Die Wohnung hat geöffnet. Inmitten einer Fülle von Produkten wandern die Augen vom Flur, zur Küche, ins Bad bis hin zum Wohn- und Schlafzimmer. Die Vielfalt animiert zum Anfassen und buchstäblichem Begreifen der kleinen und großen Alltagshelfer. Ob mit oder ohne Handicap – von Aufstehhilfen über Kleidungsknöpfer bis hin zum WC-Dusch-Aufsatz findet hier jeder Anregungen für mehr Lebensqualität. „Das ist unser Erlebnispark für den Alltag“, stellen sich Maren Koffler und Manuela Fleig von der Beratungsstelle Alter & Technik des Landkreises Schwarzwald-Baar vor. In dieser Wohnung sind sie sozusagen zu Hause.

Nach vorhergehender Anmeldung bieten beide kostenlose und neutrale Beratungen in der Musterwohnung oder bei den Kunden daheim an. Wer in Ruhe testen möchte, kann einen Großteil der mobilen Produkte ausleihen. Wenn nicht anders möglich, bringen die Beraterinnen die gewünschte Auswahl auch nach Hause.

 

Selbst ist der Mann (links) – mit der Produktvielfalt gibts fast keine Ausreden mehr. Außer vielleicht bei der Treppe, das kein leichtes Spiel ist für Maren Koffler – trotz Treppensteighilfe.
Selbst ist der Mann (links) – mit der Produktvielfalt gibts fast keine Ausreden mehr. Außer vielleicht bei der Treppe, das kein leichtes Spiel ist für Maren Koffler – trotz Treppensteighilfe.

 

Barrierefreie Musterwohnung zeigt Alltagshelfer

Seit fünf Jahren gibt es dieses Angebot in der 70 Quadratmeter großen Wohnung mit über 200 Produkten, die auf Infoblättern zum Mitnehmen über Funktionen, Preis, Anbieter und mögliche finanzielle Zuschüsse erklärt werden. Die Idee für ein Beratungskonzept über Hilfen für Ältere begann mit einer Projektförderung. Im Anschluss installierte das Landratsamt eine Vollzeitstelle für die Fachberatung.

An den Start ging das Projekt mit einem Musterkoffer voller Produkte, die Senioren ein längeres Wohnen zu Hause ermöglichen sollten. Der Beratungsbedarf wurde größer, der Koffer reichte nicht mehr aus. Der Gedanke an eine Musterwohnung wurde schnell geboren, die heute eine von vier ähnlichen Angeboten in Baden-Württemberg ist. Postwendend wurde die Idee von der Gosheimer Hildegard-und-Katharina-Hermle-Stiftung prämiert und das Preisgeld in geeignete Produkte investiert. Ein Sammelsurium an Ideen füllte eine große Excelliste. Die meisten Produkte fanden über Sponsoring oder Ausschreibungen ihren Platz in der Musterwohnung. Neutralität ist dabei oberstes Gebot. Das bedeutet, alle geeigneten Produkte müssen Berücksichtigung finden. Sind weder Sponsoring noch Ausleihe möglich, werden die notwendigen Gelder im Haushalt des Landratsamtes eingeplant.

Aus der Beratungsstelle wurde 2017 durch einen Verbund mit den benachbarten Landkreisen Rottweil und Tuttlingen das Beratungszentrum Alter & Technik, koordiniert von Maren Koffler. Bewohner der drei Landkreise werden kostenlos beraten, Interessenten aus anderen Regionen zahlen je nach Aufwand. Durchschnittlich 50 Mal sind Maren Koffler und Manuela Fleig auch kreuz und quer mit Zollstock und Produktbroschüre im Schwarzwald-Baar-Kreis unterwegs. Insgesamt betreuen fünf Beraterinnen (Carmen Kopf in Rottweil, Ulrike Betzler und Alexandra Loeffler in Tuttlingen) die drei Landkreise.

 

Doch beim Erproben der verschiedenen Haushaltshilfen merkt man, dass das Zeitunglesen durch die stufenlose Vergrößerung von Texten und Bildern ausgesprochen einfach sein kann, ebenso wie das Überwinden von kleinen Treppen.
Doch beim Erproben der verschiedenen Haushaltshilfen merkt man, dass das Zeitunglesen durch die stufenlose Vergrößerung von Texten und Bildern ausgesprochen einfach sein kann, ebenso wie das Überwinden von kleinen Treppen.

 

Mit Sammelleidenschaft kommen neue Produkte in die Ausstellung

Eine Übersicht über geeignete Produkte am Markt gibt es nicht. Und wie kommen Neuentwicklungen in die Musterwohnung? Das beginnt mit der Auswahl geeigneter Berater, die außer einer fachlich fundierten Ausbildung, beispielsweise als Gesundheitswissenschaftler, medizinische Fachangestellte, Gesundheits- und Sozialfachwirte, auch spezielle Voraussetzungen mitbringen müssen, die laut Maren Koffler entscheidend sind: „Sammelleidenschaft, Kreativität und Flexibilität. Wir müssen erfinderisch sein, gehen auf Messen und schauen in Werbeprospekte. Kleinigkeiten finden wir beim Discounter oder bitten unsere Kooperationspartner um Unterstützung. Auch Firmen informieren uns. Jedes in den Bestand aufgenommene Produkt wird vorher von uns oder einer Testperson geprüft. Nur wenn wir das Produkt als geeignet bewerten, nehmen wir es auf. “ In der Tat haben es zum Beispiel eine Ortungsuhr und ein Hausautomationssystem nicht geschafft, weil der Service extrem schlecht war.

 

Das Ehepaar Rosita (67) und Friedrich Le Maire (76) kennt die Musterwohnung genau und testet mit kritischem Blick: Das Sitz-, Aufsteh- und Pflegebett ist jedenfalls eine große Erleichterung.
Das Ehepaar Rosita (67) und Friedrich Le Maire (76) kennt die Musterwohnung genau und testet mit kritischem Blick: Das Sitz-, Aufsteh- und Pflegebett ist jedenfalls eine große Erleichterung.

 

Die AHA-Effekte kommen nach dem Ausprobieren

Maren Koffler und ihre Mitstreiter kennen auch Hemmschwellen, dann nämlich wenn sich Ältere nicht als pflegebedürftig sehen und den Weg zur Beratung erst suchen, wenn ihre Mobilität eingeschränkt ist. „Wichtig ist, früh genug Interesse zu wecken. Als Beraterinnen müssen wir sensibel erspüren wo es 'klemmt'. Auch jüngere Leute finden Ideen für mehr Komfort. Es gibt bei uns Produkte, die selbst wir daheim nutzen. Kaum jemand weiß beispielsweise, wie gefährlich einsame Wanderungen sein können und wie hilfreich ein Ortungssystem werden kann. Dann kommen die AHA-Effekte. Werden Vorteile erkannt, kommt Interesse auf.“

Ein entscheidendes Thema sei die Finanzierung, fügt Manuela Fleig den Badelifter als ihr Beispiel Nummer 1 an. „Er wird vom Hausarzt verordnet. Die Krankenkasse prüft die Notwendigkeit, genehmigt in der Regel und schickt ihren Vertragspartner, der sich um Einbau und die jährliche Wartung kümmert. Dann hören wir ein Ah oder Oh, denn viele konnten sich das nicht vorstellen und bedauern, nicht schon früher die Chance genutzt zu haben.“

Für Beratungen und Informationen gibt es reichlich Gelegenheit – in der Musterwohnung, beim Hausbesuch, in den Sprechstunden mit den Kollegen vom Pflegestützpunkt, in Vorträgen oder auf Ausstellungen. An zwei Sonntagen im Monat bieten Ehrenamtliche zusätzlich um 14 Uhr eine Führung durch die Musterwohnung an.

 

Garantiert saubere Gläser: In der bewegbaren Küche mit absenkbarer Arbeitsplatte werden die Gläser mit einer Gastronomie-Gläserbürste spiegelblank.
Garantiert saubere Gläser: In der bewegbaren Küche mit absenkbarer Arbeitsplatte werden die Gläser mit einer Gastronomie-Gläserbürste spiegelblank.

 

Weitere Informationen zur Musterwohnung BEATE:

Beratungszentrum Alter & Technik beim LA Schwarzwald-Baar-Kreis

Tel: +49 7721 9137074

Maren Koffler: m.koffler@lrasbk.de 

Manuela Fleig: m.fleig@lrasbk.de

Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis

Am Hoptbühl 2

78048 Villingen-Schwenningen

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