Kommunale Energieversorgung der Zukunft
EnerPrax – ein Projekt der FH Münster

Die FH Münster zählt mit fast 15.000 Studenten zu den größten und besten Fachhochschulen der Bundesrepublik. Die FH Münster ist auch dafür bekannt, dass sie für eine Reihe von Forschungsfeldern dauerhaft Institute eingerichtet hat. Eines davon ist das Institut für Energie- und Prozesstechnik, das sich nun ein hohes Ziel gesetzt hat. Die Forscher wollen – in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen – die optimale Zusammensetzung von Energiespeichertechnologien ermitteln. So soll die kommunale Stromversorgung auch in Zeiten mit geringer Stromerzeugung problemlos laufen.
Dafür hat die FH Münster eine Versuchsanlage eingerichtet. Sie befindet sich im Bioenergiepark der Klimakommune Saerbeck in Nordrhein-Westfalen. Das Projekt kann bereits auf erste Erfolge verweisen und wurde im September 2018 für seine großen Schritte in eine klimafreundliche Zukunft von der KlimaExpo.NRW als qualifiziertes Projekt ausgezeichnet. Die KlimaExpo.NRW ist eine Initiative der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die vollständig dem Klimaschutz gewidmet ist und nach Innovationen sucht und fördert. Der Grund: Nordrhein-Westfalen hat sich als erstes Bundesland überhaupt verbindliche Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Mit der Aufnahme als qualifiziertes Projekt ist EnerPrax jetzt einer von den „1000 Schritten“ der KlimaExpo.NRW und gilt damit als Musterbeispiel für fortschrittliches Engagement im Klimaschutz. Die landesweite Initiative hat die Aufgabe, bis 2020 das technologische und wirtschaftliche Potenzial Nordrhein-Westfalens in Klimaschutzfragen zu präsentieren.

Der Bioenergiepark in Saerbeck
Saerbeck ist eine kleine und beschauliche 7000-Einwohner-Gemeinde bei Münster. Lange galt die Pfarrkirche Sankt Georg aus dem Jahr 1161 als die einzige Sehenswürdigkeit des Orts. Das hat sich inzwischen gründlich geändert. Seit 2009 ist Saerbeck deutschlandweit bekannt, da sich die Kommune erfolgreich um den mit 3.3 Millionen Euro dotierten Preis „Klimakommune NRW“ beworben hatte. Saerbeck will als Kommune bis 2030 mehr Energie aus regenerativen Quellen gewinnen als es verbrauchen kann. Inzwischen haben sich jedoch so viele Investoren gemeldet, dass Saerbeck dieses Ziel wahrscheinlich schon zehn Jahre vorher erreichen wird. So hat die Gemeinde unter anderem ein 90 Hektar großes ehemaliges Munitionsdepot gekauft und hier einen Bioenergiepark errichtet. Dieser Bioenergiepark arbeitet nun in kommunaler Eigenregie mit einem Nutzungsmix aus regenerativen Energien von Sonne, Wind und Biomasse. Sieben Windenergieanlagen, zwei Biogasanlagen und ein Photovoltaikpark sichern eine Gesamtleistung von 29 Megawatt. Damit ist die stromseitige Zielerreichung der energieautarken Eigenversorgung mit regenerativen Energien bereits heute umgesetzt – zumindest bilanziell. Die unregelmäßige und schwer zu prognostizierende Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne ist aber der Grund, dass eine vollständige elektrische Versorgung ohne Steuerungs- oder Speichertechnologien zurzeit nicht möglich ist. Daher wurde auf dem Gelände des Bioenergieparks eine Versuchsanlage installiert, die verschiedene Speicher und Speicherkombinationen im Praxiseinsatz testet.
Der Bioenergiepark in Saerbeck besitzt durch sein reales Umfeld und die vorhandenen Wind- und Solaranlagen ideale Voraussetzungen, um das gesteckte Ziel der Ermittlung von optimalen Speicherkombinationen zu erforschen. Die Wahl des Speichermediums (Gas, Wärme, elektrochemisch etc.) wird dabei ebenso berücksichtigt wie die Speicherdauer (Kurz-, Mittel- oder Langzeitspeicher) sowie die Kombination der Erzeugungsanlagen. Mit Hilfe von realistischen Profilen auf Basis von Stromerzeugung und -verbrauch in Saerbeck werden die einzelnen Speicher angesteuert. Dabei ist die Demonstrationsanlage durch Mess-, Steuer- und Regelungstechnik so konzipiert, dass eine Auswertung der Ein- und Ausspeisungsdaten durchgeführt wird. Dadurch ist eine Prüfung der Übertragbarkeit in die Praxis und zum wirtschaftlichen Modell möglich. Gemeinsam mit den Projektpartnern und Herstellerfirmen werden die Speichertechnologien in die Technikumsanlage planerisch integriert. Dazu gehören die Festlegung von Schnittstellen, die Einhaltung aller Sicherheitsanforderungen und die Erstellung eines Notfallplans. Das Projekt baut inhaltlich auf die bereits abgeschlossene Machbarkeitsstudie zur Energietransformation und -speicherung auf. In diesem Rahmen wurden die Gemeinde Saerbeck und die dort installierten Erzeugungsanlagen hinsichtlich der Errichtung von Speichersystemen untersucht. Ziel war es, die Verbraucher, Erzeuger und Energieflüsse zu analysieren und auf dieser Basis Methoden für optimale Speicherlösungen zu entwickeln.

Forschungsprojekte
Professor Wetter vom Fachbereich Energie-Gebäude-Umwelt forscht seit 2013 gemeinsam mit der Klimakommune Saerbeck, der Gelsenwasser AG, dem Gas- und Wärme-Institut (gwi) Essen sowie der Saerbecker Ver- und Entsorgungsgesellschaft mbh daran, wie unterschiedliche Speichertechnologien am wirkungsvollsten miteinander kombiniert werden können. Das Ziel ist es, Energie aus Wind-, Solar- oder Biogasanlagen mithilfe von Lithium-Ionen-Batterien oder der biogenen Methanisierung zu speichern und somit den Tagesbedarf einer ganzen Stadt lückenlos decken zu können.
„In Saerbeck erzeugen wir 500 Prozent regenerativen Strom, in Bezug auf den Bedarf der Gemeinde. Trotzdem gibt es zu bestimmten Tageszeiten auch mal einen Überschuss oder einen Mangel an Energie. Mit EnerPrax überprüfen wir, wie wir überschüssigen Strom speichern und sinnvoll wiederzuverwenden können“, erklärte Professor Wetter.
Das Gas- und Wärme-Institut Essen e.V. ist einer von fünf Kooperationspartnern im Projekt und ist für eine der drei Speichertechnologien verantwortlich. Nils Brücken, Projektingenieur, gegenüber KOMMUNALtopinform: „Mit dem PEM-Elektrolyseur haben wir eine von drei Speichertechnologien in Saerbeck aufgestellt. Zudem gibt es weitere Arbeitspakete an denen wir beteiligt sind, wie beispielsweise an einer Potenzialanalyse zur Übertragbarkeit des Projekts auf andere Regionen in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Elektrolyseur und der Redox-Flow-Batterie wurden bereits zwei von drei Speichern in Saerbeck erfolgreich in Betrieb genommen. Die zwei Batterien folgen im Januar 2019, sodass wir zu diesem Zeitpunkt mit den Versuchsreihen beginnen können.“
Forscher beschäftigen sich seit Jahren mit unterschiedlichen Speicherprojekten, da sie für eine umweltbewusste Zukunft unerlässlich sind. Das bestätigt auch Nils Brücken, der jedoch hervorhebt, dass sich EnerPrax trotzdem von vielen anderen Forschungsprojekten unterscheidet. „Es gibt derzeit eine Vielzahl an Speicherprojekten mit unterschiedlichsten Anwendungsfeldern in Deutschland, wie auch bei uns am Institut. Der Fokus im Projekt EnerPrax ist für uns dahingehend einmalig, dass verschiedene Technologien im Feldtest miteinander gekoppelt werden. Wir möchten die jeweiligen Stärken in einem Gesamtspeichersystem optimal ausschöpfen, was zu einem positiven Effekt der Lebensdauer der Komponenten oder aber auch zu einem besseren Wirkungsgrad führen kann.“

EnerPrax und die Zukunft
Die Frage ist natürlich, wann die Erkenntnisse, die in Saerbeck gesammelt werden, auch in der Praxis eingesetzt werden können. Einen genauen Zeitpunkt können die EnerPrax-Forscher bisher nicht nennen, trotzdem sind sie optimistisch. Nils Brücken: „Das hängt von vielen Faktoren ab. Die steigende Notwendigkeit von Energiespeichern mit dem sukzessiven Wandel unserer Stromerzeugungslandschaft ist unbestritten. Der Zeitpunkt wird aber auch vom Einsatzzweck beeinflusst. So kann ein solches Speicherkonzept beispielsweise den Mobilitätssektor mit regenerativ gespeichertem Strom und Wasserstoff versorgen. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn es genügend E-Autos – und hierzu zählt auch die Wasserstoffmobilität – im Umkreis gibt, die das Angebot nutzen können. Zudem besteht weiterhin regulatorischer Anpassungsbedarf für Speicher- und Sektorenkopplungstechnologien, den unser Gesetzgeber angehen muss. Bei unserer Hausaufgabe – der technischen Machbarkeit – sehe ich uns auf einem guten Weg.“

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