Jugendliche auf dem Land stehen vor mehreren Herausforderungen: Es fehlt oft an Freizeitangeboten, öffentlichen Treffpunkten und kulturellen Veranstaltungen. Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist oft schlecht. Auch Ausbildungs- und Jobchancen scheinen begrenzt zu sein, viele ziehen daher in Städte. Es kommt zu einer demografischen Schieflage. Daher ist es besonders wichtig, dass sich ländliche Kommunen und Gemeinden gezielt für den Nachwuchs einsetzen und ihn auch in ihre Arbeit miteinbeziehen. Was könnte hier noch besser laufen, was sollte man anders machen? Wie kann man Jugendliche für das kommunale Leben begeistern?

„Die Kommune ist neben Schule und Familie zentraler Lernort für Demokratie.“
Stefanie Wichmann ist Fachbereichsleiterin Jugendbildung und Schule bei der Jugendstiftung Baden-Württemberg.
Die Stiftung ist eine Organisation, die sich für die Förderung von Jugendbildung und gesellschaftlichem Engagement einsetzt.
Kinder und Jugendliche sind eine entscheidende Gruppe für die Zukunft ländlicher Räume.
Kommen sie nach der Ausbildung oder dem Studium zurück oder möchten sie woanders leben?
Wie verbunden und zufrieden sind sie mit ihrer Heimat?
Junges Ehrenamt und Jugendbeteiligung spielen hier eine wichtige Rolle.
In Zeiten, in denen unsere Demokratie unter Druck gerät, kommt der Jugendbeteiligung eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Kommune ist neben Schule und Familie der zentrale Lernort für Demokratie für Jugendliche. Wenn junge Menschen frühzeitig erfahren, dass ihre Stimme gehört wird, sie Einfluss nehmen können und aktiv miterleben, dass demokratische Prozesse anstrengend und lohnend zugleich sein können, steigert dies die Legitimität des demokratischen Systems, stärkt die Demokratie und die Verbundenheit mit dem Wohnort. Jugendbeteiligung lohnt sich also für alle.
Mitgestaltung fördern
Die Studie ‚Jugend im Ländlichen Raum Baden-Württembergs‘ (2022) hat die Lebenswelten und Zukunftsvorstellungen junger Menschen im Land untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche im Ländlichen Raum mit ihren Lebensbedingungen mehrheitlich zufrieden sind. Gleichzeitig wurde deutlich, dass sie mitdiskutieren und mitgestalten wollen und sich Verbesserungen bei Freizeitangeboten sowie in den Bereichen Mobilität und Digitalisierung wünschen. Es ist wichtig, diese Motivation und das Bedürfnis der jungen Menschen anzuerkennen und in Beteiligungsangeboten aufzugreifen.

Gerade kleine Kommunen sind mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, die Jugendbeteiligung erschweren können. Es fehlt häufig an geeigneten Räumlichkeiten, in denen sich Jugendliche treffen und austauschen können.
Feste Gremien wie Jugendgemeinderäte oder Jugendparlamente sind in kleinen Kommunen nur schwer umsetzbar. Zudem fehlt in der Verwaltung vielfach das Personal, um Jugendbeteiligung professionell anzustoßen und langfristig zu begleiten. Gleichzeitig bieten kleine Kommunen aber auch mit ihren lebhaften Vereinsstrukturen, engen sozialen Bindungen in der Gemeinschaft oder den kurzen Wegen gute Möglichkeiten, Jugendliche einzubinden und Gestaltungsspielräume zu schaffen.
Ehrenamtliches Engagement als Motor für Jugendbeteiligung in Kommunen
Die hohe Verbundenheit zum Ländlichen Raum zeigt sich auch in der Engagementbereitschaft junger Menschen. Die Anfang 2024 veröffentlichte Studie „Jung & engagiert im Ländlichen Raum“ hat das ehrenamtliche Engagement junger Menschen am Übergang zum Erwachsenenalter untersucht. 45 Prozent der Befragten aus der Oberstufe der allgemeinbildenden und beruflichen Gymnasien haben angegeben, sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich zu engagieren. Dieses Potential ist für Kommunen eine gute Basis und sollte genutzt werden, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu gehen, sie mitzunehmen und ihre Ideen und Wünsche ernst zu nehmen.
Was aber hält über die Hälfte der Jugendlichen auf dem Land davon ab, ein Ehrenamt zu übernehmen? Und was motiviert sie, sich zu engagieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich derzeit die Nachfolgestudie „Lust auf Ehrenamt wecken“, die Handlungsempfehlungen formuliert, wie noch mehr junge Menschen für ein Ehrenamt angesprochen und gewonnen werden können. Die Ergebnisse liegen Ende des Jahres 2025 vor.
Die Ansprache von Jugendlichen ist eine der zentralen Herausforderungen, damit Jugendbeteiligung auch langfristig gelingen kann. Die Schulen am Ort, Vereine, Jugendhäuser oder die Kirchengemeinde sind hierfür gute erste Anlaufstellen. Jugendgerechte Kommunikationswege können den Zugang und den Kontakt zur Zielgruppe erleichtern. Aufgrund von Umbrüchen in der Jugendphase, dem Wechsel auf weiterführende Schulen oder der Aufnahme von Ausbildung oder Studium ist die Gewinnung von Jugendlichen für die Beteiligung vor Ort eine kontinuierliche Aufgabe.

Um Jugendbeteiligungsprozesse nachhaltig in der Kommune aufzubauen, sollte vorab festgelegt werden, wer Ansprechpartner für die Jugendlichen ist, welche Beteiligungsformate generell möglich sind und welche Entscheidungsbefugnisse die Jugendlichen erhalten. Niedrigschwellige Formate wie ein Dorfspaziergang, ein Homepage-Check der Kommune oder auch ein Dialog mit dem Bürgermeister oder Mitgliedern aus dem Gemeinderat können ohne großen Aufwand und mit wenig Ressourcen geplant und umgesetzt werden, um konkrete Wünsche und Anregungen der Jugendlichen zu sammeln und Jugendbeteiligungsprozesse vor Ort zu starten.
Eine gute Möglichkeit ist, den Jugendlichen in diesen Formaten auch die Rolle der Moderation oder Leitung zu übertragen, um erste Berührungsängste zu nehmen und die Motivation anzuerkennen. Sind erste Angebote entwickelt und geplant, müssen Räume gefunden werden, wo neue selbstorganisierte Freizeitangebote stattfinden können. Hier sind vor allem auch die Vereine, Schulen oder die Kirche gefragt, die unterstützen können. Nicht zuletzt spielt die Ergebniswirksamkeit eine bedeutende Rolle. Jugendliche wollen erfahren, was aus ihren Ideen geworden ist. Eine transparente Kommunikation gibt Klarheit über den Stand von Projekten.
Einen Überblick über die Studien zur Jugend im Ländlichen Raum, über konkrete Beispiele für Jugendbeteiligungsformate und Materialien für die Umsetzung sind hier zusammengestellt unter: www.studie.land

Kontakt:
Jugendstiftung BW
Schloßstraße 23
74372 Sersheim
Tel.: +49 (0)7042 / 8317-0
info@jugendstiftung.de
www.jugendstiftung.de
Weitere Statements zum Thema von:
– Julian Schmidt von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung
– Johanna Vocht von STADTKULTUR Netzwerk Bayerischer Städte e.V.
Wir bedanken uns ganz herzlich dafür!
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Diskutieren Sie mit!
In welchen Bereichen können Jugendliche in ländlichen Kommunen selbst etwas bewirken?
Wo wünschen sich junge Menschen auf dem Land mehr Veränderungen?
Welche Unterstützung wünschen sie sich im Besonderen?
Und was motiviert sie, sich zu engagieren?
Welche Institutionen können hierzu Lösungen anbieten?
Wir sind gespannt auf Ihre/Eure Erfahrungen!