Friedhöfe im Umbruch
Landschaftsarchitekten entwickeln generationengerechte Zukunftsmodelle
Die typische Bestattung oder das typische Grab gibt es heute nicht mehr. Individualisierte Menschen orientieren sich an dem, was ihnen gut tut. Die Erklärung liegt in der generationenspezifischen Sozialisation. Immer mehr Menschen möchten die Art des Begräbnisses, den Ort und die Gestaltung der Grabstätte selbst bestimmen.
Friedhöfe sind immer weniger ein Ort der individuellen Trauer. Außerdem wird die Trauer in der heutigen Gesellschaft zunehmend als Ausnahmezustand betrachtet. Der Druck zum reibungslosen Funktionieren macht das Trauern zu einem störenden Zustand, der möglichst früh beendet werden soll.
Dabei sind Trauerrituale von elementarer Bedeutung. Sie reduzieren Ängste und geben Stabilität. Individuelle Trauerhandlungen bekommen jedoch nicht den Platz auf unseren Friedhöfen, den sie brauchen, damit Trauerbewältigung wirklich gelingt. Allerdings gibt es auch sehr unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche für den Umgang mit Trauer und Tod. Diese Situation ist eine große Herausforderung, die zugleich neue Innovationschancen mit sich bringt. So könnten unterschiedliche Gestaltungs- und Handlungsspielräume in verschiedenen Arealen auf dem Friedhof die Verwirklichung divergierender Gedenkmodelle und Mitwirkungsinteressen ermöglichen. Es gilt, die Pluralität real existierender Einstellungen Rechnung zu tragen und sowohl traditionelle Formen als auch innovative Modelle zu stärken.
Der Friedhofbeitrag auf der Bundesgartenschau Heilbronn 2019, den die Landschaftsarchitekten Siegmund und Winz zusammen mit dem Künstlerehepaar Bräg gestaltet haben, war geprägt von den Wünschen der Menschen. So fragte man gezielt Heilbronner Bürger, wie und wo sie einen geliebten Menschen bestatten möchten. Die Künstlerin Karolin Bräg hat die Ergebnisse gesammelt, dokumentiert und ausgewertet. Diese Vorgehensweise kann analog auch in den einzelnen Kommunen angeregt werden. Es geht darum, die Bedürfnisse zu verstehen – lokal und individuell. Alle Akteure, wie Bestatter, Friedhofsgärtner oder Steinmetzbetriebe sind aufgefordert, dabei mitzuwirken.
Als weiterer Schritt können Diskussion angeregt und Projekte initiiert werden. Dazu gehören auch Veranstaltungen auf dem Friedhof, wie Lesungen, Konzerte oder Treffen von Gesprächsgruppen. Aber auch Aufenthaltsflächen für Kinder mit für den Friedhof angepassten Spiel- und Erfahrungsangeboten sind eine Option, genau wie Flächen für frei und individuell gestaltbare Gräber. Weitere Möglichkeiten sind Kunstprojekte zum Thema Tod oder Naturerlebnisbereiche mit beispielsweise Wildblumenbeeten. Hier könnte man Blumen pflücken und sie später aufs Grab legen. Über eine zum Friedhof gehörende App könnten sich Trauernde lokal zusammenschließen und austauschen.
Fazit: Traditionelle Formen sollen erhalten und gestärkt, historische Bezüge können sichtbar gemacht werden. Die kulturelle Vielfalt der jeweiligen örtlichen Bevölkerung soll sich auf dem Friedhof wiederfinden. Alle sollen dazugehören. Es braucht Freiräume, um eine neue Grabkultur zu ermöglichen. Alles ist denkbar, um Menschen in ihrer Trauer zu helfen.