Der Ruheforst Hunsrück: Ohne die Beschilderung käme man im ersten Moment nicht auf die Idee, dass man nun einen Ruheforst betritt.

Der Ruheforst Hunsrück: Ohne die Beschilderung käme man im ersten Moment nicht auf die Idee, dass man nun einen Ruheforst betritt.

4. November 2019

Bäume statt Grabsteine

Bestattungswälder werden immer beliebter

Leise rauschen die Blätter in den alten Buchen und Eichen, an denen gepflegte Wege vorbeiführen. Es könnte ein ganz normaler Wald sein, wenn es nicht diese mit gehäckseltem Holz ausgelegten Wege gäbe – und nicht die kleinen Schilder an den wuchtigen Stämmen. Dieser Wald ist ein Friedhof.

Der Ruheforst Hunsrück gehört zu den vielleicht außergewöhnlichsten Bestattungswäldern Deutschlands. Er liegt auf einem Hügel im sonst eher flachen Hunsrück. Manchmal scheint überall die Sonne – nur dieser Hügel und sein Wald sind von dichtem Nebel umgeben. Vielleicht liegt es an diesem Wetter-Phänomen, dass dieser Ort schon vor 2500 Jahren ein Begräbnisplatz war. Damals lebten hier die Kelten, die ihren Toten die letzte Ehre erwiesen. Archäologen fanden bisher 34 Hügelgräber. Später kamen die Römer und setzten ebenfalls hier ihre Toten in Urnengräbern bei. Die Römer haben in diesem Eckchen des Hunsrücks sogar so viele Spuren hinterlassen, dass selbst der heutige Zufahrtsweg eine ehemalige Römerstraße ist.

2007 hatte der frühere Ortsbürgermeister Alfred Römer die Idee, aus dem kommunalen Wald einen Friedhof zu machen. Es war, als habe der Hügel mit seinen alten Eichen und Buchen nach jahrhundertelanger Pause wieder zu seiner alten Bestimmung zurückgefunden, denn die Resonanz war von Anfang an groß. Inzwischen konnten hier 1600 Tote beigesetzt werden. Außerdem gibt es als Besonderheit den Regenbogenwald – eine Bestattungsstätte für Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind. Für Eltern ist die Beisetzung hier absolut kostenfrei.

 

Der Gedenkplatz im Hunsrücker Ruheforst: Wer seine Angehörigen in einem Ruheforst oder Friedwald bestatten will, muss wissen, dass das Aufstellen von Kerzen oder anderen bleibenden Erinnerungsstücken nicht erwünscht und sogar verboten ist. Bis auf einen Gedenkplatz und Kennzahlen an den Bestattungsbäumen erinnert nichts daran, dass dies ein Ruheforst für Verstorbene ist.

Der Gedenkplatz im Hunsrücker Ruheforst: Wer seine Angehörigen in einem Ruheforst oder Friedwald bestatten will, muss wissen, dass das Aufstellen von Kerzen oder anderen bleibenden Erinnerungsstücken nicht erwünscht und sogar verboten ist. Bis auf einen Gedenkplatz und Kennzahlen an den Bestattungsbäumen erinnert nichts daran, dass dies ein Ruheforst für Verstorbene ist.

 

Katja Stauch leitet seit 2018 den Bestattungswald im Hunsrück. Sie erklärt gegenüber Kommunaltopinform, warum das Konzept von der Bevölkerung so gut angenommen wurde. „Die Familien leben heute oft weit verstreut. Oft ist es sogar so, dass Eltern den Baum bereits zu Lebzeiten wählen, weil sie ihren Kindern die Grabpflege ersparen wollen.“

Die Grabpflege ist eine wichtige Frage, wenn es darum geht, ob man sich für einen Baum oder für einen traditionellen Friedhof entscheidet. Im Trauerfall sollte man tief in sich gehen, denn manchmal erkennt man seine wahren Bedürfnisse leider zu spät. Nicht wenige Trauernde merken erst nach der Beisetzung, dass sie doch gerne Blumen pflanzen würden. Manche würden auch gerne Figuren aufstellen oder eine Kerze anzünden. Das alles ist hier verboten, da der Wald so natürlich wie möglich aussehen soll. Katja Stauch: „Es ist ein großes Problem, dass Trauernde diese Regeln oft missachten und trotzdem Dinge hinterlassen.“ Während Figuren und Blumen nur das Bild stören und deshalb entfernt werden, sind Kerzen jedoch gefährlich und ärgern die Friedhofsleitung besonders. „Im schlimmsten Fall könnte ein Feuer den ganzen Wald zerstören.“

Niederhosenbach hat als die zuständige Gemeinde einen Franchise-Vertrag mit dem Unternehmen „Ruheforst“ abgeschlossen. Es sorgt für das „Gesicht nach Außen“ und erledigt alle juristischen Fragen. Das konkurrierende Unternehmen „Friedwald“ arbeitet nach einem ähnlichen Konzept und bietet ebenfalls interessierten Waldbesitzern – Kommunen, Privatleuten oder Ländern – über das Franchise-Prinzip praktische Unterstützung an. Beide zusammen arbeiten inzwischen bundesweit mit rund 130 Bestattungswäldern zusammen. Auch viele traditionelle Friedhöfe haben diesen Trend aufgegriffen und bieten mittlerweile Baumbestattungen in Eigenregie an. Da viele Friedhöfe inzwischen unter Platzmangel leiden, wird dieser Trend von vielen Seiten akzeptiert und sogar gefördert. Selbst die anfangs kritischen Kirchen erheben heute keine Einwände mehr.

 

Und obwohl nicht gestattet, sieht man hin und wieder kleine Blumengrüße an Bäumen.

Und obwohl nicht gestattet, sieht man hin und wieder kleine Blumengrüße an Bäumen.

 

Denn es sprechen zu viele positive Fakten für diese Bestattungsform. So bleiben die Kosten für die Hinterbliebenen verhältnismäßig niedrig. Außerdem arbeiten die meisten Wälder nach dem Biotop-Prinzip. Die Urne ist biologisch abbaubar, die Asche und die Natur werden eins.

Die Hinterbliebenen behalten gleichzeitig das Recht auf „ihren“ Baum für viele Jahrzehnte, ohne dass Mehrkosten entstehen. Die Ursprünglichkeit des Waldes bleibt erhalten, da kommerzielle Forstarbeiten und die Jagd verboten sind. Letzteres haben mancherorts inzwischen auch die Tiere begriffen.

Nicht selten sieht man in Bestattungswäldern morgens erstaunlich zutrauliche Hasen und gar nicht mehr so scheue Rehe. So werden diese Wälder der Toten und der Trauer zu wahrlich magischen Orten. Auch ohne Kerzen, Blumengebinde und Engelsfiguren.

 

Weitere Informationen:

Eine Liste mit allen Bestattungswäldern in Deutschland und weitere Informationen findet man auf den Web-Seiten von Ruheforst und Friedwald:

www.ruheforst-deutschland.de

www.friedwald.de


Ingrid Raagaard

Journalistin und Autorin

Web. www.torial.com/ingrid.raagaard

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Ingrid Raagaard

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