Stadtentwicklung aktuell – Was geschieht mit leeren Kaufhäusern?
Kommunen und Eigentümer müssen sich frühzeitig mit der Nachnutzung von großflächigen Handelsimmobilien beschäftigen

Stadtentwicklung ist stets ein dynamischer Prozess. Aktuell befinden sich insbesondere die Innenstädte in tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Ein Auslöser ist das sich wandelende Konsumverhalten und der Trend zum Onlinehandel. Darunter leidet in erster Linie der klassische, stationäre Einzelhandel. Aber auch filialisierende Betriebe bleiben von diesen Entwicklungen nicht unberührt.
In einer aktuellen Untersuchung zur Zukunft des stationären Einzelhandels geht das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) von einem anhaltenden Rückgang der Einzelhandelsunternehmen um bis zu 64.000 bis zum Jahr 2030 aus. Dies entspricht einer Verringerung der Betriebe um rund 28 Prozent gegenüber den aktuell rund 226.000 gemeldeten Einzelhandelsunternehmen.
Corona-Krise als Brandbeschleuniger
Die Corona-Krise könnte diese Entwicklung zusätzlich beschleunigen. Zunehmende Insolvenzen und weitere Ladenschließungen können die Folge sein. Ob der Onlinehandel langfristig überproportional profitieren wird, ist noch nicht absehbar. Denkbar ist jedoch, dass der Marktanteil des Onlinehandels weiter steigt, da zusätzliche Kunden auf Onlineshopping umsteigen könnten. Die Folge könnte eine abermalige Beschleunigung des oft zitierten Ladensterbens in den Innenstädten sein.
Insbesondere leerstehende innerstädtische Großstrukturen, wie ehemalige Kauf- und Warenhäuser, sind häufig Ausgangspunkt tiefgreifender Negativentwicklungen im Hinblick auf die umliegende Stadtteilentwicklung. Nach der Schließung sind meist folgende Effekte im Umfeld dieser Immobilien zu beobachten:
- Zunehmende Ansiedlung unattraktiver Gewerbebetriebe wie Spielhallen oder Wettbüros.
- Aussterbende Straßenzüge als Folge abbrechender oder umgeleiteter Passantenströme
- Weitere Ladenschließungen aufgrund ausbleibender Laufkundschaft.
- Die Entstehung innerstädtischer Orte, die von Passanten bewusst gemieden werden („Schandflecken“ und Angsträume).
- Ausbleibende Investitionen in den Immobilienbestand.
Fällt ein Gebäude aus der Nutzung, eröffnet dies Chancen und Risiken für die Stadtentwicklung. Im Fall der Kauf- und Warenhäuser handelt es sich um eine bedeutende Funktion für die Innenstädte. Darüber hinaus haben derartige Großstrukturen häufig identitätsstiftenden und das Ortsbild prägenden Charakter. Die Schließung eines Warenhauses geht oft mit einem Funktionsverlust für die Innenstadt oder dem betreffenden Stadtteil einher und kann die Attraktivität der Stadt empfindlich mindern. Zurück bleiben leerstehende, großflächige Einzelhandelsimmobilien in 1a-Innenstadtlagen, in denen bereits seit geraumer Zeit kein Handel mehr floriert.
Der Handlungsdruck auf Seiten der Städte und Kommunen ist dementsprechend groß und die Herausforderungen, vor denen die Akteure stehen, sind enorm. Eine pauschale Lösung für diese Probleme gibt es nicht. Jeder Fall bedarf der individuellen Bewertung und individueller Maßnahmen.

Schnelle Impulse sind notwendig
Eine Möglichkeit ist das zügige Umsetzen positiver Stadtentwicklungsimpulse. Dies können zunächst auch Zwischennutzungskonzepte sein. Es gilt also für aus der Nutzung fallende Gebäude möglichst schnell geeignete Nachnutzungskonzepte zu finden und diese im Rahmen einer Projektentwicklung umzusetzen. Doch genügend Beispiele aus deutschen Städten zeigen: Oft ist das Gegenteil der Fall. Die betreffenden Immobilien stehen meist über viele Jahre leer, was zu den oben beschriebenen Negativentwicklungen führt. Mitunter kann die Leerstandsdauer sogar über zehn Jahre betragen, wie die noch verbliebenen Beispiele der seit 2009 insolventen Warenhauskette Hertie zeigen.
Für zukünftige Nachnutzungsprozesse gilt es daher von bereits umgesetzten Projektentwicklungen zu profitieren und positive als auch negative Einflussfaktoren zu identifizieren. Dies gelingt in erster Linie durch einen intensiven Austausch mit den Verantwortlichen auf Seiten der Städte und Kommunen. Dabei gilt es die angewandten Prozessschritte und durchgeführten Maßnahmen im Rahmen bereits abgeschlossener Projektentwicklungen zur erörtern und zu bewerten.
Eine Untersuchung der Autoren zu einzelnen Referenzprojekten zeigt in diesem Zusammenhang, dass die zügige Umsetzung eines dringend benötigten Stadtentwicklungsimpulses oft an den eingeschränkten Möglichkeiten der öffentlichen Hand scheitert. Häufig sind es die engen Handlungsspielräume der Städte und Kommunen oder politische Rahmenbedingungen, die einer aktiveren Rolle der öffentlichen Hand im Projektentwicklungsprozess entgegenstehen. Schließlich befinden sich die betreffenden Immobilien meist in privatem oder institutionellem Eigentum, wodurch die Einflussnahme durch die Verwaltung stark begrenzt ist.

Kooperation der Kommunen und privater Investoren ist unumgänglich
Um im Sinne einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung zügig positive Impulse zu setzen, sind daher private und öffentliche Akteure gleichermaßen gefordert. Viele Beispiele zeigen, dass erfolgreiche Stadtentwicklung häufig nur gemeinsam gelingen kann. Private Investoren sind daher ebenso wie Kommunen in der Pflicht ihr jeweils Möglichstes zur Vermeidung der Negativentwicklungen zu unternehmen. Eine zügige Nachnutzung sollte auch im Eigeninteresse der privaten Eigentümer sein, da mit zunehmendem Leerstand auch Wertverluste einhergehen. Zukunftsfähige Stadtentwicklung zum Wohle aller kann gerade in sehr dynamischen Zeiten nur gemeinsam und kooperativ gelingen.
Stephan Weitz und Prof. Dr. Elisabeth Beusker
RWTH Aachen University
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