsetzung ermöglicht.“