Wenn der Berg rutscht
Hangsicherung erfordert ein schnelles Handeln und den Blick aufs Klima

Steine und Felsen auf Straßen sind keine Seltenheit. Die Sanierung der Hänge belastet die Kassen der Landkreise. Doch wie erkennt man die Gefahren, bevor es zu Schäden kommt? Wer ist überhaupt zuständig, wenn sich kleine Steine oder Geröllmassen auf den Weg nach unten machen? Diese Fragen scheinen sich häufiger zu stellen als in früheren Zeiten.
Gibt es einen Zusammenhang mit den Klimaveränderungen? „Spätestens wenn es ein Felsblock bis auf die Straße geschafft hat, muss unmittelbar gehandelt werden“, erläutert Andreas Menzel, Geschäftsführer eines Ingenieurbüros für Hangsicherung.
Normalerweise ist der Grundstückseigentümer in der Pflicht, aber wenn Straßen in Mitleidenschaft gezogen werden oder der Eigentümer überfordert ist, dann kann Unterstützung vom Straßenbauamt kommen. Steilhänge können zur Gefahr werden – nicht nur für Anwohner, sondern auch für Kommunen. Im Falle unzureichender Hangsicherung können Eigentümer für entstandene Schäden haftbar gemacht werden. Eine sorgfältige Planung und Durchführung der Sicherungsmaßnahmen sind daher essenziell. Welche Methoden stehen Kommunen als Auftraggebern zur Verfügung, um Hänge zu sichern? Von Böschungsbegrünung bis zu Schwerlastankern – die Palette ist vielfältig.
Vom Baugesetzbuch bis zu örtlichen Bauvorschriften: Worauf es bei der Hangsicherung wirklich ankommt, ist mit vielen Abwägungen verbunden. Für die spezifischen Gegebenheiten in der Kommune müssen die am besten geeigneten Maßnahmen gefunden werden. „Felsen liegen zu 90 Prozent in ökologisch geschützten Bereichen, dann ist auch die Zustimmung der Naturschutzbehörde zu den Maßnahmen erforderlich“, berichtet Menzel.

Maßnahmen bei wiederholtem Steinschlag an viel befahrenen Straßen
Üblicherweise haben die Straßenbauämter die Verantwortung für die Streckenkontrolle. Und im Rahmen der regelmäßig durchgeführten Kontrollfahrten wird dokumentiert, wenn Steine auf der Straße liegen. Und wenn sich das an einer Stelle wiederholt, wird anschließend ein Spezialist eingeschaltet. „Felsen gibt es viele“, sagt Menzel, „also ist eine 100-prozentige Kontrolle gar nicht möglich.“ Ein vom Volumen her größeres Ereignis, das kurz vor Weihnachten für Aufregung sorgte, war ein Felssturz in Oberndorf. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, als etwa 15 bis 20 Tonnen Stein zum Teil bis auf die stark befahrene Strecke in Richtung Oberndorf-Lindenhof stürzten, die an dieser Stelle dreispurig ist. „Fahrer haben gut reagiert und die nachfolgenden gewarnt“, berichtet Menzel. So kam niemand zu Schaden. Lediglich die rechte Spur wurde eine längere Zeit gesperrt – bis Sicherungsmaßnahmen vorgenommen werden konnten, die schon längere Zeit zuvor geplant worden waren.

Wetterereignisse und Pflege beeinflussen die Häufigkeit von Steinschlägen
Schon damals spielte das Wetter eine wichtige Rolle. Heute betont Menzel, „das Wetter hat einen erheblichen Einfluss auf solche Ereignisse.“ Ein deutlich häufigerer und stärkerer Regen führt dazu, dass auch größere Felsbrocken in Bewegung geraten können. Zudem gibt es eine deutlich höhere Zahl von Tagen, an denen sich Frost und Tau abwechseln. „Das sprengt den Felsen“, betont Menzel. Früher gab es im Winter durchgängig Frost, während jetzt oft nur noch Nachtfrost zu verzeichnen ist.
Ein weiterer Faktor kommt nach Menzels Meinung hinzu. Während diese Bereiche früher stärker gepflegt wurden, breitet sich nun eine Verwilderung aus. In der Folge gibt es mehr Gehölz, und die Wurzeln entfalten eine Sprengwirkung auf Teile des Felsens „fast wie Eis“, sagt Menzel. Leider widerstreiten in diesem Fall die Interessen zur Verkehrssicherung und zum Naturschutz. Für die Verkehrssicherung sei ein regelmäßiger Beschnitt wünschenswert, während oft besonders geschützte Pflanzen zu einem Kompromiss zwischen beiden Interessen zwingen. „Letztlich entscheidet häufig die Naturschutzbehörde – teilweise auch gegen den Straßenbau“, berichtet Menzel.
Das Thema Felssicherung ist für verantwortungsbewusste Kommunen undankbar. Denn sie können keinen unmittelbaren Nutzen daraus ziehen. Dennoch gibt es Landkreise, die ein Kontrollsystem entwickelt haben. Sie lassen die Felsen erfassen und systematisch begutachten. „Allerdings lässt sich ein Hang nicht einfach dadurch bewerten, dass man vorbeiläuft“, betont Menzel. „Dafür muss man sich in den Felsen begeben, sich abseilen, Spalten anschauen und mit dem Hammer arbeiten, um auf den Klang zu hören. Also ist eine vernünftige Gefährdungsbeurteilung nur am Seil möglich.“
Nach der Ersteinschätzung beginnt die oft folgenschwere Arbeit. Dafür sind Spezialisten, sowohl „Fachplaner“ als auch „Spezialfirmen mit alpinem Hintergrund" notwendig, deren Eignung allerdings schwer zu beurteilen ist. Erst seit zwei Jahren gibt es ein Gütesiegel, das von der Gütegemeinschaft Hang- und Felssicherung vergeben wird. Es dient dazu, die Qualität und Sicherheit der Dienstleistungen zu gewährleisten. „Man muss viel aus dem Seil arbeiten, und je nachdem, ob man die geltenden Sicherheitsvorschriften einhält oder teilweise ignoriert, ergeben sich unterschiedliche Preiskalkulationen“, sagt Menzel. Das Gütezeichen soll dazu beitragen, die Sicherheit und Qualität in dem Bereich zu verbessern, der für den Schutz von Infrastruktur und Menschen vor Naturgefahren von großer Bedeutung ist.
In Bayern spielt die Zentralstelle Ingenieurbauwerke und Georisiken (ZIG) eine gewichtige Rolle bei Prävention und Bewältigung von geologisch bedingten Risiken im Straßenbau. Deren System, welches sich an die aus dem Brückenbau entwickelte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 anlehnt, führt beispielsweise auch zu einer regelmäßigen Prüfung bereits vorhandener Sicherungsbauwerke. Eine Ausweitung dieses Systems auf ganz Deutschland kann auch den Kommunen die Arbeit erleichtern. [ dlu ]


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