OZG gibt dem öffentlichen Sektor den richtigen Weg vor
Da technische, personelle und organisatorische Hürden – aus Sicht der DSAG – in vielen Kommunen sehr hoch sind, müsste es einen stärkeren Austausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie nachhaltige Investitionen in digitale Infrastruktur geben, um Rückstande aufzuholen. Bild: Gerd Altmann / Pixabay
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist unverzichtbar. Initiativen wie das Onlinezugangsgesetz (OZG), das Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) und die Digitalstrategie der Bundesregierung sind sinnvoll und auch auf kommunaler Ebene bedeutend. Allerdings sind diese Maßnahmen allein nicht ausreichend, um eine vollständige Digitalisierung auf kommunaler, Länder- und Bundesebene zu erreichen. Es bedarf vielmehr eines fundierten Verständnisses von Digitalisierung auf den Führungsebenen der Behörden.
Im Zeitraum vom 23. Januar bis 13. Februar 2024 haben insgesamt 228 Personen an der DSAG-Investitionsumfrage teilgenommen. Pro Mitgliedsunternehmen wurde nur eine Person befragt. Dabei handelte es sich um CIO, CC-Leitende oder Ansprechpersonen ausschließlich aus Anwenderunternehmen. Elf Prozent der Befragten stammten aus dem öffentlichen Sektor.Bild: DSAG-Investitionsreport 2024
Am 14. Juni 2024 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) zugestimmt, das kurz zuvor vom Bundestag beschlossen wurde. Änderungen, die aus Sicht der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) mehr als notwendig waren. „Der schleppende Fortschritt bei der Umsetzung des OZG hat die anhaltenden Herausforderungen bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung offenbart“, so Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector. Er vertritt innerhalb des rund 4.000 Mitgliedsunternehmen und mehr als 68.000 Mitgliedspersonen zählenden Verbands mehrere hundert Länder, Städte und Kommunen, die zur Umsetzung ihrer Verwaltungsprozesse SAP-Lösungen einsetzen. Innerhalb des Arbeitskreises öffentliche Verwaltung allein sind über 1.100 Personen organisiert. Er ist eines der ältesten Gremien innerhalb des bereits seit mehr als 27 Jahren bestehenden Verbands. Bestätigt wird die Stagnation hinsichtlich der Digitalisierungsfortschritte auch durch den DSAG-Investitionsreport 2024. So gaben lediglich vier Prozent der Befragten an, sehr weit bei der digitalen Transformation zu sein. Als weit bezeichnen sich 40 Prozent.
Investitionen in digitale Infrastruktur
Innerhalb der DSAG spielt das OZG eine große Rolle, da auch an die Standardisierung von „Ende-zu-Ende-Prozessen“ gedacht wird. Ein Thema, dessen Komplexität jedoch zunächst unterschätzt wurde. Als die Bundesregierung im Mai 2022 die ursprünglich 575 zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen auf 35 priorisierte Projekte reduzierte, wurde das Ausmaß der Komplexität für die Behörden deutlich. Bis Ende 2022 konnten 33 dieser Projekte abgeschlossen werden – ein Indikator für die schwierige Umsetzung. „Die technischen, personellen und organisatorischen Hürden sind in vielen Kommunen sehr hoch“, fasst Hermann-Josef Haag zusammen. Aus DSAG-Sicht sind daher ein stärkerer Austausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie nachhaltige Investitionen in digitale Infrastruktur entscheidend, um den Rückstand aufzuholen. „Der ursprüngliche Zeitplan für die Umsetzung des OZG war zu ambitioniert, insbesondere da es an klaren Vorgaben hinsichtlich technischer Standards und rechtlicher Rahmenbedingungen mangelte. Einheitliche Datenmodelle und Authentifizierungsverfahren wurden nicht ausreichend definiert, was die Umsetzung zusätzlich erschwerte. Dabei hätte die Einbindung von Fachwissen aus der Praxis der öffentlichen Verwaltung eine größere Rolle spielen müssen.“ Umso begrüßenswerter ist die Anpassung des Gesetzes.
Hermann-Josef Haag, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Fachvorstand Personalwesen & Public Sector bei der DSAG, ist verantwortlich für die IT-Systeme bei der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation. Bild: Christian Buck
Digitalisierung Ende-zu-Ende denken
Viele Verwaltungsleistungen, wie jene mit Schriftformerfordernis, lassen sich schwer vollständig digitalisieren, und die Einführung digitaler Prozesse wird durch begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen sowie die Vielfalt an bestehenden Systemen in den Kommunen erschwert. Dementsprechend gibt es, was die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung anbelangt, noch Luft nach oben – auch unabhängig vom OZG. „Ein digitales Formular, das der Bürger ausfüllt und das dann in der Verwaltung in einen analogen Prozess übergeht, ist keine Ende-zu-Ende-Digitalisierung! Digitale Prozesse sind erst effizient, wenn sie zu Ende gedacht sind. Die innere Verwaltung muss ihre Prozesse ebenfalls anpassen. Erfreulicherweise berücksichtigt das OZG jetzt diesen Fakt.“
Wichtige Ansatzpunkte für eine umfassende
Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sind:
Standardisierte Vorgaben: Um Datenmodelle zu vereinheitlichen, sind klare Vorgaben unverzichtbar. Das Registermodernisierungsgesetz spielt hierbei eine zentrale Rolle, steht jedoch noch vor seiner vollständigen Umsetzung. Es ist entscheidend, um Bürger zu entlasten und mehrfache Dateneingaben zu vermeiden.
Digitalisierbarkeit von Gesetzen: Die Gesetzgebung muss stärker darauf ausgerichtet sein, von Anfang an digital umsetzbar zu sein.
Fachkräftemangel: Der Mangel an qualifiziertem Personal stellt eine große Herausforderung dar. Aufgrund der aktuellen Tarif- und Besoldungsstrukturen sowie eingeschränkter Rekrutierungsmöglichkeiten fällt es den öffentlichen Verwaltungen schwer, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren.
Vergaberecht: Das Vergaberecht auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene muss reformiert werden. Der bürokratische Aufwand bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist immens, was viele Unternehmen abschreckt.
KI als Wendepunkt?
Neben dem überarbeiteten OZG bieten auch die Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz (KI) der öffentlichen Verwaltung Chancen. So kann KI beispielsweise genutzt werden, um Prozesse zu automatisieren, wie etwa das Erkennen von Belegen und Dokumenten wie Studienbescheinigungen. Im Kontext von Smart Cities kann KI den Zustand von Straßen überwachen oder große Datenmengen, etwa Statistiken, analysieren und einfache Texte generieren. Auch der Einsatz von KI-gestützten Chatbots könnte Behördengänge vereinfachen und den Fachkräftemangel abfedern, indem manuelle Tätigkeiten wie das Verfassen von Briefen oder das Erstellen von Bescheiden automatisiert werden. Damit KI eine Schlüsseltechnologie wird, um Effizienz und Modernisierung im öffentlichen Sektor voranzutreiben, bedarf es einer klaren und praxisnah umsetzbaren staatlichen KI-Strategie, die den Datenschutz berücksichtigt sowie zeitnah und flächendeckend umgesetzt wird.
Weitere Informationen zum DSAG-Investitionsreport 2024:
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