Der Biologe und Geograf Dr. Gerhard Bronner ist kommunaler Umweltbeauftragter und Vorsitzender des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV). Er untersucht die Auswirkungen der Windkraft auf Natur und Landschaft und sucht nach Lösungen.

 

Die Energiewende und der Ausbau der Windkraft sind in jedem Fall notwendig

Gerhard Bronner ist Biologe, Geograf und kommunaler Umweltbeauftragter und Vorsitzender des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV).
Gerhard Bronner ist Biologe, Geograf und kommunaler Umweltbeauftragter und Vorsitzender des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV).

Gerhard Bronner: „Wenn man es richtig macht, ist Umweltschutz mit Windenergie vereinbar.“

„Windkraft wirkt sich auf zwei Arten auf Naturschutzbelange aus: Sie verändert das Landschaftsbild und sie kann bestimmte Tierarten schädigen. Viele Tierarten sind mittlerweile nach EU-Recht streng geschützt. Das Landschaftsbild dagegen ist objektiv schwer fassbar und rechtlich sehr schwach geschützt.
Ein Phantom dagegen ist die Gesundheitsschädigung durch Infraschall. Jedes beweg-
te Teil produziert Infraschall – die Belastung durch Haushaltsgeräte ist aber um ein Vielfaches höher als durch Windkraftanlagen. Die Theorie der Gesundheitsschädigung geht auf eine fehlerhafte Studie der Bundesanstalt für Geo-wissenschaften zurück, die sich um das 64-Fache(!) verrechnete.
Der Konflikt mit dem Landschaftsbild lässt sich nicht ganz lösen: Windkraftanlagen sind technische Bauwerke und sie lassen sich nicht verstecken. Hier kommt es auf die richtige Standortwahl an. Eine Gruppe von Anlagen auf der Hochfläche der Schwäbischen Alb, der Ostabdachung des Schwarzwaldes oder in der Hohenloher Ebene beeinträchtigt das Landschaftsbild weniger als eine über Dutzende Kilometer sichtbare Anlage auf einer isolierten Bergkuppe oder am Albtrauf. Zu sagen „am Landschaftsbild darf keine Anlage scheitern!“ ist nicht mit dem Naturschutzgesetz vereinbar, das die Landschaft ebenso als Schutzgut ansieht wie die Arten. Gerade auch für die Akzeptanz der Windkraft ist es wichtig, die Auswirkungen auf das Landschaftsbild anzuerkennen und zu minimieren.

Müssen wir uns entscheiden zwischen Windkraft und Artenschutz? Etwa 100.000 Vögel kommen jährlich an Windkraftanlagen zu Tode – das scheint viel, steht aber jeweils rund 50 Millionen toten Vögeln durch Katzen und durch Kollision mit Glasscheiben gegenüber. Ob wirklich ganze Populationen einzelner Vogelarten durch Windkraft geschädigt werden, ist ungeklärt. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, bei der Standortwahl der Anlagen wichtige Lebensräume und Zugvogelrouten zu vermeiden.

 

Baustelle mit Kran, auf der eine Windkraftanlage montiert wird
Das Problemt mit dem Landschaftsbild lässt sich leider nicht ganz lösen: Windkraftanlagen sind sehr große, technische Bauwerke. Sie verändern Landschaften nachhaltig.

 

Der kürzlich eingeführte generelle Vorrang des Ausbaus der Windkraft vor Naturschutzbelangen ist ein Bruch mit dem bisherigen Planungsrecht. Er ist der Blockade vieler Planungen durch das individuenbezogene Tötungsverbot im EU-Recht geschuldet – einer sehr fragwürdigen Regelung. Dennoch wäre dieser Vorrang gar nicht nötig gewesen: auch wenn man Naturschutzbelange ernst nimmt, findet man noch genug windhöffige Standorte ohne wesentliche Artenschutzkonflikte. In Baden-Württemberg z. B. 10 Prozent der Landesfläche. Maßvolle Verluste von Fledermäusen und windkraftsensiblen Vögeln können dann hingenommen werden, wenn die betreffenden Arten durch Artenschutzprogramme insgesamt gestützt werden. Das ist eigentlich beschlossene Sache, die jetzt jedoch durch Kürzungen im Naturschutzhaushalt wieder infrage steht.

Der Konflikt zwischen Artenschutz und Windkraft könnte weiter schrumpfen durch fortgeschrittene Detektionstechnik. Wenn Sensoren in den Anlagen herannahende Milane erkennen und die Anlagen herunterfahren, werden die Schlagopfer deutlich abnehmen. Wohl eher nicht mit EU-Recht vereinbar ist die neue Regelung im deutschen Naturschutzgesetz, dass solche Abschaltungen unterhalb einer Zumutbarkeitsgrenze liegen müssen. Das heißt im Klartext: Wenn die Wirtschaftlichkeit der Anlage gefährdet ist, dürfen auch ein paar Milane und Fledermäuse mehr erschlagen werden. Vermutlich werden Gerichte diese Regelung korrigieren.
Die Notwendigkeit der Energiewende und damit des Ausbaus der Windkraft sind unbestritten. Sie ist auch möglich, ohne dass wir deswegen eine einzige Art opfern müssen.“

 

 

Kontakt:
Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V.
Olgastraße 19
70182 Stuttgart
Tel.: +49 711 2489-5520
info@lnv-bw.de
www.lnv-bw.de

 

Weitere Statements zum Thema von:
Frank Musiol, Naturschutzforscher im Team Windenergie des ZSW Baden-Württemberg
Claudia Bredemann, Referentin für Planung und Akzeptanz, Fachagentur Windenergie an Land. e. V.
Jürgen Busse, Geschäftsführer der Bayerischen Akademie für Verwaltungsmanagement

Wir bedanken uns ganz herzlich dafür!

 

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Lässt sich Umweltschutz auch mit Windenergie sinnvoll umsetzen?
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