Klimaschutz und Kulturerbe im Konflikt
Erneuerbare Energien im Denkmalbestand: Was hat Vorrang? / Hürden und Lücken bei umweltfreundlicher Stromerzeugung
Hauseigentümer lassen sich immer häufiger Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf dem Hausdach oder gar am Balkon installieren. Bei Häusern, die unter Denkmalschutz stehen, ist eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis erforderlich. Häufig wird diese Gemeinschaft als unpassend angesehen. Eigentümer erhielten bei Anfragen nach PV- oder Solarthermieanlagen meist eine Absage. Jetzt gehen einige Bundesländer andere Wege. Sie wollen den Weg für Solaranlagen erleichtern.
Denkmalschutz oder Klimaschutz? Die beiden Ziele müssen sich nicht mehr ausschließen, wie ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) unterstreicht. Ziel des Projekts „PVHide“ war es, Konzepte für unsichtbare, bauwerkintegrierte PV-Anlagen zu entwickeln. Mit der Umsetzung ist ein Pilotprojekt des Fraunhofer ISE zusammen mit dem Modulhersteller AxSun Solar GmbH, der Interpane Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft mbH sowie der Stadt Eppingen gelungen. Das rote Dach einer Turnhalle hat eine PV-Anlage im gleichen Ziegelrot erhalten, die sich unauffällig in die Gesamtwirkung des Gebäudes integriert.
Die Installation besteht aus 224 PV-Modulen mit MorphoColor-Farbschicht und hat eine Gesamtleistung von 66 Kilowatt Peak. Trotz der Farbschicht produziert die Anlage mehr als 90 Prozent des Stroms einer klassischen PV-Anlage mit unbeschichteten Gläsern.
Nach der Umsetzung in einer grünen PV-Anlage in die Fassade des Zentrums für höchsteffiziente Solarzellen „wollten wir architektonische Akzente setzen“, erläuterte Dr. Harry Wirth, Bereichsleiter für photovoltaische Module und Kraftwerke am Fraunhofer ISE.
„Das ist ein wichtiger Meilenstein, der beweist, dass bauwerkintegrierte PV funktioniert.“ Das Turnhallendach in Eppingen zeigt den Anwendungsfall, möglichst dezent in der Gebäudehülle zu verschwinden.
Das Fraunhofer ISE erforscht die Integration von PV-Anlagen in Bauwerke, um zusätzlich zur Stromgewinnung klassische Funktionen wie Wärmedämmung, Wind- und Wetterschutz oder architektonische Akzente zu übernehmen. Solche Anlagen helfen dabei, die energetischen Gebäuderichtlinien zu erfüllen und gleichzeitig auf die Vorgaben des Denkmalschutzes zu achten. „Wir sind froh, den Denkmalbesitzern in unserer historischen Altstadt nun ein Best-Practice-Beispiel nach dem neuesten, machbaren und auch bezahlbaren Stand zeigen zu können“, sagt Thomas Frey, Abteilungsleiter Hochbau der Stadt Eppingen, zu der Innovation.
„Die Fertigstellung der Pilotanlage ist ein wichtiger Schritt für die großflächige Umsetzung von MorphoColor“, betonte Dr. Thomas Kroyer, Projektleiter am Fraunhofer ISE. „Die nächsten PV-Module, die jetzt mit MorphoColor beschichtet werden, zeigen immer ihre intensive Farbe, egal von wo die Sonne auf sie scheint.“ Fasziniert von den ästhetisch ansprechenden Lösungen zeigte sich Dr. Hansjörg Weis, Entwicklungsleiter bei der zur AGC-Gruppe gehörenden Interpane Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft: „Damit erhoffen wir uns noch breitere Anwendungsfelder für die PV.“ Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Die Praxis auf Landesebene
Ob sich Denkmalschutz und Klimaschutz miteinander vertragen, überlegen auch die deutschen Bundesländer. In manchen Bundesländern sind Änderungen erkennbar. Wie stark sich Revisionen in der Praxis äußern, muss sich erst noch erweisen.
Baden-Württemberg
Die Landesregierung in Baden-Württemberg erleichtert die Installation von PV- und Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Künftig soll eine PV-Anlage nur noch dann abgelehnt werden, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebäudes befürchtet wird. Nach den im April überarbeiteten Leitlinien soll die Genehmigung „regelmäßig zu erteilen“ sein.
Solaranlagen müssen sich der Dachfläche unterordnen, ohne das Erscheinungsbild zu beeinträchtigen. Eine farbliche Anpassung an die Dacheindeckung und eine matte Oberfläche sollen gewählt werden. Geprüft werden soll, ob sich alternative Standorte beispielsweise auf Nebengebäuden besser eignen. Die neuen Leitlinien gelten nicht für das Unesco-Weltkulturerbe.
Hamburg
Der Leitfaden „Praxishilfe Denkmalpflege zum Umgang mit erneuerbaren Energien“ soll dazu beitragen, dass bauliche Maßnahmen rücksichtsvoll umgesetzt werden. Er enthält einen Überblick zu Bau, Antragstellung und Realisierung.
Nordrhein-Westfalen
Einen Erlass mit Entscheidungsleitlinien für Solaranlagen auf Denkmälern hat das Landesministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen im Dezember veröffentlicht. Nach dem Landesdenkmalschutzgesetz besteht sogar ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis, wenn Solaranlagen keine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmals darstellen.
Niedersachsen
Die Gewinnung erneuerbarer Energien auf denkmalgeschützten Gebäuden ist nach Änderung des Landesdenkmalschutzgesetzes seit Juli 2022 erleichtert. Wenn der Eingriff in das Erscheinungsbild reversibel ist, dann ist eine Solaranlage zu genehmigen. Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen geht davon aus, dass Solaranlagen immer reversibel sind. Dennoch muss jeder Einzelfall mit der Unteren Denkmalschutzbehörde besprochen werden.
Bayern
Im Dezember 2022 hat der Bayerische Ministerrat den Entwurf zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes geändert. Der Entwurf sieht einen erleichterten Einsatz erneuerbarer Energien im Denkmalbereich vor, „soweit sie denkmalverträglich sind“.
Rheinland-Pfalz
Für das Anbringen von Solaranlagen auf Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, „wird künftig im Regelfall eine Genehmigung erteilt“, heißt es in einer Verwaltungsvorschrift vom März 2023. Nur noch in Ausnahmefällen sollen die Unteren Denkmalschutzbehörden gegen eine Genehmigung entscheiden können.
Auch Brandenburg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Hessen haben die Nutzung regenerativer Energien in Altstadtbereichen und auf Kulturgütern erleichtert. Allerdings sind historische Gebäude einzigartig. Deshalb gilt es, die beste Lösung für das spezielle Gebäude zu finden. Eine Einzelfallbetrachtung wird unumgänglich. Für einheitliche Kriterien erarbeitet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz derzeit einen Leitfaden für Denkmaleigentümer und Bauherren. Beispielsweise gibt es in Baden-Württemberg mehr als 90.000 Bau- und Kunstdenkmäler sowie 60.000 archäologische Denkmäler.
Denkmalschutz wird mitunter als Hemmschuh für die Energiewende empfunden. Jedoch kann der Konflikt zwischen Denkmalschutz und Klimaschutz durch innovative Anlagen entschärft werden – insofern es die Ämter auch wollen. [ dlu ]