Überstürztes Comeback einer teuren Illusion?
Warum die Renaissance der Kernenergie nicht die versprochene Zukunft bringt

Und plötzlich ist sie wieder da: die Atomkraft. Der sprichwörtliche Elefant im Raum, der lange Zeit als problematische und unsichere Lösung galt, erfreut sich wieder internationaler Beliebtheit, insbesondere vor dem Hintergrund des stetig steigenden Stromverbrauchs. Vielerorts lassen allein die enormen geplanten Investitionen in KI-Projekte die Energiebranche zittern. Für einige Länder scheint die Antwort auf diese Herausforderungen das schnelle und oft scheinbar kostengünstige Revival der Atomkraft zu sein. Besonders große Industrienationen wie China, die USA oder auch Frankreich verfolgen aktuell ambitionierte Pläne, um ihre Atomkraftkapazitäten auszubauen. Diese Lösung wirkt auf den ersten Blick verlockend: Die Atomkraft bietet im Vergleich zu fossilen Energieträgern eine beinah emissionsfreie Stromproduktion. In einer Zeit, in der die Welt immer lauter nach einer Lösung für die Energiekrise schreit, erscheint der Gedanke an einen erneuten Ausbau so zwar wie ein Schritt in die richtige Richtung, doch die Realität sieht oft anders aus.
Unbezahlbare Kosten und ungewisse Zukunft
So zeigt ein Blick auf die finanziellen Aspekte der Atomkraft ein beunruhigendes Bild, denn die hoch angepriesene Lösung für die Energieprobleme der Menschheit kostet Aber- und Abermilliarden. Dies lässt sich vor allem an aktuellen Projekten, wie dem britischen Atomkraftwerk Hinkley Point C, einem der größten und teuersten Energieprojekte in Europa, gut ablesen. Allein 2024 hatten die Kosten 32 Milliarden Pfund erreicht – doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch bei Projekten in Frankreich und den USA ab. Solche hohen finanziellen Belastungen bilden jedoch nicht das einzige Problem. Angesichts der enormen Kosten stellt sich die Frage, ob sich diese Investitionen überhaupt rentieren können. Denn am Ende besteht die Möglichkeit, dass die Atomkraft zwar theoretisch eine billige Energiequelle verspricht, die Strompreise jedoch keinesfalls signifikant sinken. Während die Kosten für die Errichtung und Instandhaltung von Atomkraftwerken weiter in die Höhe schießen, sinken die Kosten für Solar- und Windenergie stetig. Im Zuge der Energiewende und angesichts der steigenden Bedeutung von erneuerbaren Energien wie Wind und Solar haben die hiesigen Energieversorger Atomkraftwerken somit mittelweile eine wirtschaftliche Absage erteilt.

Deutschlands Energiemarkt
Ein wichtiger Aspekt, der den Strommarkt hierzulande beeinflusst, ist das sogenannte „Merit-Order-Prinzip“. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Festlegung des Strompreises an der Börse, bei dem die teuerste benötigte Energiequelle den Preis für alle Stromerzeuger bestimmt, die in einem bestimmten Zeitraum aktiv sind. In einem Markt, in dem vor allem erneuerbare Energien wie Solar- und Windstrom zunehmend in den Vordergrund rücken, führt dieses Prinzip dazu, dass der Strompreis immer öfter durch die teuerste Energiequelle, wie aktuell Gaskraftwerke, bestimmt wird. Erneuerbare haben den Vorteil, dass ihre Produktionskosten nahezu gegen Null gehen, da Sonne und Wind keine laufenden Betriebskosten verursachen. Dieser Umstand macht solche Anlagen für den deutschen Energiemarkt so attraktiv.
Abschied von der Atomkraft?
Im Falle der Atomkraft ist dies jedoch ein zweischneidiges Schwert. Während Atomkraftwerke in der Regel eine konstante Energiequelle bieten und damit eine stabile Grundlage für die Stromwirtschaft darstellen könnten, erweisen sie sich für ein Merit-Order-System als wirtschaftlich weniger vorteilhaft. So haben es Meiler schwer, flexibel zu reagieren und sich an den Strompreis anzupassen, wie es Solar- und Windanlagen tun. Selbst wenn viele Länder Atomkraft als „billige“ Lösung darstellen, stehen die tatsächlichen Kosten in keiner Relation zu den langfristigen finanziellen Belastungen, die in Verbindung mit dem Bau, dem Betrieb und der Entsorgung stehen. Ihre Fixkosten sind in der Regel so hoch, dass sie sich nur in einem Markt mit festen Abnahmepreisen oder Subventionen als wirtschaftlich tragfähig erweisen.
Zeit für die Mottenkiste?
Warum aber sehen viele Menschen auch in Deutschland die Atomkraft immer noch als Lösung, wenn es bereits Alternativen gibt, die umweltfreundlicher und kostengünstiger produzieren? Die Antwort darauf liegt in der Geschwindigkeit sowie Effizienz des Umbaus der Energieinfrastruktur und damit an einer ganz anderen Stelle. Hierzulande hinken wir immer noch dem Ausbau der Stromnetze sowie der Schaffung von Speichermöglichkeiten hinterher. Nur mit einer entsprechenden Anpassung der Infrastruktur kann der aktuelle Ausbau der Erneuerbaren die gewünschte Wirkung entfalten. Die atomare Technologie mag in einigen Ländern als Retter in der Not dargestellt werden, doch sie ist und bleibt eine problematische Lösung. Ungelöste Fragen der Endlagerung von hochradioaktivem Abfall, die potenziellen Risiken bei Unfällen und die immensen Kosten stellen Hürden dar, die mit den erneuerbaren Alternativen nicht existieren. Zudem dauert der Aufbau und Betrieb von Atomkraftwerken Jahre, manchmal Jahrzehnte, was in Zeiten des Klimawandels und des dringenden Handlungsbedarfs keine Lösung darstellt.
Außerdem sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass Atomkraftwerke wie andere konventionelle Kraftwerke auch viel Kühlwasser benötigen. Im Jahr 2022 – sehr heißer und trockener Sommer – wurde Frankreich deshalb zum Nettoimporteur von Strom aus Deutschland, übrigens auch die Wasserkraftnationen Österreich und Schweiz.
Lösung für die Zukunft
Angesichts der ständig wachsenden globalen Energiebedürfnisse, der klimatischen Herausforderungen und auch der Lieferverlässlichkeit und Endlichkeit des „Brennstoffes“ Uran erscheint der Rückgriff auf Atomkraft als eine Entscheidung aus der Vergangenheit. Die wahre Zukunft der Energieversorgung liegt in den erneuerbaren Energien. Mit dem richtigen politischen Willen, dem notwendigen Netzausbau und der Entwicklung effizienter Speicherlösungen können Wind-, Solar- und andere grüne Technologien eine stabile, saubere und kostengünstige Energieversorgung garantieren – ohne die Risiken und Lasten der Atomkraft.
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