Die formvollendete Energiewende
Heidelberg erhält einen Energie- und Zukunftsspeicher voller Möglichkeiten

Dort, wo einst ein riesiger Gaskessel stand, entsteht im Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund seit Mai 2018 als Symbol der Energiewende ein Heizkessel im Großformat. Ganz nach dem Prinzip der Thermokannen wird er nach 2020 Fernwärme-Wasser speichern. Gleichzeitig lädt der Speicher dank einer faszinierenden Architektur die Heidelberger zum Erkunden und Verweilen ein.
Es wird einen Veranstaltungsraum für 200 Gäste, ein Restaurant und eine begehbare Terrasse geben. Auch die direkte Umgebung des Speichers gehört in Zukunft den Heidelbergern – hier entsteht ein Bewegungspark für Groß und Klein.
Die Fakten des Energie- und Zukunftsspeichers sind beeindruckend. Er wird 55 Meter hoch und damit Heidelbergs fünfthöchstes Gebäude. Als Speichertechnik wird ein atmosphärischer Zweizonenspeicher eingesetzt. Die untere Zone hat ein Volumen von 12.800 Kubikmetern.
Dort wird bis maximal 115 Grad heißes Wasser gespeichert. Da es bei dieser Temperatur üblicherweise verdampfen würde, wird im oberen Teil des Speichers kälteres Wasser eingelagert. So entsteht der nötige Druck, damit sich das Wasser bei über 100 Grad einlagern lässt.
Fachleute vergleichen den Speicher mit einer Thermokanne. Denn der riesige Speicher wird überschüssiges warmes Wasser nach dem Thermoskannenprinzip warm halten. Eine simple Idee mit großer Effektivität.

Wenn der Energiespeicher 2020 fertig ist, wird er nicht nur die Heizungstechnik im Großformat modernisieren – er wird auch ein architektonisches Highlight. Der bisher noch rostbraune Speicher erhält eine blaue Hülle, über die ein weites Netz mit kleinen Plättchen gezogen wird. Himmel und Wolken werden sich in den Plättchen spiegeln, und eine geschwungene Treppe hinauf zu Dachterrasse wird dem Gebäude zusammen mit dem Netz eine gewisse Leichtigkeit und Strudeloptik verleihen. Entworfen wurde die Anlage von der LAVA, dem „Laboratory for visionary architecture Berlin“. Weitere Partner sind unter anderem die A24-Landschaftsarchitektur und die Priedemann Fassadenberatung.
Ende März 2019 hatte der Behälter eine Höhe von vierzig Metern erreicht. Bevor 20 Millionen Liter Wasser den Innenraum des Speichers erstmals füllten, nutzten die Stadtwerke Heidelberg die Gelegenheit und luden die Öffentlichkeit in den vorübergehenden Klangraum ein. An drei Tagen konnten die Besucher die Baustelle besichtigen und im Inneren des Speichers einer Aufnahme einer A-cappella-Band lauschen. In diesen Tagen strahlte man den Kessel von außen blau an – so konnten die Gäste erahnen, wie optisch ansprechend der Kessel einmal sein wird.
Michael Teigeler ist Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft Stadtwerke Heidelberg Energie und der Kopf der Energiekonzeption 2020/2030, dem Plan der Stadtwerke Heidelberg für die Energiewende vor Ort. Der Energie- und Zukunftsspeicher ist ein Baustein aus der Energiekonzeption, mit der man bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien, die Fernwärme und die Anzahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte für E-Mobilität drastisch erhöhen will. Er hatte die Idee, den alten Gasspeicher-Bereich für die Zukunft fit zu machen. Der Energie- und Zukunftsspeicher ist die zweitgrößte Investition der Stadtwerke Heidelberg in der Energiekonzeption 2020/2030.

KOMMUNALtopinform: Wie lange dauerte es von der ersten Idee bis zur Verwirklichung?
Michael Teigeler: Die Energiekonzeption wurde im Jahr 2011 veröffentlicht. Darin wurde von Beginn an als Maßnahmenebene die Speicherung festgehalten. In den kommenden Jahren materialisierten sich die Überlegungen weiter. Schon 2012 war zum ersten Mal von einem Wärmespeicher die Rede. Im weiteren Verlauf haben wir uns verschiedene Alternativen angeschaut und Ideen entwickelt, doch bald war uns klar, dass der Energiespeicher als ein Meilenstein im entstehenden Energiepark Pfaffengrund entstehen und die Energiewende dort erlebbar machen sollte.
Es gab ja eine Ausschreibung. War sie für alle Ideen offen, oder waren Ideen zur Energiewende von vorne herein gefordert?
Es gab zunächst eine Orientierungsphase, in der wir uns verschiedene Ideen für die Gestaltung eines solchen Speichers angeschaut haben. Ein Energiepark und eine Gastronomie auf dem Speicherdach schien uns eine gute Lösung, um Lernen und Erleben gleichermaßen anzubieten – und auch, um den Bürgerinnen und Bürgern des Stadtteils Pfaffengrund, in dem der Energiepark liegt, eine neue Attraktion zu bieten. Dazu wurde dann ein architektonischer Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben.
Wie wird der Bau von der Bevölkerung angenommen?
Das Interesse ist unglaublich groß – die Resonanz übertrifft unsere Erwartungen. Wir haben Ende März drei Tage der offenen Baustelle durchgeführt, und rund 4.000 Menschen haben die Chance genutzt, um den Speicher vor der erstmaligen Befüllung mit 20 Millionen Liter Wasser zu besichtigen.
Es entsteht ja auch ein Bewegungspark – wird er zeitgleich Mitte 2020 fertig sein?
Er wird etwas später eröffnen, voraussichtlich Mitte 2021.
Der „Tag der offenen Baustelle“ war ein großer Erfolg, sind weitere Events dieser Art geplant?
Ja, spätestens im September 2020 zur 100-Jahr-Feier des Stadtteils Pfaffengrunds.
Wie hoch sind die Baukosten?
Die Baukosten für den Speicher und die Technik betragen circa 10 Millionen Euro.
Wird der Besuch Eintritt kosten oder wird er für die Heidelberger kostenfrei?
Wir wollen offen für die Bürgerinnen und Bürger sowie alle Interessierten sein. Deshalb wird der Besuch tatsächlich kostenfrei möglich sein.
Das Interview führte Ingrid Raagaard.

Weitere Informationen:
Stadtwerke Heidelberg GmbH
Kurfürsten-Anlage 42-50
69115 Heidelberg