Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS (englisch: per- and polyfluoroalkyl substances) kommen in der Natur eigentlich nicht vor. Industriell hergestellt ist diese Gruppe aus mehr als 10 000 Chemikalien aber in vielen Dingen des Alltags zu finden. Ob in Zahnseide, Backpapier, Outdoorkleidung oder Lösch- und Pflanzenschutzmitteln – überall sorgen PFAS dafür, dass die Produkte wasser-, fett- und schmutzabweisend sind. Eigentlich nicht schlecht, aber: Sie sind außerordentlich stabil, können weder durch Licht oder Wasser noch durch Bakterien abgebaut werden und sind mittlerweile alleine in Deutschland an tausenden Orten in Böden, Gewässern und Grundwasser nachzuweisen. Über die Nahrung reichern sich diese Ewigkeitschemikalien auch im menschlichen Körper an, mit erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen, die von der Schädigung von Organen bis hin zu Krebserkrankungen oder Entwicklungsstörungen reichen.
Möglichkeiten, PFAS wieder aus der Umwelt zu entfernen, gäbe es theoretisch. Diese sind aber äußerst aufwändig und teuer. Bei einer Filterung durch Aktivkohle beispielsweise werden PFAS zwar gebunden, aber nicht beseitigt, sodass die Überreste im Sondermüll entsorgt beziehungsweise gelagert werden müssen. Ein gravierendes Umweltproblem, für dessen Lösung die Zeit drängt.

Plasma zerstört die Molekülketten

Deshalb haben es sich im Verbundprojekt AtWaPlas (Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung) Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart gemeinsam mit dem Industriepartner HYDR.O. aus Aachen bereits 2021 zur Aufgabe gemacht, ein effizientes, kostengünstiges Verfahren zu entwickeln, um die toxischen Substanzen möglichst vollständig beseitigen zu können. Dabei lag der Part der Forschungsarbeiten beim IGB, die Wasserproben stammten vom Projektpartner, der unter anderem auf Altlastensanierung spezialisiert ist.
Mit Erfolg: Nach zwei Jahren Projektlaufzeit ist es den Forschenden um Dr. Georg Umlauf, Experte für funktionale Oberflächen und Materialien, gelungen, ein Verfahren zu erarbeiten, das auf dem Einsatz von Plasma basiert, und mit dem die Molekülketten der PFAS abgebaut werden können – bis zur vollständigen Mineralisierung des Umweltgifts.
Plasma ist ein ionisiertes und damit elektrisch äußerst aktives Gas, das die Forschenden durch Anlegen einer Hochspannung in einem zylinderförmigen, kombinierten Glas-Edelstahlzylinder erzeugen. Anschließend wird das kontaminierte Wasser zur Reinigung durch den Reaktor geleitet. In der Plasmaatmosphäre werden die PFAS-Molekülketten aufgebrochen und damit verkürzt. Der Vorgang in dem geschlossenen Kreislauf wird mehrere Male wiederholt, dabei jedes Mal die Molekülketten um ein weiteres Stück verkürzt, so lange, bis sie vollständig abgebaut sind.

AtWaPlas-Projektteam bei der Besichtigung eines Schadensfalls in einer ehemaligen Transformatorenfabrik in Aachen (von links): Timm Reisinger (Projektkoordinator und Geschäftsführer HYDR.O.), Georg Umlauf (stellvertretender Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IGB), Pia Kronsbein und Andreas Vogel (beide Projektmitarbeiter bei HYDR.O.)
AtWaPlas-Projektteam bei der Besichtigung eines Schadensfalls in einer ehemaligen Transformatorenfabrik in Aachen (von links): Timm Reisinger (Projektkoordinator und Geschäftsführer HYDR.O.), Georg Umlauf (stellvertretender Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IGB), Pia Kronsbein und Andreas Vogel (beide Projektmitarbeiter bei HYDR.O.)

Nach wenigen Stunden sind die Gifte abgebaut

Gestartet wurden die Forschungsarbeiten in einem kleinen Laborreaktor mit einem Probenvolumen von einem halben Liter. „Diesen konnten wir relativ schnell durch einen Fünf-Liter-Pilotreaktor ersetzen und im größeren Maßstab experimentieren“, berichtet Umlauf. „Der nächste Schritt wäre nun ein noch größerer Wassertank − sicher auch machbar.“
Das Wasser, das die Forschenden für ihre Tests verwendeten, war kein Leitungswasser mit zugesetzten PFAS, sondern »echtes Wasser“ – sogenannte Realproben: „Das Wasser stammt aus PFAS-kontaminierten Gebieten und ist eine Mischung aus verschiedensten Partikeln wie Schwebstoffen und organischen Trübungen«, sagt Umlauf. „Für den Reinigungsvorgang kein Problem, wie unsere Versuche ergaben: Bereits nach zwei Stunden, in denen die Grundwasserproben durch den Reaktor gepumpt worden waren, konnten wir einen nennenswerten Abbau der Kohlenstoffkettenlänge beobachten. Nach sechs Stunden war die PFAS-Konzentration deutlich verringert, also ein Großteil der Chemikalien aus der Probe entfernt.“

Mobiler Einsatz angedacht

Mit dem gleichen Aufbau lässt sich die Plasma-Methode auch zur Aufreinigung anderer Wasserverschmutzungen einsetzen, etwa von Medikamentenrückständen, weiteren Industriechemikalien oder Pflanzenschutzmitteln. Untersucht wurde dies in vorangegangenen Projekten WaterPlasma und WasserPlasmax. Auch könnte der Reaktor mit etwas weiterer Entwicklungsarbeit einmal energieeffizient mit Umgebungsluft betrieben werden: „In unseren Vorstellungen sehen wir die Plasmaanlage in Containern stehen, die mobil an lokalen Schadstellen oder Brunnen eingesetzt werden können, um Trinkwasser flexibel und umweltschonend aufzubereiten“, wagt Umlauf den Blick in die Zukunft.

Vorstellung des Verfahrens auch beim Abwasserkolloquium

Am 30. Juni 2023 wurde AtWaPlas mit einem offiziellen Abschlusstreffen in Aachen beendet. Auch hier wurde eine Zusammenfassung der wichtigsten Resultate vorgestellt. Gemeinsam mit anderen Themen rund um Spurenstoffe war das Verfahren außerdem Thema auf dem 22. Kolloquium zur Abwasserbehandlung Ende September 2023 in Stuttgart.

AtWaPlas-Projektteam beim Abschlusstreffen am 30. Juni 2023 (von links): Hartwig Reisinger (Projektleiter und Geschäftsführer HYDR.O.), Timm Reisinger, Georg Umlauf vom Fraunhofer IGB und Pia Kronsbein
AtWaPlas-Projektteam beim Abschlusstreffen am 30. Juni 2023 (von links): Hartwig Reisinger (Projektleiter und Geschäftsführer HYDR.O.), Timm Reisinger, Georg Umlauf vom Fraunhofer IGB und Pia Kronsbein

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