Autos bitte draußen bleiben
Oslos Weg zur Umwelthauptstadt Europas 2019

Wer mit der Fähre aus dem Süden nach Oslo kommt, sieht die Stadt schon aus der Ferne, wie sie sich am Ende des Fjords an die Hügel der umliegenden Berge schmiegt. In der Mitte die beiden mächtigen Rathaustürme, östlich davon die Festung Akershus und die letzten Reste des mittelalterlichen Oslos. Noch vor wenigen Jahren sah man außer einigen Industrieanlagen am Kai und der Holmenkollen-Skischanze hoch über der Stadt nicht viel mehr. Dieses Bild hat sich seit der Jahrtausendwende aber dramatisch verändert.
Schicke Wohnhäuser und imageträchtige Prachtbauten wie die Oper mit ihrem Marmordach oder die golden glänzende Deichmann-Bibliothek haben die Industriehäfen verdrängt. Das neue Oslo heißt inzwischen deshalb auch das „Manhattan Skandinaviens“. 2019 war Oslo Umwelthauptstadt Europas. Eine unfassbare Kraftanstrengung hat aus dieser einst sehr verschlafenen Hauptstadt eine der modernsten und umweltfreundlichsten Städte der Welt gemacht.
Schöne Landschaft, Armut und schlechte Luft
Oslo gehörte lange zu den kleinsten Hauptstädten der Welt. Die Stadt war stark von der traditionellen Armut des Landes geprägt. Die Bausubstanz war schlecht, die Straßen waren schmal. Es kam nicht von ungefähr, dass eines der berühmtesten Werke von Knut Hamsun „Hunger“ heißt. Als Hamsun das Buch schrieb, hieß Oslo noch Kristiania. „Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte“, lautet der erste Satz dieses Romans. Das Image der armen Hauptstadt eines armen Landes haftete an Oslo bis in die jüngste Vergangenheit. Allerdings veränderte sich das Land mit dem Öl radikal. Aus dem notleidenden Norwegen wurde eines der reichsten Länder der Welt. Oslo entwickelte sich parallel zur In-Stadt für Studenten, Zuwanderer und das neue wohlhabende Bürgertum. 1970 lebten nur 434.000 Menschen in Oslo – zur Jahrtausendwende waren es fast 700.000.
Obwohl die Stadt am Fjord liegt, wurde die Luft nun oft schlecht in Oslo. Dafür sorgte der Talkessel, in dem die Stadt eingebettet ist. Oslo musste gesünder, moderner und grüner werden. Aber wie? Eines war klar: Für eine bessere Zukunft musste in Oslo vieles verändert werden. Dazu kam die grundlegende Idee, Autos aus der gesamten Innenstadt einfach zu verbannen.

Eine Stadt ohne Autos – geht das überhaupt?
2015 versprach der Stadtrat, dass weite Teile von Oslo autofrei werden. Eine gründliche Vorarbeit war zu diesem Zeitpunkt bereits geleistet. Straßenbahnen, Busse und Fähren verbinden die Stadtteile. Neue Gebäude haben häufig keine Parkplätze mehr, wie zum Beispiel das 16-stöckige „Gullhaug Torg“ mit seinen zahlreichen Wohnungen und Büros. Die E-Mobilität wird stattdessen stark gefördert. E-Autos sind deshalb steuerfrei. Bereits 2017 waren über 20 Prozent aller Neuzulassungen E-Autos, inzwischen sind es rund 40 Prozent. Die Umstellung war nicht unproblematisch. Ladestationen mussten gebaut werden. Vermieter bekommen außerdem Zuschüsse, wenn sie in den Wohnanlagen Ladestationen einrichten. Außerdem hat Oslo bereits seit 1990 einen Maut-Ring. Die City-Maut beträgt je nach Art des Wagens und je nach Uhrzeit zwischen zwei und drei Euro. Oslo finanziert mit den Einnahmen unter anderem die zahlreichen Tunnelbauten. Mehrere führen unter der Stadt und unter dem Fjord hindurch. Wer heute von Ost nach West muss, braucht also nicht mehr durch die Stadt zu fahren. Dafür sorgen inzwischen vierzehn Tunnel mit einer Gesamtlänge von rund 23,5 Kilometern.

Parken statt Fahren
Oslo hat im Kampf gegen die Autos konsequent durchgegriffen und bereits 2016 fast 800 Parkplätze im Innenstadtbereich kurzerhand entfernt. Seit Sommer 2017 werden die parkplatz- und autofreien Bereiche in Spiel- und Treffplätze und in Kulturbereiche umgewandelt. Straßentheater und entspanntes Chillen auf Bänken zwischen Blumen und Pflanzen prägen nun das Stadtbild. Das war nur möglich, weil außerhalb der autofreien Zonen – die bis 2023 noch erweitert werden sollen – zahlreiche Parkplätze geschaffen wurden. Wer nach Oslo will, muss sein Auto stehen lassen und zu Fuß, per Fahrrad oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel in die Innenstadt. Wer in Oslo wohnt und trotz allem noch ein ganz normales Auto besitzt, wird zur Kasse gebeten. Ein Anwohnerparkplatz kostet rund 360 Euro pro Jahr. Wer einen Osloer privat besuchen will, muss rund fünf Euro pro Stunde zahlen – falls er überhaupt einen Parkplatz findet. Anwohnerparkplätze müssen außerdem beantragt und genehmigt werden. Nur E-Autos sind – je nach Stadtteil – von Parkgebühren befreit.

Oslo – smart City
Alle diese Umweltmaßnahmen haben dazu geführt, dass sich der Treibhausausstoß seit 1990 bereits um 50 Prozent verringert hat. Gleichzeitig wird die Stadt von Jahr zu Jahr smarter. Anträge, Maut, Parkplatzsuche – alles läuft in dieser Stadt elektronisch. WLAN gibt es in allen öffentlichen Verkehrsmitteln. Selbst die Bremsschwellen sollen in Zukunft „smart“ werden. In einem Testprojekt wird im Moment ihre Wirkung überprüft, denn sie erheben sich nur, wenn der Autofahrer zu schnell unterwegs ist. Man kann jederzeit per SMS ein E-Taxi anfordern oder sich über eine App darüber informieren, ob die Radwege verschneit oder in Ordnung sind. Wer wissen will, wann der nächste Bus kommt, braucht nur kurz in seinem Smartphone eine App aufzurufen. Behindertenparkplätze sollen in Kürze Behinderten-Autos elektronisch erkennen können und auch Lieferautos und andere kommerzielle Fahrzeuge sollen bald elektronisch überwacht werden, damit sie wirklich nur dann nach Oslo fahren, wenn sie eine Aufgabe zu erfüllen haben. Ein klein bisschen schummeln, Oslo? Auch das gehört bald zur Vergangenheit. [ raa ]

Weitere Informationen über Oslo:
zu Parkplätzen, Maut und aktuellen Verkehrsverordnungen innerhalb der Stadt:
https://www.oslo.kommune.no/gate-transport-og-parkering/
zur Stadtentwicklung https://www.oslo.kommune.no/byutvikling/#gref
Deutschsprachig für Touristen https://www.visitoslo.com/de/