Die Aktenberge schmelzen
Digitalisierung der Justiz schreitet voran / Papierkram hat bald ausgedient

In der Justiz haben Papierakten und Papierpost bald ausgedient. Allein in Baden-Württemberg werden jährlich über 2,5 Millionen gerichtliche Verfahren künftig vollelektronisch bearbeitet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Justizministerium Baden-Württemberg bereits im Jahr 2014 das Programm „eJustice“ ins Leben gerufen.
Baden-Württembergs Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf sagt dazu: „Die Digitalisierung der Justiz markiert einen historischen Meilenstein. Anträge und andere Schreiben können rein elektronisch bei Gericht eingereicht werden, die vollelektronische Übermittlung und Bearbeitung von Daten beschleunigt die Verfahren. All das erleichtert den Rechtschutzsuchenden den Zugang zum Gericht und wird zu kürzeren Verfahrensdauern beitragen.“
Die Digitalisierung der Justiz gründet auf zwei Säulen: auf dem elektronischen Rechtsverkehr und auf der elektronischen Akte. Im elektronischen Rechtsverkehr wird die Papierpost des Gerichts durch elektronische Post ersetzt. Elektronische Akten ersetzen Papierakten und werden rein digital geführt.
Der elektronische Rechtsverkehr
Zum 1. Januar 2018 wurde der elektronische Rechtsverkehr auf Grundlage des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs bundesweit in allen gerichtlichen Verfahren eröffnet. Seitdem können alle an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten – und damit auch kommunale Behörden – ihre jeweiligen Dokumente dem Gericht in elektronischer Form übermitteln. Allerdings kann für die elektronische Übermittlung nicht jeder beliebige Übermittlungsweg gewählt werden. Insbesondere ist eine Übersendung mit „einfacher“ E-Mail nicht zulässig.
Erlaubt sind nur die Übermittlungswege, die in der jeweiligen Verfahrensordnung ausdrücklich aufgelistet sind. Für Kommunen als Behörden sind vor allem die absenderbestätigte De-Mail und das auf der EGVP-Infrastruktur (EGVP steht für „Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach“) beruhende sogenannte besondere Behördenpostfach (beBPo) von Bedeutung.
Die elektronische Akte
Um Medienbrüche zu vermeiden, führt die baden-württembergische Justiz parallel zum elektronischen Rechtsverkehr die elektronische Akte „VIS Justiz“ ein. Die Pilotierung der elektronischen Akte startete mit einer ersten Version dieser Software im Jahr 2016 an ausgewählten Gerichten. Dabei wurde von Anfang an bewusst darauf verzichtet, die Akten parallel auch in Papier zu führen.
Die ersten beiden Pilotgerichte waren jeweils vier Kammern des Landgerichts Mannheims und des Arbeitsgerichts Stuttgart. Jetzt – knapp drei Jahre später – ist die Arbeitsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg vollständig auf die elektronische Aktenführung umgestellt, das heißt, in allen neu eingehenden Verfahren werden nur noch elektronische Akten angelegt. Post, die in Papier eingeht, wird gescannt und nach Ablauf einer bestimmten Frist vernichtet.

Umsetzung in Baden-Württemberg bis 2022
Auch in der gesamten Finanzgerichtsbarkeit wird in neuen Verfahren mittlerweile nur noch mit elektronischen Akten gearbeitet. Darüber hinaus wurde die elektronische Akte am Sozialgericht Karlsruhe, am Landessozialgericht, am Verwaltungsgericht Sigmaringen, am Verwaltungsgerichtshof und an mehreren Zivilgerichten aller Instanzen eingeführt. Das Justizministerium strebt an, die elektronische Gerichtsakte möglichst an allen Gerichten in Baden-Württemberg bis zum 1. Januar 2022 einzuführen.
Parallel zur Pilotierung der elektronischen Akte im Echtbetrieb wird die speziell auf gerichtliche Verfahren zugeschnittene Software stetig weiterentwickelt. Mittels eines Praxisbeirats aus Mitarbeitern der Gerichte und Staatsanwaltschaften aus verschiedenen Geschäftsbereichen wird jede Laufbahngruppe in die konzeptionelle Arbeit eingebunden.
Ziel einer engen Kooperation zwischen Behörden und Justiz ist es, eine elektronisch geführte Verwaltungsakte als strukturierte Akte medienbruchfrei und sicher durch das Gericht beiziehen zu können.
Um eine sichere elektronische Kommunikation zwischen Behörden und Justiz flächendeckend zu ermöglichen, wurde in Baden-Württemberg 2018 ein Kabinettsbeschluss gefasst, der – bisher einmalig in Deutschland – die Koppelung der Behördenkonten des Serviceportals www.service-bw.de mit der EGVP-Infrastruktur der Justiz zum Ziel erklärte.
Das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) ist aber noch viel mehr: Dahinter stehen eng aufeinander abgestimmte Infrastrukturkomponenten (XJustiz, SAFE, OSCI etc.), die alle Bereiche einer sicheren, authentifizierten und rechtsverbindlichen Übermittlung von Nachrichten abdecken.
Aufgrund des Kabinettsbeschlusses kann seit Jahresbeginn jede Behörde in Baden-Württemberg ihr Behördenkonto mit der Funktionalität eines sogenannten besonderen Behördenpostfachs (beBPo) einrichten und dieses für eine rechtsverbindliche und sichere elektronische Kommunikation mit der Justiz nutzen (siehe Schema oben). Das Justizministerium steht als Ansprechpartner für die Kommunen jederzeit zur Verfügung.

Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg
Schillerplatz 4
70173 Stuttgart