Freizeitgebiet dank Hochwasserschutz
Wie im bayerischen Rohrbach aus der Not eine Tugend wurde

Nomen est Omen. Für die 5000-Einwohner-Gemeinde Rohrbach in Oberbayern trifft das wirklich zu. Rohrbach bedeutet „Schilf-Bach“. Die Gemeinde liegt zwar mitten im Hopfenanbau-Gebiet Holledau, aber auch im sumpfigen Einzugsgebiet des Flüsschens Ilm. So sind die Häuser und Anwesen von stolzen Hopfenfeldern umgeben, aber auch von zum größten Teil trocken gelegten Sumpfgebieten.
Nach einer Reihe von Bausünden im 20. Jahrhundert – die Ilm wurde begradigt, der Sumpf entwässert und bebaut, die nahen Autobahnen angelegt – rächte sich die Natur: Rohrbach wurde ein leichtes Opfer für Hochwasser. Die Gemeinde reagierte konsequent: Ein neuer Hochwasserschutz hält zukünftige Katastrophen nun ab – und bietet den Rohrbachern außerdem ein ungewöhnliches Naherholungsgebiet.
Das katastrophale Hochwasser
Im Ilm-Tal hatte man schon immer Angst vor verheerenden Hochwassern. Der kleine Donau-Nebenfluss kann bei starkem Regen und bei Schneeschmelze zu einem reißenden Gewässer werden. Die alten Bauernhöfe, Kirchen und Burgen entstanden deshalb immer auf Hügeln. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verwarf man diese gute alte Bauernregel, weil die Gemeinden immer mehr Zuwachs bekamen. Sümpfe wurden trockengelegt, neue Wohnanlagen entstanden. So auch in Rohrbach.
Am 13. April 1994 kam es schließlich zur Katastrophe. Nach langen Regenfällen und bei gleichzeitiger Schneeschmelze ging die Ilm über die Ufer. Fast alle Ortschaften entlang der Ilm standen unter Wasser. Auch Rohrbach versank in den Fluten und musste schwere Schäden hinnehmen.
Vielseitiger Hochwasserschutz
Nach der Katastrophe von 1994 wurde im Bayerischen Landtag ein umfassender Hochwasserschutz für das gesamte Ilm-Tal beschlossen. Mit einer Studie wurde genau analysiert, in welchem Gebiet der Ilm welche Maßnahmen nötig waren. Für Rohrbach sollten gleich mehrere dieser geplanten Veränderungen greifen.
Die Bauarbeiten begannen 2005 und kosteten insgesamt fast 20 Millionen Euro, die der Freistaat Bayern, der Bezirk Oberbayern, die Gemeinde Rohrbach und die Deutsche Bahn zu unterschiedlichen Anteilen trugen. Eigentümer ist der Freistaat Bayern.
Rohrbach erhielt neue Deiche. Außerdem wurden viele Wege erhöht und zwei Schöpfwerke und Pumpanlagen gebaut. In der Nähe des Bahnhofs entstand ein Rückhaltebecken – ein kleiner künstlicher See. Seit 2011 sind die wichtigsten Baumaßnahmen abgeschlossen. Allerdings muss die Ilm an einer Stelle noch in ihre ursprüngliche Form zurückgeführt werden.

Schlittschuhlaufen und Wandern
Rohrbach sieht heute anders aus als noch vor zehn Jahren. Natürlich kam es – vor allem während der Bauphase – auch zu Kritik seitens der Bevölkerung. Das hat sich mittlerweile gelegt. Peter Kremer ist Geschäftsführer der Gemeinde Rohrbach. Er sagte gegenüber KOMMUNALtopinform: „Die Anlage wird nun gut angenommen. Im Winter wird das Rücklaufbecken zur Eislaufbahn. Die Kinder gehen hier Schlittschuhlaufen. Die langen Wartungswege an den Dämmen sind inzwischen Wanderwege, die viele Leute für ausgiebige Spaziergänge nutzen.“
Aber eine solche Anlage muss auch gepflegt werden. Die Gemeinde hat dazu einen 40-jährigen Wartungsvertrag mit dem Freistaat Bayern abgeschlossen: Rohrbach macht die Pläne für die Wartung und führt sie aus, die Rechnungen zahlt der Freistaat. „Für die technischen Anlagen am Wehr und bei den Pumpen haben wir zwei feste Mitarbeiter. Aber für die Dammpflege, für das Mulchen und Mähen, holen wir uns Hilfe.“
Zeitweise entstanden auch unerwartete Schwierigkeiten. So machte sich das heimische Schilf sehr schnell breit. Frösche siedelten sich an. Doch während sich die einen freuten, waren die anderen vom ununterbrochenen Quaken der Frösche genervt. Außerdem reagierte das Wasseramt besorgt. Das Wasser muss im Notfall abfließen können – ein Biotop mit Schilf ist dafür nicht geeignet. Das Schilf musste entfernt werden. Und damit die Frösche nicht zur Froschplage werden, wurden Fische ausgesetzt, die Froschlaich lieben.
Das Hochwasser von 2013 – die Anlage hielt!
Kritische Töne gab es in Rohrbach bis zum Juni 2013. Dann kam die große Stimmungswende. Ein riesiges Tiefdruckgebiet über Norditalien führte zu heftigen Regenfällen in ganz Bayern. Vielerorts kam es zu Überschwemmungen. Sechs Tage lang waren alle Rettungsmannschaften im Einsatz. In einigen anderen Ilm-Gemeinden kam es zu Schäden, aber in Rohrbach konnte dank der neuen Anlage eine Katastrophe vermieden werden. Das Rückflutbecken und die Dämme hielten stand.
Der Einsatz und die Ausgaben hatten sich gelohnt. Bürgermeister Peter Keck gegenüber KOMMUNALtopinform: „Es hat sich gezeigt, dass es funktioniert. Seitdem sind alle damit sehr zufrieden.“
