Kulturlandschaften digital erfassen
Internetseiten für alle, die mehr wissen wollen
Eine alte Römerstraße, eine seit Jahrhunderten bestehende Obstwiese, eine stillgelegte Fabrik, ein alter Grenzstein, ein Denkmal und eine Ruine – all das sind stumme Zeugnisse früherer Aktivitäten in unserer Landschaft. An vielen würden Reisende nur vorbeifahren, und oft wissen nicht einmal Einheimische, welche historischen Schätze sie vor ihrer Haustür finden können. Damit soll es nun endgültig vorbei sein. Mehrere Plattformen in Deutschland beschäftigen sich mit dem historischen Erbe der Kulturlandschaften.
Ein gutes Beispiel sind die Internetseiten KuLaDig.de und kulturlandschaftsforum-bayern.de. Auf beiden Seiten findet man interaktive Karten mit zahlreichen interessanten Punkten. Wer sie anklickt, bekommt eine ausführliche Erklärung und Fotos. Diese Seiten sind für jeden interessant, aber auch für die Forschung wichtig. Denn bisher musste man tief in alte Archive eintauchen, um zu erfahren, wer warum eine Allee angelegt hat oder warum die Mauern einer alten Fabrik immer noch stehen, und was dort eigentlich mal hergestellt wurde.
Kulturelle Vielfalt sichtbar machen
Das Projekt KulaDig.de startete vor fünf Jahren in Rheinland-Pfalz und Hessen und wird vom LVR, dem Landschaftsverband Rheinland, getragen. Im September fand in Koblenz bereits das zweite Treffen von Kommunen, Vereinen und anderen Akteuren statt, die an der Plattform mitarbeiten. Dabei wurde der Landkreis Bad Dürkheim als vorbildliche KuLaDig-Kommune ausgezeichnet. Katharina Schneider, die im Kreishaus für die Kreisentwicklung zuständig ist, erklärte: „Wir wollen die kulturelle Vielfalt sichtbar machen und die Identität der Ortsgemeinden stärken.“ Mehrere Kulturgüter im Landkreis seien bereits abrufbar, zum Beispiel das ehemalige kurfürstliche Jagdhaus in Elmstein, der Flaggenturm in Bad Dürkheim oder die St. Cyriakus-Kapelle in Lindenberg. Die Liste wird stetig erweitert. Laut Ministerium des Innern und für Sport sollen in allen Gemeinden, die am Zukunfts-Check Dorf teilnehmen, mindestens fünf Kulturgüter erfasst werden.
Ein einziger Blick auf die Karte zeigt, dass die Kommunen in Rheinland-Pfalz und Hessen besonders aktiv sind. Aber es gibt auch grüne Punkte in Schleswig-Holstein, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein – und einige wenige in Baden-Württemberg. In dem 6600-Einwohner-Ort Maulbronn im Norden von Baden-Württemberg gibt es beispielsweise einige sehr interessante Punkte in der Kulturlandschaft. Hier gibt es nicht nur ein altes Zisterzienserkloster, das zu den UNESCO Welterbestätten zählt, sondern auch einen Weinberg, der erstmals 1250 urkundlich erwähnt wurde, ein altes Berghaus und mehrere uralte Straßen, die seit der Blütezeit des Klosters bestehen. Obwohl die Kommune eher klein ist, hat man sich hier auf das digitale Zeitalter voll eingestellt. So beteiligt sich die Kommune nicht nur aktiv an der KuLaDig-Plattform, es gibt auch eine Bürger-App und ein digitales Rathaus.
Seit Sommer 2023 ist die Karte sogar über die Grenzen Deutschlands hinausgewachsen und zeigt auch einige Kulturlandschaften in Albanien und in der Ukraine.
Auch Bayerische Kulturlandschaften sind digital erfasst
Auch in Bayern bietet eine Internetseite Einzelheiten und Fakten über Kulturlandschaften. Auf der Seite kulturlandschaftsforum-bayern.de gibt es ebenfalls eine interaktive Karte mit zahlreichen Punkten, die vielleicht sogar Einheimische leicht übersehen könnten. Wo gibt es historische Fußwege und Altstraßen, wo stehen Feldkreuze und Wegkapellen, und was bedeuten die alten Grenzsteine? Wer es genau wissen will, findet hier die Antwort. Seit über 20 Jahren setzt sich der Bayerische Landesverein für Heimatpflege bereits für die bayernweite Erfassung von historischen Kulturlandschaftselementen ein. Um dieses Ziel zu verfolgen, wurden diverse Projekte in Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und weiteren Partnern durchgeführt.
Die aktuelle Seite wird seit September 2021 über einen Zeitraum von drei Jahren durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat über die Heimat-Digital-Regional-Förderrichtlinie (HDRFöR) unterstützt. Auf der Seite finden Interessenten inzwischen zahlreiche hochinteressante Punkte, wie beispielsweise eine alte Linde – die Tassilolinde – in Wessobrunn im Pfaffenwinkel. Sie ist schätzungsweise 450 bis 800 Jahre alt – das genaue Alter lässt sich nicht feststellen. Oder zwei alte Bauernkeller in Ipsheim, die wahrscheinlich schon im Mittelalter entstanden sind und heute zu einem Weingut gehören. Oder wie wäre es mit folgender Information? In Lalling bei Deggendorf gibt es eine Streuobstwiese, deren Bäume bereits 125 Jahre alt sind. Die Wiese gehört der Familie Geiger, der Urgroßvater hat sie angelegt. Seitdem wird die inzwischen schützenswerte Wiese von der Familie liebevoll gepflegt. Wer so etwas weiß, macht unweigerlich kurz Halt und bewundert die vielen Bäume. Und so verteilen sich die vielen interessanten Punkte über die ganze Karte und lassen Passanten die Umwelt mit völlig neuen Augen sehen.
An der Seite kann jeder mitarbeiten, der besonderes Wissen über seine Heimat hat. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, Bezirks- und Kreisheimatpfleger unterstützt das Vorhaben mit fachlicher Expertise. Aktuell sind über 4.100 Heimat-Einträge aus ganz Bayern auf der Webseite enthalten, davon sind 1.755 nach redaktioneller Prüfung für die öffentliche Ansicht bereits freigeschaltet.
Weitere Informationen und die erwähnten Seiten unter:
www.kuladig.de und www.kulturlandschaftsforum-bayern.de