Derzeit wird der weltweit erzeugte Wasserstoff nahezu ausschließlich aus fossilen Quellen gewonnen. Das soll sich nun nach und nach ändern.

Derzeit wird der weltweit erzeugte Wasserstoff nahezu ausschließlich aus fossilen Quellen gewonnen. Das soll sich nun nach und nach ändern.

10. Januar 2024

Wasserstoff aus Biogas

Was nach einer Zukunftsvision klingt, ist längst Realität / Gesucht: mutige Macher

Das Ziel steht fest, der Weg ist klar. Das könnte man meinen, wenn man die Verlautbarungen zur Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie diesen Sommer vernommen hat. Der Aufbau einer ganzheitlichen Wasserstoffwirtschaft, welche nebenbei auch noch marktführend auf der Welt sein soll, wurde jüngst von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verkündet.

Derzeit wird der weltweit erzeugte Wasserstoff jedoch nahezu ausschließlich aus fossilen Quellen gewonnen: allein 62 Prozent werden aus Erdgas, 19 Prozent aus Kohle und18 Prozent als Nebenprodukt aus Raffinerien hergestellt.

Elektrolyse-Wasserstoff macht laut des Umweltbundesamtes gerade einmal 0,04 Prozent der globalen Wasserstoffherstellung im Jahr 2022 aus. Doch es gibt auch andere CO2-arme und inländische Alternativen zur Herstellung von Wasserstoff. Allen voran die Herstellung aus Biomasse. Eine mögliche „Notwendigkeit“ großzügiger Einkaufstouren in fernen Ländern dieser Erde sollten folglich bedacht abgewogen werden. Denn nicht nur das große Vermeidungspotenzial von klimaschädlichen Emissionen ist ein großer Vorteil der Verwendung von Wasserstoff, sondern eben auch die Unabhängigkeit von ausländischen Energieimporten. Wozu starke Abhängigkeiten führen können, hat jeder in den letzten zwei Jahren nicht nur auf seiner Nebenkostenabrechnung gesehen. Glücklicherweise ist die Fortschreibung der deutschen Wasserstoffstrategie technologieoffen formuliert. Neben der Elektrolyse sollen laut des Wirtschaftsministers auch Wasserstoff aus Abfällen und Biomasse eine sinnvolle Ergänzung zum Elektrolyse-Wasserstoff darstellen.

Denn es gibt eine ganze Reihe von Verfahren, welche sich ebenfalls zur wirtschaftlichen Herstellung von Wasserstoff eignen und teilweise noch in der Entwicklungsphase stecken. So zum Beispiel das sogenannte Reformer Steam Iron Cycle Verfahren, bei welchem eine stabile Kreislaufreaktion unter der Verwendung von Eisen und Biomethan genutzt wird. Die Technische Universität Graz erprobt dieses Verfahren zurzeit mit Ihrem Projekt Biogas2H2. Bei einer vergleichbaren 10 Kilowatt Laboranlage wurde nicht nur Wasserstoff produziert, der rein genug zur Verwendung in Brennstoffzellen von Fahrzeugen war, die Kosten hierfür betrugen bei einem Wirkungsgrad von 84 Prozent lediglich 5,50 Euro je Kilogramm, was einer Heizwertrechnung von 0,17 Cent pro Kilowattstunde dem Preisniveau von Benzin entspräche.

Die Wasserstoffherstellung mithilfe der Dampfreformierung an kleineren Biogasanlagen ist insbesondere dann lukrativ, wenn die Abwärme aus reiner Biogasverstromung nicht vor Ort abgesetzt werden kann und dezentrale Möglichkeiten der Wasserstoffgewinnung aus Elektrolyse eingeschränkt sind.

Die Wasserstoffherstellung mithilfe der Dampfreformierung an kleineren Biogasanlagen ist insbesondere dann lukrativ, wenn die Abwärme aus reiner Biogasverstromung nicht vor Ort abgesetzt werden kann und dezentrale Möglichkeiten der Wasserstoffgewinnung aus Elektrolyse eingeschränkt sind.

Auch ist die Dunkle Fermentation ein interessantes Konzept, welche aus Industrie- und Lebensmittelabwässern zugleich Wasserstoff, Biomethan und CO2 in Industriequalität aufbereitet und nutzbar macht. Hierbei ist der Prozess in zwei voneinander getrennte Verfahrensschritte aufgeteilt. In einem ersten Schritt wandeln Mikroorganismen komplexe organische Verbindungen aus Biomasse, Reststoffen und Abwässern zu H2 und CO2 um. Da im ersten Schritt nicht alle organischen Verbindungen verwertet werden können, benötigt die Dunkle Fermentation einen abschließenden Verfahrensschritt. Hierbei wird ebenfalls unter anaeroben Bedingungen die verbleibende Organik zu CH4 und CO2 umgewandelt. Gerade in industriell geprägten Regionen bietet sich diese Technologie zur Sektorenkopplung an.

Besonders vielversprechend ist nicht zuletzt ein Verfahren, welches bereits am Markt erprobt und den Ursprung im Grunde genommen schon vor über 100 Jahren hatte. Es geht auf die ersten Entwicklungen von Carl Bosch zur Dampfreformation zurück. Das bayerische StartUp BtX energy erzeugt mit ihrem Projekt BioH2Ref jedoch nicht aus Erdgas, sondern aus Biogas dezentral biogenen Wasserstoff. Je nach Einsatzstoff und der sich daraus ergebenden Möglichkeit zur Teilnahme am Quotenhandel, wie es beispielsweise bei Abfällen und Gülle der Fall ist, können so besonders gewinnbringende Anlagen konzipiert werden. Gerade für alte Biogasanlagen, die sich am Ende ihres 20-jährigen Vergütungszeitraumes im Erneuerbare-Energien-Gesetz befinden, kann ein Umstieg in die Wasserstoffherstellung lohnen.

Heute viel wichtiger als die Herstellungskosten ist der Absatzmarkt. Dezentrale Biogasanlagen brauchen vor Ort Abnehmer. Hier können Kommunen mit lokalen Biogasanlagenbetreibern zusammenarbeiten. Lohnt sich vielleicht die Anschaffung einer Wasserstoffbus-Flotte? Eine durchschnittliche Biogasanlage mit etwa 400 Kilowatt elektrischer Leistung könnte etwa 430 Kilogramm Wasserstoff pro Tag herstellen. Ein mit Wasserstoff betriebener Bus verbraucht in etwa 25 Kilogramm am Tag. Eine solche Biogasanlage könnte also eine Busflotte mit 17 Fahrzeugen ganzjährig verlässlich mit Kraftstoff versorgen. Eine entsprechende Umrüstung von nur 10 Prozent der heutigen Biogas-Bestandsanlagen würde bereits ausreichen, um alle ÖPNV-Busse in Deutschland mit Wasserstoff zu betanken.

Vielleicht sind es bezüglich des biogenen Wasserstoffes am Ende eher weniger politische Hürden, die gute Projekte verhindern. Es braucht mutige Macher vor Ort, die gemeinsam in eine langfristige Zukunft blicken. Bis zum Aufbau einer echten Elektrolyse-Industrie kann die Bioenergie bereits heute kostengünstig und verlässlich Wasserstoff und Zukunftstechnologien „Made in Germany“ liefern.


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