Für mehr Wohnraum – und die Bauwende
Materialinnovation im kreislauffähigen Holzbau hilft Ziele zu erreichen
Das Bauwesen ist laut Bundesumweltamt der ressourcen- und müllintensivste Wirtschaftssektor in Deutschland. Die Branche ist verantwortlich für 60 Prozent des globalen Abfalls und 40 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. Grund sind neben der schlechten Energieeffizienz der Gebäude auch die darin verbauten Materialien. Nichtsdestotrotz steigt der Bedarf an Wohnraum bundesweit. Dementsprechend sieht der Koalitionsvertrag vor, dass jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen sollen. Aktuell sind diese Ziele nicht realistisch.
Die Baubranche muss eine ökologische und bezahlbare Bauwende vollziehen, gleichzeitig aber den enormen Zahlen an gefordertem Wohnraum gerecht werden. Hier sind vor allem nachwachsende und kreislauffähige Materialien wie Holz oder Stroh entscheidend – denn ohne eine praxisorientierte Baumaterialwende, wird auch die Bauwende nicht zu erreichen sein.
Wie viel Holz haben wir zur Verfügung?
Es wird grundlegend diskutiert, ob überhaupt genug Holz vorhanden ist, um die Wohnbauziele der Bundesregierung nachhaltig zu realisieren. In der Waldzustandserhebung 2020 kommt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Schluss, dass Stürme, Dürren und Borkenkäferbefall den Wäldern in den letzten Jahren enorm geschadet haben. Fachleute gehen allein für die Jahre 2018 bis 2020 von einem Schadholzbefall von 171 Millionen Kubikmetern aus.
Diese klimatischen Bedingungen scheinen sich laut Waldzustandserhebung deutschlandweit konsequent fortzusetzen. Aufgrund dessen besteht ein deutliches Überangebot an Schad-, Schwach- und Sturmholz (sogenanntem Kalamitätsholz). Diese Hölzer sind in der Baubranche allerdings oft nicht zielführend einsetzbar.
Gleichzeitig schlummert in unserer gebauten Umwelt ein erhebliches Potential. Die Gebäude in unseren Städten und Gemeinden sind ein gigantisches Rohstofflager. In diesem befinden sich Millionen von Kubikmetern an hochqualitativem Bauholz. Aktuell wird dieses Holz bei Rück- und Umbauprojekten meistens nicht sortenrein entnommen und wiederverwendet, sondern verbrannt. Der gebundene Kohlenstoff in diesem Holz wird in Form von CO2 wieder in unsere Atmosphäre emittiert. Ziel muss es sein, dieses Holzvorkommen zu aktivieren und in Form von standardisierten und einfach zu verbauenden Systemen wieder im Neubau einzusetzen.
Ressourcenschonende Materialinnovation
Genau hier setzt die TRIQBRIQ AG mit ihrem gleichnamigen Holzbau-System an. Triqbriq besteht aus mikro-modularen Holzbausteinen – den sogenannten Briqs. Diese werden mit Robotertechnik hochpräzise aus kostengünstigem Industrie- und Kalamitätsholz hergestellt. Auch rückläufiges Bauholz kommt dabei großvolumig zur Anwendung.
Die einzelnen Briqs werden auf der Baustelle im Verband aufeinander gesteckt und über Buchenholzdübel miteinander verriegelt. Auf diese Weise lassen sich tragende Außenwände kosteneffizient, flexibel und in kurzer Zeit errichten. Zu den weiteren Vorteilen gehört, dass die Briqs am Ende der Nutzungsphase eines Gebäudes sortenrein entnommen und vollständig wiederverwendet werden können. Damit bietet der Hersteller eine ganzheitlich nachhaltige und kreislauffähige Alternative zu konventionellen Baustoffen.
Serielle Produktion in Tübingen
Am 30. November 2022 eröffnete das Unternehmen sein Stammwerk in Tübingen. Hier hat das junge Team eine roboterunterstützte Produktionsanlage aufgebaut, mit der es sein eigens entwickeltes Holzbausystem seriell produziert.
Der Kern der Triqbriq-Produktion besteht aus Robotern. Diese verarbeiten die vorgehobelten Kanthölzer entlang eines patentierten dreiaxialen Dübel-Systems zu hochwertigen und statisch einwandfreien Briqs. Auf diese Weise ist es möglich, Industrie- und Kalamitätsholz (Schwachholz, Schadholz, Käferholz beispielsweise) sowie rückgebautes Holz verschiedenster Qualitäten, zu einem kreislauffähigen und sicher einsetzbaren Baustoff weiterzuverarbeiten. Geliefert werden die Briqs auf Europaletten – wiedereinsetzbare Abdeckhauben und Spanngurte sorgen dabei für die müllfreie Zustellung.
Aktuelle Projekte
Europaweit gibt es diverse Projekte mit Vorgängerversionen des Triqbriq-Systems. Mitte Juli diesen Jahres wurde in Frankfurt der erste mehrgeschossige Rohbau in dieser Weise fertiggestellt. Bei dem über 430 Quadratmeter BGF großen Projekt wurden dank dieser Kombination von Holzbausteinen über 50.000 Kilogramm CO2 kreislauffähig im Rohbau eingelagert.
Beachtlich ist dabei vor allem die kurze Bauzeit des Projekts. In lediglich sechs Tagen wurde der gesamte Rohbau inklusive Dachstuhl fertiggestellt. Die vom Bauherren beauftragten Handwerker waren nach eigenen Angaben begeistert von der einfachen Handhabung des Systems.
Der Geschäftsführer des ausführenden Generalunternehmens B.E. Bau GmbH, Edis Dzanovic betont: „Wir hatten bisher keine Erfahrung mit dem Triqbriq-System, es ist aber wirklich unglaublich einfach. Am Montagmorgen haben wir nach einer kurzen Einweisung mit dem Mauern des Erdgeschosses begonnen und konnten dieses bereits um 15 Uhr fertigstellen. Mit herkömmlichen Lösungen wie Kalksandstein dauert das bei einem vergleichbaren Projekt circa drei Tage. Auf Grund dessen war es uns möglich, den gesamten Rohbau sogar schneller als geplant umzusetzen.“
Nach dem erfolgreichen Bau des ersten mehrstöckigen Gebäudes blickt das junge Team rund um Gründer Max Wörner nun umso zuversichtlicher in Zukunft. Zum einen ist bereits der Bau einer zweiten entsprechenden Produktionseinheit im Tübinger Stammwerk im Gange. Zum anderen stehen diverse weitere Projekte an, die aufgrund von Weiterentwicklungen des bisher verwendeten Systems sogar bis zu fünf Geschosse hoch werden. Der Bauwende steht also von dieser Seite her nichts mehr im Wege.