
Solarmodule auf Freiflächen? Viele Kommunen diskutieren, ob sie dies ermöglichen sollen.
Die Sonne ins Dorf holen?
Wie Gemeinden konstruktiv über den Ausbau der Photovoltaik diskutieren können
Baden-Württemberg ist Deutschlands sonnigstes Bundesland: Über dem Südwesten schien die Sonne im vergangenen Jahr 1805 Stunden, wie aus Unterlagen des Deutschen Wetterdienstes hervorgeht. Das sind rund 200 Stunden mehr als im Bundesdurchschnitt. Grund genug, sollte man meinen, im sonnigen Süden Deutschlands auf die Gewinnung von Strom und Wärme durch Solarenergie zu setzen. Doch zuletzt ist im Ländle ausgerechnet der Zubau von Photovoltaikanlagen ins Stocken geraten. Das soll sich nach dem Willen der Landesregierung in Stuttgart künftig ändern. Auch auf Freiflächen sollen bald mehr Solaranlagen stehen.
Erhielten in Baden-Württemberg bis vor kurzem nur Solarparks auf Konversionsflächen und entlang von Autobahnen und Schienen Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), sieht eine geänderte Rechtslage nun weitere Flächen dafür vor.
Seit März 2017 kommen für den Bau von Photovoltaikanlagen auch die rund 900.000 Hektar Acker- und Grünland in Betracht, die in Baden-Württemberg zu den so genannten „benachteiligten“ Gebieten gehören. Das regelt die Freiflächenöffnungsverordnung, die den jährlichen Ausbau allerdings auf 100 Megawatt begrenzt, was einer Fläche von 150 bis 200 Hektar (rund 0,2 Promille) entspricht. In einem Hinweispapier für die Kommunen erläutert das Umweltministerium des Landes zudem, dass Flächen mit hohem landwirtschaftlichem Potenzial und mit großer Bedeutung für den Naturschutz vom Bau von Photovoltaikanlagen möglichst verschont werden sollen.

Besonders hochwertige Flächen sollen weiterhin der Landwirtschaft vorbehalten bleiben. Darüber hinaus haben Gemeinden aber große Entscheidungsspielräume, wenn es darum geht, ob und auf welchen Flächen Photovoltaik möglich sein soll.
Für die Kommunen ist es häufig eine Herausforderung: Soll bei uns ein Solarpark entstehen? Wo wäre er unter Naturschutzaspekten vertretbar? Ab welcher Bodenqualität ist uns die Stromernte wichtiger als der Anbau von Lebens- und Futtermittelpflanzen? Das sind Fragen, mit denen Kommunen immer häufiger konfrontiert werden. Und mehr noch gilt es zu bedenken: Wird das Landschaftsbild unzumutbar in Mitleidenschaft gezogen? Käme ein Gemeinschaftsprojekt mit einer Nachbarkommune in Frage? Und wie kann die Kommune aus einem Solarpark-Projekt selbst einen Nutzen ziehen?
Bürgermeister und Gemeinderäte müssen an den Energie- und Klimazielen mitwirken, gleichzeitig aber auch vermeiden, dass aus unterschiedlichen Vorstellungen über die Nutzung verfügbarer Flächen unüberwindbare Konflikte entstehen. Das Forum Energiedialog (FED), ein Programm des Landes Baden-Württemberg, bietet hier den Kommunen Unterstützung an. Ziel ist es, der Eskalation von Interessenskonflikten in den Kommunen vorzubeugen und Entscheidungsprozesse transparent zu gestalten. Professionelle und allparteiliche Berater unterstützen dabei die lokalen Entscheidungsträger.

Das Forum Energiedialog bringt Bürger und Experten miteinander ins Gespräch: Beim Experten-Forum zu Windkraft und Vogelschutz am 2. Juli 2018 in Pfullendorf-Denkingen berichteten Artenschutz-Gutachter über ihre Arbeit. Interessierte durften Fragen stellen und mitdiskutieren.
In Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat hilft das FED zunächst dabei, zu klären, was der Kommune beim Ausbau der Solarenergie wichtig ist. Dazu kann sie zum Beispiel Kriterien formulieren. Das Forum, das über Sachverstand und Erfahrung im Umgang mit konfliktträchtigen Infrastrukturmaßnahmen verfügt, moderiert diesen Prozess.
Hat sich der Gemeinderat über Kriterien verständigt, gilt es, sie der Bürgerschaft zu vermitteln. Auch hier kann das FED den Entscheidungsträgern behilflich sein, zum Beispiel mit der Durchführung von Informations- und Dialogveranstaltungen, Exkursionen sowie mit Infomaterial. Wichtiges Prinzip dahinter: offen und transparent informieren und einen fairen Austausch über unterschiedliche Sichtweisen ermöglichen.
Seit das Forum Energiedialog im März 2016 die Arbeit aufnahm, ist es in zahlreichen Kommunen landesweit aktiv. Stand zunächst der Ausbau der Windenergie im Mittelpunkt der Tätigkeiten des Forums, ist es nun auch bei Konflikten im Zusammenhang mit der Planung von Photovoltaikanlagen im Einsatz.
Das Forum Energiedialog steht allen baden-württembergischen Kommunen offen. Bürgermeister sind eingeladen, unverbindlich Kontakt aufzunehmen und Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu ermitteln. Weder für die Beratung noch für den Einsatz des Forums entstehen den Kommunen Kosten.
Jakob Lenz und Christiane Freitag

Bei kommunalen Infomärkten des Forums Energiedialog können sich Bürger über laufende Planungen informieren, wie hier in Winterlingen am 10. September 2016.