Barrierefreiheit gesucht und gefunden
Eine App vereinfacht das Leben
In Deutschland leben etwa acht Millionen Menschen mit einer Behinderung. Das entspricht laut dem Statistischen Bundesamt rund zehn Prozent der Bevölkerung. Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht. Trotzdem gibt es noch immer etliche Orte, die für Menschen mit einer Behinderung gar nicht oder nur schwer zugänglich sind. Oft fehlen an Treppen an wichtigen Gebäuden die Rampen, und es gibt bis heute eine Reihe von Bahnhöfen ohne Aufzug.
Deshalb setzt sich der gemeinnützige Verein Sozialhelden e. V. seit mehr als 17 Jahren für die Belange von Menschen mit Behinderungen ein. Sie sind Experten in eigener Sache, arbeiten in politischer Kampagnenarbeit und für die Entwicklung barrierefreier Anwendungen. Sie verbinden das Know-how der Technologie- und Medienbranche mit sozialen Themen.
Ihr wohl bekanntestes Projekt ist Wheelmap.org, eine Online-Karte zum Finden und Bewerten der Rollstuhlgerechtigkeit von Orten. Das Projekt entstand bereits im Jahr 2010, wuchs ständig und umfasst mittlerweile mehr als 1,2 Millionen erfasste Orte. Das macht das Projekt zur weltweit größten Online-Karte und Informationsquelle in dieser Thematik.
Parallel dazu wurden jedoch auch auf kommunaler Ebene vielerorts zahlreiche Ortsinformationen zur Barrierefreiheit zusammengetragen. Leider stehen diese wertvollen Informationen häufig nur in Form von PDFs zur Verfügung. Barrierefreie Webseiten oder eine zentrale Sammelstelle für alle Informationen suchten die User dagegen bislang vergeblich. In Zukunft können Städte und Gemeinden unter dem Stichwort „Wheelmap Pro“ schnell ihre individuellen Online-Karten zur Verfügung stellen. Die Technologie basiert ebenfalls auf Wheelmap.org.
Neben der Rollstuhlgerechtigkeit lassen sich darauf zusätzlich über 170 weitere Barrierefreiheitskriterien abbilden. Die Online-Karten erfassen deshalb nicht nur Informationen für mobilitätseingeschränkte Personen, sondern auch hilfreiche Daten für Menschen mit anderen Behinderungen. Menschen mit Sehbeeinträchtigungen finden beispielsweise Orte mit Leitsystemen zur Orientierung. Wer Lernschwierigkeiten oder Leseproblemen hat, kann erfahren, wo es Informationen in leicht verständlicher Sprache gibt.
Auch diejenigen, die auf akustische Hilfsmittel angewiesen sind und so erfahren können, welche Orte damit ausgestattet sind.
Das Projekt ist außerdem auch für alle, die mit Gehhilfe oder Kinderwagen unterwegs sind, äußerst interessant.
Der Verein Sozialhelden e. V. hat bereits einige „Wheelmap Pro”-Projekte umgesetzt, beispielsweise mit der Stadt Konstanz, dem Landkreis Starnberg oder dem Landkreis Olpe im Sauerland.
Für Städte und Kommunen ist dies ein innovativer Weg, ihre bereits erfassten Informationen zu digitalisieren und sie mithilfe von speziell entwickelten Erfassungstools aktuell zu halten. Außerdem signalisieren die Kommunen mit solchen individuellen Landkarten, dass sie alle Belange der Bevölkerung ernst nehmen. Aber die Möglichkeiten gehen noch viel weiter, da die gesammelten Daten auch bei der Planung für städtebauliche Verbesserungen im Sinne der Barrierefreiheit helfen.
Sozialhelden e.V.: Private Initiative wird bundesweit zu einem wichtigen Partner
Raúl Aguayo-Krauthausen wurde in Lima, Peru geboren und ist in Berlin aufgewachsen. Er studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und Design-Thinking. Er ist Blogger, Podcaster, Moderator sowie ausgebildeter Telefonseelsorger. Im Jahr 2004 gründete er den Verein Sozialhelden (dieser heißt mittlerweile: Sozialheld*innen), der sich für verschiedene gesellschaftliche und soziale Projekte engagiert.
Neben Wheelmap.org führt der Verein über ein Dutzend weiterer Projekte, die sich beispielsweise mit sprachlicher Sensibilisierung, einer inklusiveren Arbeitswelt oder der Verteilung von mobilen Rollstuhlrampen auseinandersetzen. Eines Ihrer jüngsten Projekte „Elevate“ erfasst den Funktionsstatus von Aufzügen und speist diese ebenfalls in die Wheelmap.
Für das Projekt gewann der Verein den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in 2019. Sozialhelden e. V. und Raúl Krauthausen erhielten für ihr Engagement zahlreiche weitere Preise und Ehrungen. Krauthausen ist seit 2013 Träger des Bundesverdienstkreuzes und wurde 2018 mit dem Grimme Online Award für persönliche Leistung ausgezeichnet. 2014 erschien seine Autobiografie „Dachdecker wollte ich eh nicht werden: Das Leben aus der Rollstuhlperspektive“.