Die Kirche erfindet sich neu
Aus dreimal evangelisch-lutherische Kirche in Bayern wird Eins / Von inhaltlicher Kooperation zu einer Einrichtung
Drei Einrichtungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sollen bis Anfang 2026 fusioniert werden. Aufgrund rückläufiger Ressourcen hat sich die Landeskirche einen Sparkurs verordnet. Die Fusion erfordert neue Organisationsstrukturen und neue Formen der Zusammenarbeit. Begleitet wird dieser Transformationsprozess von der Organisationsberaterin Tanja Reuther.
Die Landeskirche Bayern hat früh erkannt, dass sie Ressourcen sparen und sich für die Zukunft anders aufstellen muss. Um das zu erreichen, muss agiler zusammengearbeitet und die Attraktivität für zahlende Kirchenmitglieder unter anderem durch sinnstiftende Angebote erhöht werden. Im Juli 2020 startete die Organisationsberaterin mit einem ersten Workshop mit dem Landeskirchenamt als Auftraggeber, einem Oberkirchenrat, zwei Kirchenräten und den Leitungen der drei Einrichtungen: den Ämtern für Jugendarbeit und Gemeindedienst und der Gemeindeakademie Rummelsberg. Diese sechsköpfige Steuerungsgruppe wurde im Prozessverlauf noch um die stellvertretenden Leitungen erweitert.
Es galt ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Veränderung für die Zukunftssicherung notwendig ist. Die so genannte externe Referenz schärft den Blick für die sich verändernde Marktsituation. Neben dem Kostendruck ändern sich auch die Erwartungen und Bedarfe von Mitarbeitenden. Das zu wissen, festigte die Bereitschaft, am System zu arbeiten.
Die Steuerungsgruppe entwickelte eine Strategie, die mehrere Prozesse nach sich zog: Durch die Fusion der drei Einrichtungen mit unterschiedlichen Zielgruppen und Organisationsstrukturen soll ein Mehrwert für zahlende Kunden geschaffen und Wertschöpfung generiert werden. Parallel dazu wird eine Immobilie umgebaut, in die auch die drei Einrichtungen mit neuen Arbeitsabläufen und Aufgaben einziehen werden. Bei der Gestaltung der Arbeitsflächen sollen sie mitbestimmen können, um das agile, selbstorganisierte Arbeiten zu fördern.
Themenübergreifende Zusammenarbeit
In weiteren Workshops entwickelten die Einrichtungsleitungen Ideen, wie sie ihre Themen bündeln können, um Synergieeffekte zu nutzen und die Versäulung aufzulösen. Sprich es gab drei Ämter, die ähnliche Themenbereiche, zum Beispiel Ehrenamt, interkulturelle Kirche und Organisationsentwicklung, bespielten. Wurden bislang Mitarbeiter für einen Themenbereich eingestellt, ist das Bestreben heute, mehrere Perspektiven für ein Thema einzuholen und dadurch einen Mehrwert zu stiften. Die Einrichtungen fungieren dabei als Dienstleister für die Gemeinden und Dekanate, organisieren zum Beispiel die Jugendarbeit oder beraten bei einer Organisationsentwicklung.
Der neue Ansatz, Themen zu bündeln, erforderte ebenso eine neue Struktur und Form der Zusammenarbeit: In sogenannten Expertise-Teams sollen Mitarbeitende unterschiedlicher Bereiche themenübergreifend zusammenarbeiten, damit zum Beispiel das Thema Ehrenamt auch aus Sicht der Jugend oder mit der Brille von HR oder der Öffentlichkeitsarbeit bearbeitet wird. So werden Ressourcen gespart, weil die Themen nicht mehr mit dem Fokus auf die Zielgruppe (zum Beispiel Jugend), sondern auf die Aufgabe organisiert werden. So können neue Angebote entwickelt werden, die für die Kirchenmitglieder interessant sind. Auf diesem Weg ist zum Beispiel ein neues Angebot für Singles entstanden, die sich regelmäßig in der Gemeinde treffen, gemeinsam etwas unternehmen und die Kirche als Ort der Gemeinschaft und Vernetzung erleben.
Expertise-Teams nutzen Synergien
Jeweils eine Leitung begleitet ein Expertise-Team. Statt in klassischen Führungsstrukturen können die Teams heute im Rahmen der Leitplanken selbstorganisiert arbeiten. Stellenbeschreibungen sollen gemäß der neuen Teamstruktur schrittweise durch Aufgabenbeschreibungen ersetzt werden.
Derzeit erproben die Expertise-Teams die neue Form der Zusammenarbeit und bearbeiten erste Themen zusammen. Dabei gibt es auch immer wieder Diskussionsstoff, der in den Workshops bearbeitet wird: Wer ist für welche Aufgabe zuständig, wo gibt es Schnittstellen, und wie sollen Stellvertretungen geregelt werden? Es ist ein Lernprozess, bei dem ausprobiert und nachjustiert wird – ganz im Sinne des selbstorganisierten Arbeitens, das auf Eigenverantwortung setzt und Mitarbeitenden Freiräume gewährt, ihre Arbeit zu gestalten.
Parallel zu den Expertise-Teams gibt es nach wie vor Projektteams, wie zum Beispiel im Bereich der Landesstellenplanung. Hier entwickeln die drei Einrichtungen gemeinsame Formate für die Praxis vor Ort in den Kirchengemeinden und stimmen sich in der Beratung immer wieder ab.
Heute, nach insgesamt 35 Workshops innerhalb von drei Jahren, sind viele Meilensteine erreicht worden: Neben der neuen Teamstruktur wurde ein deutlicher Mehrwert für die Gemeinden geschaffen. Diese können schon heute klar erkennen, wer für welche Themen verantwortlich ist. Die Struktur der Zusammenarbeit wächst weiter: Die drei Einrichtungsleitungen haben beschlossen, dass sie künftig einen gemeinsamen Geschäftsführer einstellen wollen, der die beiden Geschäftsführer, die in Rente gehen, ersetzen soll. Auch wollen sie weitere Stellenbesetzungen gemeinsam vornehmen. Gab es anfangs noch Zweifel und teilweise Widerstand, empfinden die meisten Mitarbeitenden die
neue Art der Zusammenarbeit als bereichernd. Die Landeskirche ist auf einem guten Weg, sich aktuellen Herausfor-
derungen zu stellen und aktuelle Themen gesellschaftlicher und kirchlicher Entwicklung proaktiv anzugehen.
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