Die Sonne schenkt zusätzlichen Benefit
Integrierte Photovoltaik fährt auf der Straße mit
Überraschend zeigt der Zeitstrahl des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme bereits vor 40 Jahren seine Grundsteinlegung. Entwickelt hat sich daraus das größte Forschungsinstitut für solare Energiegewinnung Europas, wie Christoph Kutter am Beginn unseres Gesprächs betont. Er ist Teamleiter eines neuen Projekts, das im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über drei Jahre gefördert wird.
Herr Kutter, Ihr ureigenstes Thema ist die Solartechnologie in all ihren Facetten. Ein neues Projekt kreist nicht um Dächer oder Flächen, sondern um den Einsatz an und in Nutzfahrzeugen. Wird das ein Thema für die Praxis?
Unbedingt. In den letzten vier Jahrzehnten ist bei einem Preisverfall der Photovoltaik um 90 Prozent gleichzeitig die Effizienz gestiegen. Das Signal haben wir aufgegriffen, denn die Solartechnologie muss zur Stromgewinnung in eine zügige Energiewende integriert werden. Und das in der Infrastruktur direkt auf Fahrzeugen, die idealerweise ihre Batterie dabeihaben. Wir entwickeln und begleiten das Konzept von der wissenschaftlichen Seite bis zur Demonstration.
Das Projekt hat den nüchternen Namen „Lade-PV“. Sie beschreiben es vorzugsweise für LKWs im Lastenverkehr. Hat das einen Grund?
Wir haben den Fokus auf Nutzfahrzeuge mit Kofferaufbau gelegt, weil das ein erster einfacher Schritt ist. Natürlich gehen unsere Überlegungen weiter. Wir denken an Nutzfahrzeuge, die im kommunalen Bereich auf kürzeren Strecken und nicht rund um die Uhr auf der Straße sind.
Sehen Sie den Einsatz ausschließlich bei neuen Nutzfahrzeugen oder ist auch Nachrüstung ein Thema?
Grundsätzlich funktioniert die Entwicklung von fahrzeugintegrierter Photovoltaik für das On-Board-Laden von Elektro-Nutzfahrzeugen am besten, wenn der Solarstrom in die Antriebsbatterie eingespeist wird. Bei Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren kann man den Solarstrom ins Bordnetz speisen und damit die elektrische Last der Nebenverbraucher senken. So wird Diesel gespart, weil Strom nicht durch die Lichtmaschine erzeugt werden muss. Auch das Thema Schnee- und Eisschmelze ist interessant, wenn Solarzellen rückwärts bestromt werden, können sie für Erwärmung auf dem Fahrzeugdach sorgen. Das kann nachgerüstet werden. Selbst Kühlfahrzeuge profitieren, wenn Solarenergie in eine separate Batterie eingespeist wird, die elektrische Kühlanlagen betreibt. Meist werden Kühlanlagen noch mit Dieselgeneratoren betrieben. Kurzum: Integrierte Solarmodule sparen Treibstoff und Strom.
In Ihren technischen Informationen steht, dass geeignete Photovoltaik-Module ausgesucht werden müssen. Welche Attribute müssen die denn haben?
Grundsätzlich sind sie durch die schlanke Bauweise sehr leicht, um die Nutzlast nicht zu beeinträchtigen. Und sie müssen eine mechanische Robustheit und chemische Stabilität gegenüber UV und anderen klimatischen Bedingungen aufweisen. Die Anforderungen sind natürlich im fahrenden Verkehr anders. Zwingend sind Vibrations- und Schockresistenz. Hierfür gibt es Normen, die Prüfszenarien vorschreiben. Die Module werden von uns geprüft und optimiert entwickelt.
Betrachten wir mal den ökologischen Fußabdruck von der Herstellung bis Fertigstellung: Wann machen Photovoltaik-Module auf Fahrzeugdächern Sinn?
Solarstrom ist grundsätzlich eine der kohlendioxidärmsten Stromerzeugungsquellen. Wir sprechen hier von weniger als 50 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde, was zirka ein Zehntel der Kohleverstromung ist. Die Amortisationsdauer der Module beträgt 0,8 bis 1,4 Jahre, bis sich die Kohlendioxidmenge kompensiert, die für die Herstellung der Solarzellen notwendig ist.
Das gleiche gilt für die Energiemenge. Photovoltaik ist eine Technologie, die ständig das Fahrzeug nachlädt. Das kann sich besonders da lohnen, wo Fahrzeuge kürzere Strecken fahren, seltener bewegt werden und im Freien geparkt werden.
Können Sie dazu ein paar praktische Beispiele nennen?
Eine unserer Messekampagnen 2017 hat ergeben, dass ein typischer dieselbetriebener LKW-Auflieger mit 40 Tonnen in unseren Breitengraden zwischen 1500 und 2100 Liter Diesel jährlich durch integrierte PV-Module einsparen kann.
Ertragsberechnungen für E-Fahrzeuge liegen deutlich darüber. Die ortsabhängigen Berechnungen für Nord- und Südeuropa ergaben für einen 18-Tonner E-LKW (Anlagengröße 3,5 Kilowatt Peak) und einen 3,5-Tonner Transporter (Anlagengröße 2,17 Kilowatt Peak) unter günstigen Bedingungen folgende zusätzliche Reichweiten: Für den 18-Tonner in der Region Sevilla in Spanien zirka 4600 Kilometer pro Jahr und in der Region Stockholm in Schweden zirka 2600 Kilometer pro Jahr.
Ein 3,5-Tonner E-Transporter kommt im Jahr in der Region Sevilla auf zirka 5800 Kilometer und in der Region Stockholm auf zirka 3000 Kilometer zusätzliche Reichweite.
Interessenten können sich bei Ihnen vor Ort anhand der Demonstrationsfahrzeuge ein Bild machen…
Zum Inhalt des Projekts gehören unsere Demonstrationsfahrzeuge. Benötigen interessierte Kommunen vor Auftragserteilung Informationen, sind wir als Ansprechpartner die erste Stufe. Unsererseits können Wirtschaftlichkeitsanalysen für bestimmte Projekte erstellt werden, wir beraten zur Technologie und klären über das Potenzial auf. Natürlich beinhaltet das auch die Kontaktvermittlung zu Anbietern. Unser Part endet dann, wenn wir entsprechend den Anforderungen der Kommune ein Fahrzeug als Demonstrationsobjekt aufgebaut haben. Das wird allerdings teurer als der Kauf eines fertigen Fahrzeugs.
Gemeinsam mit Partnern entwickeln wir alles selbst. Dafür stellt eine Firma Module her, die andere macht den Kofferaufbau und die dritte fertigt die Leistungselektronik.
Für eine Entscheidung sollten Interessenten auch abwägen, ob sie ihr Nutzerverhalten den Möglichkeiten anpassen möchten oder der Meinung sind: Was vom Dach kommt, ist unser Benefit. [ sf ]
Weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Department Module
C. Kutter: Tel.: + 49 761 4588-2196
christoph.kutter@ise.fraunhofer.de