Auch für kleinteiliges Gemüse wie Bohnen sind die Hemdchen-Tüten sehr praktisch und hygienisch.

Auch für kleinteiliges Gemüse wie Bohnen sind die Hemdchen-Tüten sehr praktisch und hygienisch.

2. Juli 2020

Pro und Contra Plastiktüte – ein Interview mit Dr. Regina Dube

Papiertüten sind aus ökologischer Sicht nicht wirklich besser als Einweg-Plastiktüten

Die Veröffentlichung im vergangenen Jahr zum „Ökobluff bei Tragetaschen“ hat Verbraucher auch verunsichert, waren doch bis dahin für die meisten von uns Papiertüte und der Stoffbeutel das Gebot der Stunde. Dazu kam, dass Papiertüten anschließend für den Biomüll und Plastiktüten und die kleinen Obst- und Gemüsebeutel für den Restmüll genutzt wurden, statt Rollen mit Mülltüten neu zu kaufen. Warum sollen jetzt Plastiktüten verboten werden?

Einweg-Plastiktüten sind ein klassisches Wegwerfprodukt. 20 Minuten – länger wird so eine Tüte in der Regel nicht genutzt. Das ist schlichtweg Ressourcenverschwendung. Deshalb gibt es seit 2016 eine Vereinbarung mit dem Handel, der seither Tüten nur noch gegen Bezahlung abgibt und zudem einschlägige europarechtliche Vorgaben umsetzt. Es hat sich gezeigt: Die Tüte ist mittlerweile ein Auslaufmodell. Seit 2016 nutzen die Deutschen die Tüten immer weniger. Im Vergleich zu 2015 ist der Verbrauch schon um gut zwei Drittel zurückgegangen. Pro Kopf verbrauchen die Deutschen jährlich nur noch zwanzig der leichten Kunststofftragetaschen. Diese Entwicklung sichern wir nun mit dem Verbot für Plastiktüten ab und bringen den Verbrauch bei allen auf null. Papiertragetaschen sind keine gute Alternative: Sie haben keine günstigere Ökobilanz als Kunststofftragetaschen, und sie gehören auch nicht in den Biomüll. Die besten Alternativen sind noch immer Stofftaschen, Rucksäcke oder andere Mehrwegbehältnisse, die lange Zeit wiederverwendet werden.

 

Was unterscheidet die nicht von dem Verbot betroffene Plastiktüte über 50 Mikrometer von den anderen, beziehungsweise was kann sie, was die anderen Plastiktüren nicht können?

Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikrometern sind aufgrund der kräftigen Wandstärke vergleichsweise stabil und können daher öfter verwendet werden. Daher nutzen Verbraucherinnen und Verbraucher sie nicht als Einweg-, sondern als Mehrwegprodukt. Auch die europarechtlichen Vorschriften, auf denen das Verbot der leichten Kunststofftragetaschen basiert, sehen Taschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikrometern als Mehrwegprodukt an. Entsprechend wurden diese von unseren Verbotsregelungen ausgenommen. In Deutschland werden hiervon aktuell jährlich etwa fünf Stück pro Kopf erworben. Aktuell gehört diese Art Kunststofftragetaschen nicht zu den typischen Taschen, die man im Einzelhandel erhält.

 

Wie steht es um die dünnen Knoten- oder Hemdchenbeutel, in denen Obst und Gemüse transportiert wird? Zeigt nicht die aktuelle Krisensituation, dass es hygienisch und wichtig sein kann, Obst- und Gemüse nicht lose in Einkaufswagen oder auf Laufbänder zu legen, zumal dadurch die Kassiererin noch jedes Stück in die Hand nehmen muss?

Die Hemdchenbeutel werden nicht verboten, weil es für sie kaum umweltfreundliche Alternativen gibt. Sie sorgen vor allem für einen hygienischen Umgang mit offenen und leicht verderblichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Fleisch- oder Wurstwaren. Würden sie heute verboten werden, kämen neue (Vor-)Verpackungen auf den Markt, was wiederum zu mehr Verpackungsabfall führen würde. Auch wenn der Verbrauch an Hemdchenbeuteln sich in Deutschland auf gleichbleibendem, relativ niedrigen Niveau von jährlich rund 37 Stück pro Kopf bewegt, setzen bereits mehrere Handelsketten abfallvermeidende Alternativen ein. Einige Handelsketten haben bereits damit begonnen, bei Gemüse Verpackungen gänzlich wegzulassen. Das ist der richtige Ansatz, denn dadurch werden nicht nur Verpackungen eingespart. Ich kann auf diese Weise genau so viel einkaufen, wie ich wirklich benötige. Verpackungen wegzulassen ermöglicht uns also einen bedarfsgerechten Einkauf, was wiederum die Lebensmittelverschwendung mindert.

 

Welche Transportmöglichkeit für lose Waren – vom Kleidungsstück bis zum Stadteinkauf mit mehreren unterschiedlichen Produkten können Sie den Kunden empfehlen und warum? Gibt es belastbare Studien über ökologische Fußabdrücke geeigneter Transportverpackungen für die Entscheidungsfindung der Verbraucher?

Besonders empfehlenswert sind langlebige Produkte wie Rücksäcke oder Körbe. Aber auch Mehrweg-Taschen aus Kunststoffgewebe, wie zum Beispiel Polyester sind gute Alternativen. Je häufiger sie benutzt werden, desto umweltfreundlicher werden sie. So ist eine Mehrwegtragetasche aus Plastik bereits nach wenigen Nutzungen umweltfreundlicher als eine Einwegplastiktüte. Bei Stoffbeuteln muss man darauf achten, dass sie entweder aus Recyclingmaterial stammen oder ihr Grundstoff aus der ökologischen Landwirtschaft kommt, zum Beispiel Flachs oder Baumwolle. Vor allem kommt es darauf an, dass sie oft wiederverwendet werden. Erst dann weisen insbesondere die ressourcenintensiv hergestellten Baumwollbeutel ökologische Vorteile gegenüber Einweg-Plastiktüten auf.

Vom Gebrauch so genannter Bioplastiktüten raten wir hingegen ab. Dahinter verbirgt sich meist eine Mogelpackung. Kunststoffe aus Pflanzen wie Zucker, Kartoffeln oder Mais sind nicht unbedingt umweltfreundlicher. Der Anbau von Pflanzen für die Kunststoffproduktion ist häufig mit verstärktem Pestizideinsatz verbunden und findet in Monokulturen statt. Auch Tragetaschen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen sind nicht umweltfreundlich. Sie bauen sich in der Natur kaum ab und verleiten des Weiteren dazu, sie nicht sachgerecht zu entsorgen. Eine solche unsachgemäße Entsorgung erfolgt zum Beispiel über die Biotonne, wo leichte Einwegtragetaschen unabhängig von ihrer materiellen Beschaffenheit als Verpackungen keinesfalls hingehören.

 

Wie erklären Sie sich, dass die Papiertüte emotional eine viel bessere Chance in der Bevölkerung hat und die Kunststofftüte pauschal in die Schmuddelecke gestellt wird?

Papiertüten scheinen auf den ersten Blick ein gutes Mehrwegbehältnis zum Transport von Einkäufen zu sein. Sie sind oft aus Recyclingpapier und landen selten in der Umwelt. Falls doch, werden sie im Vergleich zu Kunststofftragetaschen dort relativ schnell biologisch abgebaut. Aber Papiertüten sind aus ökologischer Sicht nicht wirklich besser als Einweg-Plastiktüten. Die Produktion verursacht viele Kohlendioxid-Emissionen und es wird dabei sehr viel Wasser verbraucht, das in der Folge aufwendig gereinigt werden muss. Beim Einwirken von Regenwasser sind Papiertüten zudem deutlich weniger haltbar als solche aus Kunststoff.

Bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern ist inzwischen angekommen, dass Einwegprodukte aus Kunststoff die Umwelt stark belasten können. Die Berichterstattung schießt aber manchmal über das Ziel hinaus, sodass plötzlich alle Kunststoffprodukte in Verruf geraten. Dabei ist Kunststoff ein wertvoller und vielseitig einsetzbarer Rohstoff, der bei richtiger Verwendung sogar der Umwelt nützen kann. Etwa bei meinem Beispiel oben, eine Polyester-Tragetasche ist viel haltbarer und einfacher und öfter wieder zu verwenden, als eine Papiertasche. Hier hat also ein mehrfach genutztes und am Ende seines Lebenszyklus ordnungsgemäß verwertetes Kunststoffprodukt ökologisch die Nase vorn gegenüber einem Produkt aus einem vermeintlich umweltfreundlicheren Material wie Papier.

Unabhängig hiervon ist es mit Blick auf die Abfallvermeidung und die Ressourcenschonung schlicht am besten, zum Transport des Einkaufs Mehrwegtaschen oder Rucksäcke zu nutzen.

 

Dr. Regina Dube, Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft und Ressourcenschutz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, ist sich sicher: „Die Hemdchenbeutel werden nicht verboten, weil es für sie kaum umweltfreundliche Alternativen gibt. Sie sorgen vor allem für einen hygienischen Umgang mit offenen und leicht verderblichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Fleisch- oder Wurstwaren. Würden sie heute verboten werden, kämen neue (Vor-)Verpackungen auf den Markt.“

Dr. Regina Dube, Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft und Ressourcenschutz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, ist sich sicher: „Die Hemdchenbeutel werden nicht verboten, weil es für sie kaum umweltfreundliche Alternativen gibt. Sie sorgen vor allem für einen hygienischen Umgang mit offenen und leicht verderblichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Fleisch- oder Wurstwaren. Würden sie heute verboten werden, kämen neue (Vor-)Verpackungen auf den Markt.“

 

Dr. Regina Dube ist Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft und Ressourcenschutz
beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Für Rückfragen:
Tel.: +49 30 18305-2010
presse@bmu.bund.de
www.bmu.de

 

Den Hauptartikel, alle Statements und übrigen Interviews zum Thema „Pro und Contra Plastiktüte“ finden Sie unter folgenden Links:

>> Kommt das nun in die Tüte oder nicht? <<, Hauptartikel

>> Interview mit Kurator Frank Lang <<, vom Museum für Alltagskultur Waldenbuch zur Ausstellung „Adieu Plastiktüte“ (Landesmuseum Stuttgart)

>> Interview mit Aldi Süd <<

>> Statement von Dr. Oliver Möllenstädt <<, Hauptgeschäftsführer Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. (GKV)

>> Statement von Dr. Michael Jedelhauser <<, Referent für Kreislaufwirtschaft, NABU

>> Statement von Thomas Fischer <<, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe e.V.


Logo BMU

Stresemannstraße 128 - 130
10117 Berlin

Ämter, Behörden und Ressorts: poststelle@bmu.bund.de

Tel. +49 30 18 305-0
Fax. +49 228 99 305-3225
E-Mail. zentrale@bmu.de-mail.de
E-Mail. poststelle@bmu.bund.de
Web. www.bmu.de

Mehr von
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)


17. April 2024


Das könnte Sie auch interessieren