Pop-up-Maßnahmen: Mehr als nur Radwege
Vom Provisorium zur Strategie
In vielen deutschen Kommunen erinnern sich die Bürgerinnen und Bürger noch an die ersten Pop-up-Radwege, die während der Corona-Pandemie entstanden: Mit gelben Markierungen und mobilen Abtrennungen wurde innerhalb weniger Tage Platz für Radfahrende geschaffen.
Was damals als Provisorium begann, hat sich inzwischen zu einem bewährten Ansatz entwickelt. Heute steht hinter dem Begriff „Pop-up“ ein ganzer Werkzeugkasten an Maßnahmen, die Kommunen nutzen können, um ihre Straßenräume sicherer, lebenswerter und klimafreundlicher zu gestalten.
Breite Palette an Möglichkeiten
Neben geschützten Radfahrstreifen zählen dazu die beidseitige Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrende und die Einrichtung von Fahrradstraßen oder ganzen Fahrradzonen. Die Bandbreite der Pop-up-Maßnahmen beschränkt sich aber längst nicht mehr allein auf den Radverkehr. Ebenso lassen sich Straßen mit einfachen Mitteln in verkehrsberuhigte Bereiche verwandeln, Parkplätze vorübergehend in Radabstellanlagen oder kleine (begrünte) Aufenthaltsflächen umwandeln, Tempo 30 entlang von Schulwegen einführen oder Querungshilfen für Fußgängerinnen und Fußgänger einrichten. Gemeinsam ist all diesen Maßnahmen, dass sie ohne kostspieligen Tiefbau auskommen, mit überschaubarem Aufwand umgesetzt werden können und dennoch sofort große Wirkung entfalten. Wichtig ist uns als Deutscher Umwelthilfe dabei, dass es nicht um kurzlebige Experimente geht, die zeitnah wieder abgebaut werden. Wir sprechen uns ausdrücklich für ein zweistufiges Verfahren aus: Zunächst werden Maßnahmen sichtbar auf die Straße gebracht, mit Raum für Anpassungen und Veränderungen. Wenn sich im Alltag zeigt, dass sie sinnvoll sind, sollen sie verstetigt und dauerhaft umgesetzt werden.

Neuer Rechtsrahmen erleichtert das Handeln
Die rechtlichen Hürden für solche Eingriffe waren lange hoch. Bis vor kurzem mussten Kommunen fast immer eine „qualifizierte Gefahrenlage“ nachweisen – Maßnahmen waren also oft erst möglich, nachdem schwere Unfälle passiert waren. Mit der Reform der Straßenverkehrsordnung im Jahr 2024 hat sich das grundlegend geändert. Erstmals gelten Klimaschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung als gleichwertige Gründe für die Anordnung von Maßnahmen. Für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bedeutet das: mehr Handlungsspielraum, weniger Bürokratie und mehr Möglichkeiten, mutige Entscheidungen zu treffen.

Beispiele aus der Praxis
Für den Radverkehr eröffnet der neue Rechtsrahmen gleich mehrere konkrete Möglichkeiten. Pop-up-Radwege können nun rechtssicher aus Klimaschutzgründen angeordnet werden, der Nachweis einer Gefahrenlage ist nicht mehr notwendig. Statt Jahre auf bauliche Lösungen zu warten, reicht es, Radfahrstreifen zunächst gelb oder auch gleich weiß zu markieren und mit mobilen Elementen wie Baken oder Pollern zu schützen. Auch Schutzstreifen lassen sich kurzfristig ergänzen, um Lücken im Netz zu schließen. Beispiele aus Berlin-Mitte, Mörfelden-Walldorf oder Wolfenbüttel zeigen, dass solche Maßnahmen den Radverkehr stärken.
Die Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung, die in vielen Kommunen noch zögerlich umgesetzt wird, kann ebenfalls mit wenigen Schildern erfolgen und schafft sofort durchgängige Verbindungen. Fahrradstraßen und Fahrradzonen lassen sich deutlich einfacher ausweisen, weil weder eine hohe Radverkehrsdichte noch eine Gefahrenlage nachgewiesen werden muss.
Auch Kreuzungen können schnell sicherer gestaltet werden, indem die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Meter Parkverbotsstreifen vor Einmündungen markiert und durch Fahrradbügel oder Poller gesichert werden. In Berlin-Mitte wurden so 50 Kreuzungen umgestaltet und gleichzeitig hunderte neue Fahrradabstellanlagen geschaffen.

Mut zur Umsetzung
Damit die neuen rechtlichen Möglichkeiten zügig umgesetzt werden, braucht es entschlossenes Handeln. Pop-up-Maßnahmen sind keine Übergangslösungen zweiter Klasse, sondern wirksame Schritte in Richtung einer dauerhaften Umgestaltung des öffentlichen Raums. Sie zeigen, dass die Mobilitätswende nicht erst nach langen Planungsverfahren und millionenschweren Bauprojekten gelingt, sondern schon heute beginnen kann.
In unserem gerade veröffentlichten Leitfaden „Pop-up-Maßnahmen für die Mobilitätswende“ erfahren Sie, welche Maßnahmen nun einfacher möglich und wie diese konkret umzusetzen sind.
Deutsche Umwelthilfe e.V.
Fritz-Reichle-Ring 4
78315 Radolfzell











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