Kitas entlasten ihr Personal
Was ist in der Kinderbetreuung sinnvoll?

Pädagogisches Personal in Kitas wird händeringend gesucht. Die Stadt Weinheim setzt in ihren pädagogischen Einrichtungen auf zusätzliche Fachberater und Therapeuten, die für Entlastung sorgen. Das hat unter anderem zur Mitarbeitendenbindung beigetragen. Begleitet wurde der Prozess von den Organisationsberaterinnen Tanja Reuther und Susanne Stock.
Der Fachkräftemangel in Kindertagesstätten hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Im Rahmen des Kita-Qualitätsgesetzes hat die Bundesregierung insgesamt vier Milliarden Euro für eine bessere Qualität in Kitas freigegeben. In diesem Zuge wurden mehr Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen und die Ganztagesbetreuung ausgebaut. Gleichzeitig haben die qualitativen Anforderungen vor allem durch die Inklusion und die Integration von Flüchtlingskindern zugenommen. Die gestiegenen Anforderungen sorgen bei den pädagogischen Fachkräften mitunter dafür, dass sie sich überlastet und überfordert fühlen, was eine hohe Fluktuation auslöst und auch dazu führt, dass viele Azubis den Beruf nicht mehr machen möchten.
Auch die Stadt Weinheim ist sich der angespannten Personalsituation bewusst. Im April 2024 hat eine Steuerungsgruppe, darunter unter anderem zwei Amtsleitungen, eine pädagogische Fachberatung „Frühkindliche Bildung“ und zwei Abteilungsleiter, das Mitarbeiterbindungsprogramm #KitaKraft ins Leben gerufen. Die Organisationsberaterinnen haben insgesamt zehn Einrichtungen, darunter acht Kitas, ein Hort und eine Ganztagsschule, besucht. Ziel war es, die Strukturen und Herausforderungen zu verstehen und Vertrauen aufzubauen. Es wurden Gespräche mit den Leitungen und einzelnen Mitarbeitenden geführt. Die Ergebnisse dienten den im Anschluss gegründeten Projektgruppen dazu, konkrete Maßnahmen zur Umsetzung zu erarbeiten, die in den Einrichtungen verprobt wurden. Die Projektgruppen setzen sich aus Vertretern der Einrichtungen und der Ämter zusammen, die an dem Prozess mitwirken wollten. Die Organisationsberaterinnen haben insgesamt eine hohe Beteiligung der Mitarbeitenden angestrebt, die als Experten für ihre Arbeit erfahrungsgemäß sehr genau wissen, welche Ideen und Maßnahmen sinnvoll sind, um ihren Arbeitsbereich weiterzuentwickeln.

Die Auseinandersetzung mit der so genannten externen Referenz, die den Blick für die sich veränderte Marktsituation schärfte, festigte die Bereitschaft unter den Mitarbeitenden, Prozesse und Strukturen zu verbessern und dadurch zur Weiterentwicklung der Organisation beizutragen. Verändert haben sich die Erwartungen und Bedarfe der Mitarbeitenden. Viele Erzieher und Erzieherinnen wertschätzen den sicheren Arbeitsplatz und die Zusammenarbeit im Team, aber bemängeln, dass zu wenige Fachberater im Einsatz sind, die beispielsweise bei der Entwicklung von pädagogischen Konzepten unterstützen. Auch fehlen häufig Therapeuten, um den erhöhten Förderbedarf der Kitakinder zu decken. Solche multiprofessionellen Kita-Teams könnten für Entlastung sorgen. Zu lange Entscheidungswege, zu wenige fachspezifische Fortbildungsangebote und Angebote für Fitness und Rückengesundheit sowie mangelnder Fokus auf Azubis waren weitere Kritikpunkte.
Projektgruppen entscheiden über Fokusthemen
Im nächsten Schritt kam es für die Projektgruppen darauf an, die Themen zu identifizieren, die in ihrem direkten Einflussbereich liegen. Im Austausch mit den Organisationsberaterinnen haben sie wichtige Themen priorisiert. Der Umgang mit Krankheit und Ausfallzeiten und mit fehlenden Fachkräften wurden als Fokusthemen identifiziert. Es galt, die Ergebnisse kontinuierlich mit der Steuerungsgruppe abzustimmen, um einen gemeinsamen Fahrplan für den Veränderungsprozess zu haben. Neben kurzen Dienstwegen sollten die Projektgruppen möglichst große Entscheidungsspielräume haben, um das Projekt #KitaKraft in der Organisation zu verankern und für alle sichtbar zu halten. Im Folgenden wurden kurz- mittel- und langfristige Maßnahmen erarbeitet.
Mehr Entlastung durch multiprofessionelle Teams

Eine kurzfristige Maßnahme war zum Beispiel die Einstellung einer Social Media Managerin, die einen Instagram-Kanal für die Rekrutierung von Fachkräften aufgebaut hat. Mittelfristig sollen die Öffnungszeiten der Kitas flexibler angepasst werden. Weitere Entlastungen sollen externe Logopäden und Ergotherapeuten schaffen, die gezielt in den Einrichtungen eingesetzt werden. Zudem soll in die Gesundheitsfürsorge der Mitarbeitenden investiert werden, zum Beispiel durch Angebote wie Rückenschule, Yoga und Prozente bei Fitnessverträgen sowie der Einrichtung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagement für Langzeitkranke. Weitere Maßnahmen haben gefruchtet: Leitungskräfte können heute an Bewerbungsgesprächen teilnehmen und haben mehr Mitspracherecht bei der Einstellung von Bewerbenden. Im Fall der Übernahme von Azubis werden inzwischen zeitnah Verträge erstellt. Vom Gemeinderat bewilligt wurden neben zusätzlichen Finanzmitteln zudem folgende Maßnahmen: Drei zusätzliche Stellen für den Springerpool – das sind ErzieherInnen, die ausschließlich als Springer arbeiten. Das entlastet die Einrichtungen, wenn kurzfristige Personalausfälle aufgrund von Krankheit entstehen. Auch die Kita-Leitungen müssen nicht mehr für erkrankte Mitarbeitende einspringen und können sich hundertprozentig ihren Kernaufgaben widmen. So haben sie unter anderem mehr Vakanzen zur Bewältigung von Verwaltungsaufgaben, der Mitarbeiterführung und der Weiterentwicklung der jeweiligen Kita. Die Mitarbeitenden können sich somit mehr auf die Betreuung und Förderung der Kinder konzentrieren.

Rückblickend haben die Maßnahmen Wirkung gezeigt. Durch die Einstellung von vielfältigen Berufsgruppen übernehmen Erzieher und Erzieherinnen heute keine fachfremden Aufgaben mehr, wie zum Beispiel die Aufgaben von Küchenhilfen, für die es eigens geschaffene Stellen gibt. Die Maßnahmen haben zu einer höheren Zufriedenheit beigetragen und die Arbeitgeberattraktivität erhöht. Der intensive Veränderungsprozess hat das Miteinander zwischen Verwaltung (Personalamt und Amt für Bildung und Sport) und den Kita-Leitungen deutlich verbessert.
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