Frau Brandbeck, welche Auswirkungen hat die Urbanisierung auf die Tierwelt in Karlsruhe?
Patricia Brandbeck: Sogenannte Kulturfolger wie Fuchs, Dachs und Marder sind an urbane Lebensräume sehr gut angepasst. Sie profitieren vom hervorragenden Nahrungsangebot in Städten und können dort in höheren Dichten vorkommen als in Wald und Feld. Andere Arten, die spezielle Lebensraumanforderungen haben, werden durch die zunehmende Urbanisierung gestört oder gar verdrängt.

Welche Arten von Wildtieren leben in Karlsruhe, und welche Tiere sind im Stadtkern das größte Problem?
Zu den häufig vorkommenden Wildtieren in Karlsruhe gehören Nutrias, Gänse, Rabenvögel, Füchse, Dachse, Waschbären, Marder und Wildkaninchen. Wildtiere an sich sind grundsätzlich kein Problem; Konflikte können allerdings dort entstehen, wo Menschen und Wildtiere sich einen Lebensraum teilen. Das Vorkommen von Kaninchen kann beispielsweise an einer Stelle unproblematisch sein, an anderer Stelle beschädigen die Grabaktivitäten der Tiere die Infrastruktur. Aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf Ökosysteme liegt ein Augenmerk auf den sogenannten invasiven Arten wie Nutria, Nilgans und Waschbär, die hier nicht heimisch sind und eine starke Ausbreitungstendenz haben.

Welche Maßnahmen führen dazu, dass die Städte tierfreundlicher gestaltet werden können?
Maßnahmen sind zum Beispiel der Erhalt von Alt- und Totholz, das Anbringen künstlicher Nisthilfen und Quartiere für Vögel und Fledermäuse oder insektenschonende Beleuchtung. Eine wichtige Maßnahme ist außerdem die Information der Bevölkerung zu Biologie und Verhalten von Wildtieren. Ihre Bedürfnisse zu kennen und darauf Rücksicht zu nehmen, ist entscheidend, um ein gutes Zusammenleben zu ermöglichen. Aber auch Maßnahmen zur Verhinderung von Wildtierfütterungen gehören dazu, ebenso wie die Sperrung des Rheindamms bei Hochwasser zum Schutz der lokalen Wildtiere.

 

Die Wildtierbeauftragte Patricia Brandbeck mit ihrem Hund: Sie ließ sich von KOMMUNALtopinform zum Umgang mit Wildtieren in der Stadt Karlsruhe interviewen.
Die Wildtierbeauftragte Patricia Brandbeck ließ sich von KOMMUNALtopinform zum Umgang mit Wildtieren in der Stadt Karlsruhe interviewen.

 

Wie können Mensch und Tier in städtischen Gebieten harmonischer zusammenleben? Haben Sie hierfür ein Konzept?
Zur Lösung und/oder Vermeidung von Konflikten zwischen Mensch und Tier beruht das urbane Wildtiermanagement auf drei Säulen: Beratung und Information, Habitatmaßnahmen und Bejagungsmaßnahmen. Das Wissen um Wildtiere ist die beste Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben. Dort wo dennoch Konflikte auftreten, werden Veränderungen des Habitats – etwa das Entfernen von Futtermitteln oder das Verschließen von Zugängen – vorgenommen. In Fällen, wo präventive Maßnahmen keinen Erfolg haben, werden Wildtiere auch bejagt, zum Beispiel beim Auftreten von Wildtierkrankheiten wie Räude oder Staupe.

Im Wildtierschutz werden verschiedene Maßnahmen angewendet, um bedrohte Tierarten zu schützen und ihre Lebensräume zu erhalten. Dazu gehören die Einrichtung von Schutzgebieten, die Überwachung von Wildtierpopulationen. Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?
Natur im urbanen Raum dient beispielsweise Forst- und Landwirtschaft als Nutzfläche, sie dient der Freizeitnutzung und soll und muss gleichzeitig Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten bleiben. Diesen vielfältigen Interessen und Ansprüchen an unsere Natur gerecht zu werden, ist mit die größte Herausforderung beim Schutz bedrohter Arten.

 

Eine Nutria im Wasser sitzend, sie nagt an etwas: Die Nutria, auch Biberratte genannt, kann vor allem an der runden Schwanzform von einem Biber unterschieden werden.
Die Nutria, auch Biberratte genannt, kann vor allem an der runden Schwanzform von einem Biber unterschieden werden.

 

Beim Neozoenmanagement werden invasive Arten kontrolliert, um negative Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu minimieren. Dies kann durch gezielte Entnahme, Habitatmanagement oder die Einführung natürlicher Feinde erfolgen. Wo kommt hier die Stadt Karlsruhe zum Einsatz?
Wir dokumentieren das Vorkommen invasiver Arten wie Nilgans, Nutria und Waschbär im Stadtgebiet Karlsruhe. Auch hier greift das oben erläuterte Konzept. Der Beratung der Bevölkerung und anderer Stellen über das Vorkommen und die Auswirkungen invasiver Arten in Karlsruhe kommt eine hohe Bedeutung zu. An Vorkommensschwerpunkten werden sowohl Wildtiere gezielt entnommen, als auch Habitatmaßnahmen umgesetzt, um Schäden und Konflikte durch invasive Arten zu vermeiden oder zu minimieren.

Frau Lisbach, wie schätzen sie die Lage als Bürgermeisterin von Karlsruhe ein?
Bettina Lisbach: Unser urbanes Wildtiermanagement basiert auf dem Grundsatz, dass Wildtiere zum Stadtbild dazugehören und die biologische Vielfalt bereichern. Aus diesem Grund haben wir ein Wildtier-Konzept erstellt. Was wir tun, um Wildtiere bei uns zu fördern, hat Patricia Brandbeck ausführlich erläutert. Zudem informieren wir regelmäßig die Bevölkerung zu Biologie und Verhalten von Wildtieren. Es ist wichtig, die Lebensräume und Bedürfnisse der Tiere zu kennen, um darauf Rücksicht nehmen zu können.

Stadt Karlsruhe

Karl-Friedrich-Straße 10

76133 Karlsruhe

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