Eine Weltleitmesse wird digital
Rückblick zur Bau Online im Januar 2021: Messe-Feeling am Monitor, geht das?

Die Messe „BAU“, die alle zwei Jahre auf dem Münchner Messegelände stattfindet, gilt weltweit als die größte Fachmesse für Architektur und als einer der wichtigsten Termine für Bauherren, Anbieter, Planer und Baustoffhändler. 2019 kamen an den sechs Messetagen rund 213.000 Fachbesucher aus aller Welt. 2250 Aussteller zeigten die neuesten Trends der Branche. Die BAU im Januar 2021 sollte all das noch einmal übertrumpfen. Aber im Sommer 2020 war klar, dass die Messe München umdenken muss, wenn die Veranstaltung überhaupt stattfinden sollte.
Aus der BAU 2021 wurde deshalb die „BAU Online“. Es gab die Messe – aber nur auf dem Monitor. Mit einer enormen Kraftanstrengung wurde aus einem beliebten Treffpunkt und Event ein vielfältiges und facettenreiches digitales Angebot. Die freie Journalistin Ingrid Raagaard hat sich im Auftrag von KOMMUNALtopinform auf der Bau Online umgesehen.
Ein digitales Erlebnis
Die digitale Präsentation war überwältigend, die Registrierung als Teilnehmer oder Gast simpel und praktisch. Per Passwort eröffnete sich dem digitalen Gast ein umfangreiches Angebot an Ausstellern und Produkten. Die Plattform war so logisch aufgebaut, dass es keiner weiteren Erklärungen bedurfte. Auf einer Seite waren alle Aussteller und Produkte gelistet – sortiert nach Namen, Produkt oder Themenbereich. Auf einer anderen Seite gab es per Video die neuesten Innovationen der Branche zu bewundern. In einem weiteren Bereich der Online-Messe konnte man sich über die insgesamt 1495 Live-Präsentationen informieren und zu Konferenzen und Workshops anmelden – alles natürlich rein digital. Das Messegelände in München blieb dabei leer. Die teilnehmenden Aussteller präsentierten sich von ihrem Büro aus oder nahmen an Konferenzen in einem Berliner Studio teil. Auf einem Tageskalender waren alle Live-Events übersichtlich eingetragen.
Besonders wichtig für Interessenten war jedoch die Möglichkeit der „1:1-Termine“. Alle Aussteller boten digitale Gespräche an, Interessenten buchten eine bestimmte Zeit und schon konnten sie mit dem Anbieter „zoomen“ oder „skypen“. Alles in allem erwartete den Gast ein rundum geglücktes digitales Erlebnis.
Trotzdem gab es leider einige Minuspunkte. Wer die Bau Online als Interessent oder Gast besuchte, musste sich viel Zeit nehmen. Dazu kommt, dass stundenlanges Sitzen vor dem Monitor um einiges anstrengender als ein realer Messebesuch ist. Außerdem fehlte jenes typische Aha-Erlebnis, wenn man bei einem Rundgang im Messegelände intuitiv die neuen Trends erfasst und erkennt. Zu guter Letzt dürfte es für kleinere Unternehmen ein nicht zu überwindender Kraftakt gewesen sein, sich digital per Video zu präsentieren. Viele nahmen deshalb gar nicht teil.

Ernüchternde Zahlen
Eine nach der Bau 2019 durchgeführte Umfrage hatte gezeigt, dass für 56 Prozent der Aussteller der Erfahrungsaustausch besonders wichtig war. 69 Prozent legten Wert darauf, dass sie bestehende Geschäftsbeziehungen auf dem Messegelände pflegen konnten. Auch diese Punkte dürften bei der digitalen Ausgabe der Messe leider zu kurz gekommen sein.
Die Gesamtergebnisse der Bau Online sind – vielleicht nicht zuletzt auch deshalb – ernüchternd. Nur 247 Aussteller nahmen an der Messe teil. 38.325 Teilnehmer besuchten die Messe über ihren Monitor. Im Vergleich zu 2019 war die Messe also um rund 90 Prozent geschrumpft. Trotzdem war das Interesse größer als erwartet. Vor allem die Internationalität der Teilnehmer kann begeistern: Sie kamen aus 136 verschiedenen Ländern.
Beachtenswert: Die Aussteller boten insgesamt 4316 Eins-zu-eins-Gespräche an – wie viele wirklich geführt wurden, ist nicht bekannt. Auch wenn die Zahlen im Vergleich zu früheren analogen Messen ernüchternd scheinen mögen, zeigt die verhältnismäßig große Teilnahme doch, dass eine digitale Messe durchaus ihre Berechtigung hat. Vielleicht kann sie sogar in Zukunft als zusätzliches Angebot für jene dienen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht nach München reisen können. Die Messe München kann jedenfalls zu Recht stolz darauf sein, dass sie dieses Digital-Event in so kurzer Zeit realisieren konnte.
Reinhard Pfeiffer, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München, sagte abschließend: „Wir haben unseren Kunden und Partnern eine Brücke zur Bau 2023 geboten.“ Es war ein gelungener Brückenbau. [ raa ]

