Wenn der deutsche Bundestrainer für den Bereich Para Skilanglauf und Para Biathlon, Ralf Rombach, am Nordic-Center Notschrei ins Freie und in den dann hoffentlich vorhandenen Schnee tritt, dann geht ihm das Herz auf. Gut 1100 Meter über dem Meeresspiegel riecht und schmeckt die Luft anders, rein und klar. Dort oben fällt die Weite sofort ins Auge. Menschen, die dem Langlauf verbunden sind, können es dann kaum erwarten, sich die Ski unter die Füße zu schnallen und anzuschieben oder loszuskaten, hinein in die Loipe.
Für Rombach und seine Schützlinge ist der Notschrei so etwas wie die zweite Heimat – die andere liegt unten in Freiburg, am Olympiastützpunkt an der Dreisam. An die-
sen beiden Orten (und in den norditalienischen Alpen in Livigno, wo sie häufig im Trainingslager sind) holen sie sich die Grundlagen für die meistens von Dezember bis März laufende Wettkampf-Saison.

 

Die Stuttgarterin Anja Wicker mit ihrem Sitzski fahrend und rechts am Schießstand beim Para Biathlon in Östersund
Die Stuttgarterin Anja Wicker links mit ihrem Sitzski und rechts am Schießstand. Para Biathlon funktioniert nach denselben Prinzipien wie Biathlon für Menschen ohne Behinderungen. Ihr Gewehr bekommen die Athleten am Schießstand von einem Helfer gereicht.

Die Jungen dringen ins Rampenlicht

In den vergangenen beiden Wintern sorgte die deutsche Mannschaft für mächtig Begeisterung. Das hängt viel mit den Jungen im Team zusammen. Im Para Ski nordisch gibt es drei Kategorien. In der sitzenden Kategorie starten Rollstuhlfahrer und stark gehbehinderte Sportler in einem auf ihre individuellen körperlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Schlitten. Die stehende Konkurrenz ist für Athleten mit leichteren Behinderungen an den Beinen oder Einschränkungen an einer oberen Extremität. Sehbeeinträchtigte fahren mit einem Guide, der sie per Kommando über die Strecke leitet; beim Biathlon schießen sie nach Gehör – mithilfe eines Infrarotsystems, das ihnen per Akustiksignal anzeigt, wie nahe sie dem Ziel sind.
In eben jener Kategorie sammelten die in Nürtingen geborene Linn Kazmaier (17) und Leonie Walter (19) aus St. Peter im Hochschwarzwald bei den Paralympics in Peking und den Weltmeisterschaften in Östersund fleißig Medaillen, darunter acht goldene. Marco Maier, 23, aus Blaichach im Allgäu wurde im Januar 2023 in Schweden zum dreifachen Weltmeister in der stehenden Konkurrenz gekürt.
Es sind Triumphe, die für Aufmerksamkeit in der deutschen Sportlandschaft gesorgt haben und die den Bundestrainer freuen. Doch der betont immer wieder: „Erfolge sind nicht das Wichtigste.“ Ralf Rombach ist jemand, der stets langfristige Entwicklungen im Blick hat, dem es um die sportliche Betätigung an sich geht und um das, was aus ihr erwächst: Selbstbewusstsein, veränderte Blickwinkel – neue Perspektiven.

 

Nach dem Biathlon gewann Marco Maier (links) auch im Langlauf Gold bei der Nordischen-Para-Ski-WM in Östersund.
Endlich im Ziel! Nach dem Biathlon gewann Marco Maier (links) auch im Langlauf Gold bei der Nordischen-Para-Ski-WM in Östersund.

Der Datenschutz baut Hindernisse auf

Die Bemühungen des Deutschen Behindertensportverbands und des in Kirchzarten beheimateten Vereins zur Förderung Para Ski nordisch sind deshalb auch stark darauf ausgerichtet, an Nachwuchs zu kommen, beispielsweise über Aktionstage wie am 3. Dezember 2023 bei „Skitty World Nordic“ im Europa-Park Rust. Leider – und das betrifft andere Para Sportarten genauso – stoßen sie bei der Nachwuchssuche oft an Grenzen. „Viele Kinder mit Behinderung wissen nicht, dass es uns gibt und wir wissen nicht, wo wir sie gezielt ansprechen können, weil wir aus Datenschutzgründen keinen Zugriff auf sie bekommen“, bedauert Ralf Rombach. Dabei ist der Bundestrainer überzeugt, dass der Para Sport gerade bei in Regelschulen gehenden Kindern und Jugendlichen mit Behinderung viel kompensieren könnte, was der Schulsport nicht in der Lage ist zu leisten.
So sind Rombach und sein Trainerteam auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen, auf engagierte Menschen, die dem potenziellen Nachwuchs von den Möglichkeiten des Para Sports erzählen – und von der Aufmerksamkeit über Medien, die wiederum an Erfolgen hängt. Der erste Weltcup dieses Winters findet ausnahmsweise erst Mitte Januar in Pokljuka (Slowenien) statt, als weitere Stationen sind Toblach und Val di Fiemme (beides Italien) geplant, bevor im März 2024 die Para Biathlon-WM und das Weltcup-Finale in Prince George (Kanada) steigen. Das deutsche Team ist heiß auf die Saison. Die Vorbereitungen in Livigno, Freiburg und am Notschrei waren schön, aber auch lang.

 

Linn Kazmaier und ihr Guide Florian Baumann beim WM-Jubel
Linn Kazmaier und ihr Guide Florian Baumann beim WM-Jubel

 

Weitere Informationen:
www.notschrei-loipe.de
www.nordski.de/sport/para-skilanglauf.html

 

Internetseite des Loipenzentrums Notschrei
Internetseite des Loipenzentrums Notschrei: Ihren Bundesstützpunkt haben die nordischen Wintersportler mit Behinderung in Freiburg und am Notschrei im Südschwarzwald.

 

Die Stübenwasenspur gehört zum 40 Kilometern langen Loipennetz am Notschrei (1119 m).
Die Stübenwasenspur gehört zum 40 Kilometern langen Loipennetz am Notschrei (1119 m).

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