Frank Musiol leitet im Team Windenergie des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) die Naturschutzforschung. Das ZSW wurde 1988 als gemeinnützige Stiftung gegründet, sowohl das Land Baden-Württemberg als auch mehrere Universitäten und Unternehmen sind Stiftungsmitglieder.

 

Es gibt größere Gefahrenquellen für Greifvögel als Windkraftanlagen

Frank Musiol ist Naturschutzforscher bei Windenergie des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).
Frank Musiol ist Naturschutzforscher bei Windenergie des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).

Frank Musiol: „Die Frage suggeriert, dass die Windenergie ein gravierendes Problem darstellt.“

„Die Frage an sich wird meines Erachtens der Windenergienutzung nicht gerecht. Suggeriert sie doch, dass die Nutzung der Windenergie ein gravierendes Problem für den Naturschutz darstellt. Bei genauerer Betrachtung ist das gar nicht der Fall. Nehmen wir einmal das Kollisionsrisiko für Vögel, für das Windenergieanlagen oft an den Pranger gestellt werden. Ein solches Risiko ist unbestreitbar vorhanden und muss so weit wie möglich gesenkt werden. Sieht man jedoch einmal genauer hin, so wird schnell klar, dass andere Gefahrenquellen, allen voran Verkehrswege und Gebäude beziehungsweise Fensterscheiben, ein zum Teil um Größenordnungen höheres Kollisionsrisiko für Vögel darstellen.
Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Windenergieanlagen um eine zusätzliche Gefahrenquelle. Zudem stehen oftmals besonders schützenswerte Vogelarten wie Seeadler, Schwarzstorch oder Rotmilan im Fokus, weshalb Lösungen gefunden werden müssen, deren Risiko zu minimieren. Eine sorgfältige Standortwahl ist dafür immer der wichtigste Faktor. So sollten im Nahbereich von Brutstätten gefährdeter Vogelarten keine Windenergieanlagen errichtet werden.

Da sich der Aktionsradius von Vögeln aber nicht auf den Nahbereich ihrer Brutstätten beschränkt, müssen auch darüber hinaus Schutzmaßnahmen getroffen werden. Bewährt hat sich, die direkte Umgebung von Windenergieanlagen für Greifvögel durch bestimmte Bodengestaltungen unattraktiv machen. Denn gibt es für sie keinen Grund, die Nähe von Windenergieanlagen aufzusuchen, so geraten sie auch weniger in Gefahr. Zudem werden Windenergieanlagen heute in der Regel abgeschaltet, wenn in ihrer direkten Umgebung landwirtschaftliche Maßnahmen wie insbesondere Ernte oder Mahd stattfinden, die Vögel für die Beutejagd anlocken.

 

Ein Rotmilan-Greifvogelpaar im Flug
Ein Rotmilan-Greifvogelpaar im Flug

 

Neu in den Fokus gerückt sind in letzter Zeit zudem technische Systeme, die Vögel erkennen und aktiv Schutzmaßnahmen wie einen Anlagenstopp auslösen können. Solche auf Kamera- oder Radartechnik beruhenden Systeme wenden künstliche Intelligenz zur Erkennung der Vögel an und können diese zielgenau und artspezifisch schützen. Erste Systeme konnten dies bereits unter Beweis stellen und zeigten beeindruckende Leistungsfähigkeiten. Und die technische Entwicklung in diesem Bereich ist derzeit rasant. Es besteht deshalb die berechtigte Hoffnung, dass der Konflikt zwischen der Windenergienutzung und dem Artenschutz zukünftig mit Hilfe solcher Antikollisionssysteme sehr weitgehend gelöst werden kann.

Zu guter Letzt dürfen wir aber auch nicht aus den Augen verlieren, warum wir die Windenergie überhaupt ausbauen. Die Energiewende ist das wichtigste Instrument, unsere Treibhausgasemissionen zu verringern und damit dem Klimawandel entgegenzuwirken. Eine ungebremste Erderwärmung hätte unabsehbare Folgen nicht nur für uns, sondern auch für die Biodiversität. Zwar mag es Arten geben, die sich gut anpassen können oder sogar profitieren. Es dürfte aber unstrittig sein, dass der Klimawandel das Artensterben weiter beschleunigen wird. Deshalb ist die Windenergienutzung unter dem Strich mehr Lösung als Problem für den Naturschutz.“

 

Windkraftanlagen auf Bergen im winterlichen Schwarzwald
Auf den Bergspitzen und -kämmen von Mittelgebirgen wehen regelmäßig stärkere Winde, die zur Stromerzeugung genutzt werden können.

 

Kontakt:
Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)
Meitnerstraße 1
70563 Stuttgart
Tel.: +49 711 78 70-0
Fax: +49 711 78 70-100
info@zsw-bw.de
www.zsw-bw.de

 

Weitere Statements zum Thema von:
Claudia Bredemann, Referentin für Planung und Akzeptanz, Fachagentur Windenergie an Land. e. V.
Gerhard Bronner, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV)
Jürgen Busse, Geschäftsführer der Bayerischen Akademie für Verwaltungsmanagement

Wir bedanken uns ganz herzlich dafür!

 

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Lässt sich Umweltschutz auch mit Windenergie sinnvoll umsetzen?
Welche Voraussetzungen müssten hierzu beachtet werden?

Wir sind gespannt auf Ihre/Eure Erfahrungen!

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