Beim Rutenfest in Ravensburg kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen: Alte und junge, ärmere und reichere, gebürtige und zugezogene Ravensburger versammeln sich Ende Juli in der Altstadt. Sie verbindet die Freude an den gemeinsamen Festtagen und die emotionale Bindung an die Stadt. Viele Stadt(teil)- und Dorffeste entfalten eine ähnliche, inklusive Wirkung, weil sie das Gemeinsame fröhlich feiern. Insbesondere Kommunen können inklusiv wirken, indem sie eine verbindende Identifikation mit dem geteilten Lebensraum fördern. Die politisch Verantwortlichen sollten dafür einstehen, dass alle Menschen zum örtlichen Gemeinwesen dazugehören.

 

Und im oberschwäbischen Ravensburg ist jedes Jahr im Juli das Rutenfest ein großer Anziehungspunkt für alle Bürger jeden Alters.
Und im oberschwäbischen Ravensburg ist jedes Jahr im Juli das Rutenfest ein großer Anziehungspunkt für alle Bürger jeden Alters.

 

Vielfalt begreifen und gestalten

Dies ist von erheblicher gemeinschaftsstiftender Bedeutung, da das Verbindende in unserer Gesellschaft schwindet, weil sie diverser wird: Eindeutige Milieuzugehörigkeiten lösen sich auf, Formen von Religiosität und sozialen Beziehungen haben sich pluralisiert. Zudem wird das Konsum- und Freizeitverhalten heterogener und unterschiedliche Gruppen sind eingewandert. Durch diese vielfältige Vielfalt unterscheiden sich Lebensstile zunehmend, was eine Fülle an interpersonalen Unterschieden erzeugt. Gerade deshalb ist es wichtig, als Kommune das Gemeinsame und Verbindende zu gestalten.

Außerdem gilt es angesichts der vielen Unterschiede, den Umgang mit Andersartigkeit und Vielfalt einzuüben. Dies ist zum einen notwendig, weil der Kontakt zwischen den gesellschaftlichen Gruppen schwindet. Zum anderen kommt es in einer diversen Gesellschaft zwangsläufig zu einer Konfrontation mit fremden Mentalitäten und Erscheinungsformen. Dies kann bereichernd, aber auch überfordernd und beängstigend wirken.

Wie aber kann der Umgang mit Andersartigkeit gelingen? Neben Bildung ist vor allem brückenbildendes Sozialkapital relevant. Das beschreibt soziale Beziehungen, die über Eigengruppen, wie die Familie, hinweg verbindend wirken. Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie zeigen, dass sich durch kooperativen Kontakt zu Menschen, die einer anderen Gruppe angehören, Vorurteile gegenüber dieser Gruppe verringern. Wir müssen einander kennenlernen, um Fremdheit zu überbrücken und isolierte Parallelgemeinschaften zu vermeiden. Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, ist demnach ein kommunales Handeln gefordert, das die Interaktion verschiedener gesellschaftlicher Gruppen fördert.

 

Das Stadtfest am Marktplatz in Tübingen lädt immer wieder zum Schlendern, Essen und Trinken, aber vor allem zum Plaudern ein.
Das Stadtfest am Marktplatz in Tübingen lädt immer wieder zum Schlendern, Essen und Trinken, aber vor allem zum Plaudern ein.

 

Treffpunkt Stadtmitte

Das Zentrum einer Kommune, vielerorts ein historischer Marktplatz, bietet sich als Kontaktraum an. Dafür muss es lebendig gestaltet werden. Auf zentralen Zonen können attraktive und niedrigschwellige Begegnungsformate stattfinden. Dabei sollten verbindende Tätigkeiten im Mittelpunkt stehen, wie Feste, Märkte, Sport- oder Kulturevents sowie Gedenkfeiern zur Erinnerung der gemeinsamen Geschichte.

Um unterschiedliche Gruppen im Ort anzusprechen, bietet es sich an, viele unterschiedliche lokale Gruppen bei der Vorbereitung von Veranstaltungen einzubeziehen. Diese werden wiederum ihre Peer-Groups zum Event mitbringen. Zum Beispiel durchmischen sich Menschen bei Festivitäten ganz automatisch, wenn diverse Essensstände, Musik- und Tanzgruppen eingebunden werden. Ein wichtiges Mittel ist auch die Vernetzung der sozialen Infrastruktur (Schulen, Mehrgenerationenhäuser, Vereine, Gastronomie, Kirchengemeinden, kulturelle Einrichtungen), um so gemeinsame Projekte anzustoßen. Dafür können Räume und Ansprechpersonen bereitgestellt werden.

Um als Ortszentrum Verweilqualität und Treffpunktcharakter zu erlangen, bedarf es einer ansprechenden räumlichen Gestaltung. Dafür sollten Autos die Menschen nicht auf enge Gehwege verdrängen und durch Lärm und Abgase Stress auslösen. Vielmehr braucht es großzügige und verkehrsberuhigte Plätze, Grünflächen und Fußgängerzonen mit Sitzmöglichkeiten. So werden Menschen dazu eingeladen, sich entspannt aufzuhalten und zu erholen, zu flanieren und sich in Ruhe zu begegnen. Aus diesem Grund sollten Innenstädte nicht zu charakterlosen Konsummeilen verkommen, wo monotone und austauschbare Schaufenster von großen Handelsketten jeden Charme vertreiben. Stattdessen gilt es eine interessante und vielfältige Landschaft an kleinen und großen Geschäften, Galerien und ansprechender Gastronomie zu etablieren, die menschenfreundliche Einzigartigkeit ausstrahlt.

 

Damit sich Menschen wohl fühlen können, sollte der Innenstadtbereich sicher und sauber gehalten sein. Je vielfältiger eine Gesellschaft ist, desto sensibler ist deren Sicherheitsbedürfnis. Es muss auf die Vermittlung und Einhaltung von Regeln geachtet werden, damit sich alle trotz der Unterschiede fair behandelt fühlen. Um Sicherheit zu gewähren ohne Vitalität zu ersticken, ist ein Balanceakt zwischen Freiraum und Regeldurchsetzung nötig.

Oftmals sind Kinder ein Katalysator für ein besseres Miteinander. Kinder spielen unabhängig von äußeren Unterschieden miteinander und bringen zudem Erwachsene dazu, sich neu auf das Gemeinwesen einzulassen. Viele Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel begleiten die Kinder in die Kita, den Kindergarten oder eben zum Festumzug des Rutenfests.

 

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